Von der Ästhetik der militärischen Uniform

US-Soldaten haben für den Einsatz im Irak eine schwere, wassergekühlte Panzerrüstung erhalten und finden sich in ihr "goofy"

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Im Mittelalter erlebten die Ritter bekanntlich eine Blüte. Sie bildeten eine neue Kavallerie, die sich gegen die Pfeile, Schwerter und Lanzen der Feinde mit immer ausgeklügelteren Panzern schützten. Je stärker und sicherer der Panzer, desto schwerfälliger wurden freilich die Ritter. Mit dem Aufkommen der Armbrust reichten Kettenhemden nicht mehr und musste der Kämpfer mit massiven Eisenrüstungen geschützt werden. Mit dem Helm, den gepanzerten Handschuhen und dem Fußschutz sowie den Pferden unter Panzerschutz wurden sie zu lahmen Streitern, die von Gegnern mit langen Hellebarden besiegt und schließlich auch durch die Feuerwaffen ihren Zweck verloren.

Cupola Protective Ensemble. Foto: Pentagon

Einen ähnlichen Eindruck wie bei der Geschichte mit den Rittern, die mit der aufkommenden Neuzeit verschwanden, könnte man auch gegenwärtig im Irak gewinnen. Die größte Bedrohung der US-Soldaten sind Selbstmordattentäter in Fahrzeugen und Bomben in Autos oder an Straßen. Aber es gibt natürlich auch immer wieder – und manchmal im Zusammenhang mit der Zündung von Bomben – auch Angriffe mit Gewehren oder Granaten.

Daher werden nicht nur die Fahrzeuge des US-Militärs besser gepanzert, sondern wurde auch eine neue Uniform entwickelt, das Cupola Protective Ensemble (CPE). Die neue Schutzuniform, die ein wenig an eine Ritterrüstung von Aliens erinnert, ist vor allem für die Schützen gedacht, die beispielsweise auf den Humvees die Maschinengewehre bedienen und mit ihrem Oberkörper und Kopf, die aus dem Fahrzeug herausragen, ein gutes Ziel darstellen. Sie werden aber auch durch explodierende Bomben, Granatensplitter oder durch das Umfallen der Fahrzeuge gefährdet.

Also wurde eine Schutzuniform mit einem gewaltigen Helm und Nackenschutz entwickelt. Dazu kommen Panzerschilde für den Brustkorb, den Rücken und den Unterleib, sowie eine Schutzhose und –jacke. Um den Hightech-Panzer aus Kevlar und anderen Materialien überhaupt auszuhalten, vor allem in der Hitze im Irak, wird der Oberteil wassergekühlt. Dazu kommt zusätzlicher Schutz für Knie und Ellbogen sowie Handschuhe. Das CPE wird über der normalen Schutzweste getragen. Besonders ästhetisch macht die neue Schutzuniform die Soldaten sicherlich nicht, die wie dicke, lahme Käfer darin wirken.

Seit Januar 2006 wurden die neuen Anzüge an Soldaten verteilt, die im Irak im Einsatz sind. Sie haben zwar angeblich bereits Soldaten vor schweren Verletzungen oder gar vor dem Tod geschützt, aber die Soldaten sind nicht wirklich glücklich über die Panzeruniformen. „Goofy“, albern, würden die Panzer ausschauen, beklagen sich die Soldaten, die lieber beweglicher und ästhetisch ansprechender auftreten wollen. Zudem würde das Kühlungssystem öfter ausfallen. Dann wird es im Panzer ungemütlich.

Und ähnlich wie bei den schwer gepanzerten Rittern wird der Schutzanzug gefährlich, wenn es zum offenen Kampf kommt oder der Soldat sich auf dem Boden befindet und nicht mehr auf seinem „Pferd“ reitet, weil seine Beweglichkeit sehr eingeschränkt ist. Die CPE-geschützten Soldaten sind das schiere Gegenstück zu den wendigen, sich der Gefahr trotzig aussetzenden Rambo-Kämpfern der Spezialeinheiten, auf die US-Verteidigungsminister eigentlich für die asymmetrischen Konflikte setzt. Aber das war vielleicht nur eine nach dem Afghanistan-Krieg aufgekommene Fantasie vom Wilden Westen, der sich in den Wilden Osten verschoben hat. Allerdings könnte tatsächlich auch sein, dass sich Rekruten nicht gewinnen lassen, wenn sie als gepanzerte Käfer arbeiten sollen. Vermutlich spielt nicht nur Geld oder vielleicht auch Patriotismus bei Berufssoldaten eine Rolle, sondern auch die Ästhetik des Auftretens und damit die Selbstdarstellung. Das war bei den Militärs aufgrund der schicken Waffen, der demonstrierten Macht und der beeindruckenden Uniformen wohl eigentlich immer so.