Von Spitzeln, Terroristen und dem schweren Geschäft der Aufklärung
Ermittlungen gegen Guardia Civil wegen Anschlägen vom 11. März
Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. März in Madrid ermittelt nun die spanische Justiz gegen die Guardia Civil wegen Unterschlagung von Beweismitteln. Auslöser ist ein aufgenommenes Gespräch aus dem Jahr 2001, in dem ein Spitzel den Militärs von Geschäften derer berichtet hat, welche später die Attentäter mit Sprengstoff versorgt haben. Der Vorgang belebt nun auch die parlamentarische Untersuchungskommission.
Ein vor drei Jahren aufgenommenes Tonband sorgt im spanischen Staat gehörig für Unruhe. Es ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es widerlegt eindeutig die Darstellung, die Guardia Civil habe von den Sprengstoffdeals des Geflechts um den Ex-Minenarbeiter und Spitzel der Nationalpolizei José Emilio Suárez Trashorras (Spitzel in Madrider Anschläge verwickelt) nichts gewusst. Der hatte den Islamisten den Sprengstoff für die Anschläge verkauft. Der Kontakt wurde über Civil Rafael Zuheir oder Rafa Zouhier, einen Spitzel der Guardia, hergestellt.
Zuvor hatte schon der Marokkaner behauptet, die Militäreinheit mit Polizeiaufgaben vom Sprengstoffdeal informiert zu haben. Doch die wusste längst von Trashorras. Das verdeutlicht ein Tonband, welches die Tageszeitung El Mundo veröffentlicht hat. Demnach wurde die Guardia Civil spätestens im August 2001 über den Sprengstoffdealer umfassend informiert. Aus der Aufnahme geht hervor, dass der Spitzel Francisco Javier Villazón "Lavandera" damals den Beamten Jesús Campillo Veiga über die Aktivitäten Trashorras und dessen Schwager Antonio Toro informierte (Neue Festnahmen, neue Spitzel).
Trashorras habe Lavandera etwa 40 Kilogramm Dynamit spanischer Herstellung (Goma-2 Eco) angeboten, die er im Kofferraum seines Autos spazieren fuhr. Er könne Tonnen davon besorgen, habe der Spitzel der Nationalpolizei ihm versichert. Trashorras habe sich bei Lavandera auch erkundigt, ob dieser jemanden kenne, der Mobiltelefone zum Zünden von Bomben umbauen könne. Dies berichtete der Spitzel dem Beamten am Ende des aufgezeichneten Gesprächs. Diese Art Zündung wurde am 11. März in Madrid eingesetzt, als vier Pendlerzüge in die Luft gejagt wurden und 192 Menschen das Leben verloren (Blutiger Wahlkampf in Spanien). Der Spitzel Trashorras könnte also noch tiefer in die Anschläge verwickelt sein.
Doch das Tonband verschwindet aus bisher ungeklärten Umständen jahrelang und der von Campillo gefertigte Bericht bleibt scheinbar ohne Konsequenz. Genaueres sollen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zeigen. Die untersucht nun, ob die Führung der Guardia Civil in der Region Asturien Beweismittel unterdrückt und Ermittlungen behindert hat, teilte Generalstaatsanwalt Cándido Conde-Pumpido mit. Das ist ein bisher einmaliger Vorgang.
Aufgetaucht sei das Band erst wieder im August 2003 bei einem Umzug im Hof der Guardia Civil Kaserne von Cancienes. Es sei danach von einem Beamten in der Privatwohnung gelagert worden. Der will es erst Mitte Oktober 2004 angehört haben. Er habe eine Kopie erstellt und es dann seinem Vorgesetzten Antonio Rodríguez Bolinaga, inzwischen Chef der Guardia Civil in Asturien, übergeben. Statt es dem ermittelnden Richter weiter zu reichen, ließ der es in seinem Tresor verschwinden.
"Aufbewahren" nennt er das. Das Band habe keinen "polizeilichen oder juristischen Wert", gab er gestern vor der Untersuchungskommission in Madrid zu Protokoll. Er war vorgeladen worden, weil sich sein Untergebener zur Veröffentlichung der Kopie entschieden hatte. Bolinaga, direkter Vorgesetzter von Campillo als der 2001 das Gespräch mit Lavandera führte, wurde letzte Woche vom Dienst suspendiert. Wegen seiner Verdienste im Rahmen der Aufklärung war er erst kürzlich von der sozialistischen Regierung zum Chef der Guardia Civil von Asturien ernannt worden.
Enger wird nun auch für dessen Vorgänger auf dem Posten. Pedro Laguna, derweil auch wegen seiner Verdienste bei der Aufklärung der Anschläge zum General befördert, rückt nun ebenfalls ins Blickfeld der Ermittlungen. Auch er musste gestern vor der Kommission aussagen. Die sollte zwar schon beerdigt sein, ermittelt aber jetzt nun auch die Vorgänge um die Sprengstoffdealer in Asturien (Alles aufgeklärt – trotzdem geht es weiter).
Vertuschung einer missglückten Operation
Bei dem zweiten Auftritt vor der Kommission gestand Laguna ein, man habe lange gegen Trashorras ermittelt. Zuvor hatte die Guardia Civil behauptet, kurzzeitig eingeleitete Ermittlungen hätten keine Ergebnisse gebracht und seien abgebrochen worden. In einem Bericht vom 6. März 2003 wurde sogar festgestellt, es sei bewiesen, dass das Geflecht um Trashorras mit organisierten Banden in Verbindung stehe. Schon zuvor war bekannt geworden, dass zudem die Spezialeinheit der Guardia Civil (UCO) den Schwager Trashorras beim versuchten Verkauf von Sprengstoff im Februar 2002 überwacht hat. Warum hat Lagunas das alles nicht schon vor Monaten mitgeteilt? Die Frage ist auch, ob er diesmal alles gesagt hat. Jedenfalls versuchte er die Bedeutung des aufgenommene Gesprächs herunterzureden. Der damalige Chef der Guardia Civil in Asturien ist für die Vorgänge mitverantwortlich.
Nun gehen also auch die Regierung und die Staatsanwaltschaft davon aus - oder können nicht mehr daran vorbei, dass hinter dem Netzwerk um die Sprengstoffdealer von Asturien mehr steckt als nur Schlamperei und Zufälle. Bisher hatten die regierenden Sozialisten es mit ihrer Mehrheit in der Kommission verhindert, die Spitzel vorzuladen. Auch der Ermittlungsrichter Juan del Olmo war bislang eher bemüht, die Sicherheitskräfte zu exkulpieren (Spanische Untersuchungen).
Warum wurde aber gegen bekannte Sprengstoffdealer jahrelang nicht vorgegangen? Warum standen die wichtigsten Akteure zudem auf der Lohnliste der Sicherheitskräfte? Sinn macht nur ein Szenario. Hinter dem Vorgang verbirgt sich eine missglückte Operation, die angesichts der fatalen Folgen vertuscht werden soll.
Einige Hinweise sprechen für eine Operation gegen die baskische Untergrundorganisation ETA als Hauptfeind Spaniens (Schauspiel einer Aufklärungskommission). Da ist nicht nur die Tatsache, dass ausgerechnet Manuel García Rodríguez, der Führungsbeamte des Sprengstoffdealers Trashorras, als "Veteran im Kampf gegen die ETA" gilt. Als die Guardia Civil 2001 über dessen Deals informiert wurde, versuchte sein Schwager Toro im Knast von Villabona gerade Kontakt zu Gefangenen der ETA herzustellen. Zufällig, angeblich in anderer Mission, befand sich auch der Guardia Civil Spitzel Zuheir in dem Gefängnis.
Wie zu vermuten war, hat der Auftritt Toros bei den ETA-Gefangenen eher Misstrauen geweckt. Dies belegen nun auch Auszüge abgehörter Gespräche zwischen den Gefangenen, welche die Zeitung El Pais am 26. Oktober veröffentlicht hat. Darin sagt einer der Gefangenen: "Der Typ (gemeint ist Toro), der den Sprengstoff verkaufte, war hier im Knast, es war ein wahnsinniges Großmaul (...) Wie es aussieht, wollte er uns das Zeug verkaufen.. Er habe Toro zwar gekannt, aber keinen Kontakt zu ihm gehabt. Es sei allen bekannt gewesen, dass es sich um einen "Informanten" handelte.