Urteil: Kündigung von Journalist wegen Ukraine-Recherche rechtswidrig
Gerichts: Uni Kiel entzog Patrik Baab voreilig Journalismus-Lehrauftrag. Recherche darf nicht zum Verhängnis werden. Warum die Uni unterlegen ist.
Die Universität Kiel hat Patrik Baab zu Unrecht den Lehrauftrag für praktischen Journalismus entzogen. Dies hat das zuständige Verwaltungsgericht in Schleswig am Dienstag entschieden, nachdem Baab gegen den Widerruf des Lehrauftrags im vergangenen Jahr geklagt hatte.
Hintergrund war ein Aufenthalt des Journalisten im Herbst 2022 in der Ostukraine. Laut einem Prozessbericht des Magazins Hintergrund.de hatte Baab die Reise nach eigenen Angaben für ein geplantes Buch unternommen. Sie fiel demnach zufällig in die Zeit, in der in den von Russland besetzten Gebieten Referenden über den Anschluss an die Russische Föderation stattfanden.
Hochschule sah "reine Anwesenheit" als Legitimation
Die Reise war jedoch in deutschsprachigen Medienberichtberichten stark problematisiert worden – von T-Online etwa mit der Aussage, Baab und weitere Personen hätten sich dort als "Wahlbeobachter" aufgehalten, "um die Scheinreferenden über den Anschluss an die Russische Föderation in positives Licht zu rücken".
Rektor und Kanzler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hatten sich daraufhin von Baab distanziert und öffentlich erklärt, "dass es mit den Grundprinzipien unserer Hochschule nicht vereinbar" sei, ihn weiter als Lehrbeauftragten einzusetzen.
Sie hätten ihm zuvor ihren Standpunkt verdeutlicht, dass schon seine "reine Anwesenheit bei dieser Aktion" zwangsläufig zur Legitimation des in ihren Augen völkerrechtswidrigen und inhumanen russischen Vorgehens beitrage.
Richter: Recherchereisen müssen erlaubt sein
Laut dem Prozessbericht erschloss sich diese Argumentation dem Vorsitzenden Richter Malte Sievers nicht: "Herr Baab ist Journalist und hat seinen Lehrauftrag für seine Haltung bekommen, sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen." Nun distanziere sich die Universität von einer Recherchereise, die einem Journalisten nicht untersagt werden könne, so Sievers.
In der Mitteilung des Gerichts wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass Baab durch Äußerungen in der Ostukraine zu dem Eindruck beigetragen habe, er sei als "Wahlbeobachter" dort gewesen sei. So hatten Baab vor Ort mit prorussischen Medien gesprochen. Der Anwalt der Hochschule warf ihm vor, dabei "nur einzelne Aspekte" der Abstimmungen kritisiert und ansonsten "von freien, geheimen und gleichen Wahlen" gesprochen zu haben.
Baabs Anwalt Markus Kompa hatte betont, sein Mandant könne nicht beeinflussen, wie die Medien vor Ort mit seinen Aussagen verfahren. Material von Propagandamedien als Beleg zu nutzen, hält er für "Realsatire". CAU-Anwalt Fiete Kalscheuer hatte kritisiert, als Profi müsse Baab wissen, was mit Aussagen vor einem Mikrofon passieren kann.
Das Gericht befand schließlich, die Voraussetzungen für den Widerruf des Lehrauftrags für das Wintersemester 2022/23 hätten aus einem wichtigen Grund nicht vorgelegen. Insbesondere seien die Hintergründe seines Besuchs in der Ukraine vor der Entscheidung nicht vollumfänglich aufgeklärt worden. Zudem sei das Verfahren beim Widerruf des Lehrauftrags verkürzt worden.