Verteidigungsfähigkeit Deutschlands - mangelhaft

Seite 3: Gewaltoffene Räume, China und Europa

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Gewaltoffene Räume

Die Russen unterstützen offen den syrischen Diktator. Die USA haben hauptsächlich die Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staates im Visier. Da die beiden Großmächte Russland und USA hier aber aus den vergangenen Kriegen gelernt haben, beteiligen sie sich überwiegend nur aus der Luft an Gefechten, wohl wissend, dass man dadurch keinen Krieg gewinnen kann! Am Ende sind überall die Zivilisten Opfer dieser perfiden Ränkespiele der einzelnen Staaten.

Auch vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass wir nun auch im wirtschaftlich gesegneten Westeuropa die Menschen ohne Lebensperspektive vor unserer Tür haben. Es ist absehbar, dass sich dieser Zustrom noch verstärken wird - und zwar aus allen Teilen der Welt, wo Unfreiheit, Hunger und Perspektivlosigkeit herrschen. Absehbar ist auch, dass die wohlhabenden Staaten letztendlich wieder Zäune errichten, um den ungezügelten Zustrom Einhalt zu gebieten, allerdings auf Kosten der Humanität.

Auch die Situation in Afrika ist hier nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes bemerkenswert. Insgesamt ist eine Reduzierung der Entwicklungshilfe festzustellen und eine geringere Bereitschaft zugunsten stabiler Verhältnisse in den 54 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union. Der Dreikampf um Afrika zwischen den USA, der Europäischen Gemeinschaft und China hat zu mehr gewaltoffenen Räumen und mehr Kindersoldaten geführt als zuvor! Das geflügelte Wort: "Wir Europäer haben die Uhren - den Afrikanern gehört die Zeit" kann uns noch mal schwer zu schaffen machen, zumal Afrika insgesamt einen Bevölkerungszuwachs von 4 % zeitigt.

China

Bei dieser globalen Lagefeststellung muss auch noch die Rolle Chinas mit einer seit Jahren einzigartigen militärischen Aufrüstung betrachtet werden. Die wirtschaftliche Potenz Chinas und der Expansionswillen auch in westliche Wirtschaftsräume hineinragend, ist ungebremst. Unsere Demokratiebeschwörungen gegenüber China sind schon fast lächerlich - suchen wir doch die Kooperation auf fast jedem Gebiet der Zusammenarbeit. Ob wir dabei immer unsere eigene Nachhaltigkeit im Auge haben, wage ich zu bezweifeln. (Beispiel: Blaupausen für Technologie).

Die wachsende Stärke Chinas können die Anrainerstaaten seit ein paar Jahren im Streit um kleine Inselgruppen im Südchinesischen Meer erleben. Hier geht es vordergründig um Winzigkeiten, in Wirklichkeit geht es um die Ausbeutung der Meeresschätze. Nach dem internationalen Seerecht hat ein Felsen einen Umkreis von 12 Seemeilen und eine Insel von 200 Seemeilen. Schaut man sich die Karte genauer an,stellt man fest, dass hier ein gewaltiger Territorialzuwachs entstehen würde. Nicht von ungefähr arbeiten die Japaner an einer Verfassungsänderung, in der sie wieder Streitkräfte aufstellen dürfen.

Eine globale Einschätzung des Jahres 2050, nachdem dann die weltweiten Hauptakteure die USA und China sein werden, würde ich nicht widersprechen wollen. Auf einen weltpolitischen Aspekt übertragen hieße dies, das Mittelmeer ist die Vergangenheit, der Atlantik die Gegenwart und der Pazifik das Meer der Zukunft.

Europa

Wenn dies alles Realität werden würde, gilt es schon heute, die sicherheitsbezogene Politik auch und gerade in Mitteleuropa neu auszurichten. In Westeuropa leben ca. 500 Millionen Menschen, wenn hier eine grundsätzliche Einigkeit gegeben wäre, könnten wir getrost der Zukunft entgegen blicken.

In Deutschland und vielen EU-Staaten verschließen wir uns der neuen sicherheitspolitschen Herausforderungen. Können wir uns aber auf alle NATO-Partner noch so verlassen, wie wir uns es versprochen haben? Die Rolle der USA habe ich schon angesprochen, hier ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass sich die Amerikaner nach dem Kalten Krieg massiv aus Europa verabschiedet haben. Mit jetzt ein paar neuen Kräften in Brigadestärke im Baltischen Raum ist zumindest annähernd kein Gleichstand zur Aufrüstung Russlands entstanden.

Die schleichende Erosion innerhalb der Europäischen Gemeinschaft muss uns auch strategisch zu denken geben. Die aktuelle Auseinandersetzung mit der Türkei ist mehrfach gefährlich. Einerseits hat der machthungrige türkische Präsident Erdoğan angefangen, aktiv gegen die Kurden im eigenen Land vorzugehen, und andererseits verlässt er mit seinem Tun rechtsstaatliche Prinzipien. Zusätzlich versucht er noch die türkischstämmigen deutschen Mitbürger für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Als NATO-Partner erscheint mir jedenfalls die heutige Türkei als sicherheits- und partnerschaftlich problematisch.

Unter all diesen Aspekten zwingt sich mir eine Neubewertung der gegenseitigen Beistandsvereinbarungen auf. Denn keineswegs würde z.B. ein verdeckter oder offener Angriff Russlands gegenüber den Baltischen Staaten automatisch den gemeinsamen Waffengang zur Folge haben. Der NATO-Vertrag lässt durchaus auch andere Möglichkeiten zu. Der grundsätzlichen Einschätzung, dass die Menschen nicht friedvoller durch Einsicht geworden sind, darf ich mich als Staat nicht entziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns als Bundesrepublik Deutschland auch wehrhaft und somit verteidigungsfähig halten müssen, dürfen wir nicht einem friedlichen Wunschdenken opfern.

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