Von der Immobilienspekulation zum Zusammenbruch der globalen Defizitkonjunktur

Seite 2: "Mit Benzin löschen"

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Dennoch schrammte die US-Konjunktur - zumindest laut offizieller Statistik - knapp an einer Rezession in 2001 vorbei, so das bereits 2004 bis zu vier Prozent Wirtschaftswachstum verzeichnet wurden. Verdankt wurde dieses Kunststück dem damaligen Fed-Chef Alan Greenspan, der haargenau so reagierte, wie es der Ökonom Paul Sweezy in dem bereits zitierten Artikel The Financial Explosion" vorhersagte. Er löschte das ökonomische Feuer der geplatzten Spekulationsblase mit noch mehr Benzin. Dieses "Löschen mit Benzin" ging durch eine radikale, lang anhaltende Senkung der Leitzinsen vonstatten, die in der Wirtschaftsgeschichte der USA - bislang - ohne Beispiel ist. Zwischen 2002 und 2005 verharrte der US-Leitzins unter der Marke von zwei Prozent, wobei Greenspan diesen nach den Terroranschlägen vom 9.11.2001 sogar für über ein Jahr auf ein Prozent senkte.

Infolge dieser Niedrigzinspolitik nahm die Kreditaufnahme in den Vereinigten Staaten rapide zu und stieg die in den Wirtschaftskreislauf eingespeiste Geldmenge immer stärker an. Diese extrem expansive Geldpolitik der US-Notenbank ermöglichte eine Geldmengenerhöhung um rund 20 Prozent zwischen 2001 und 2003. Das den Finanzmarkt überflutende "billige" Geld führte aber nicht zu einer klassischen Inflation, sondern zu der Immobilienblase, da viele US-Bürger billige Kredite aufnahmen, um Häuser zu bauen oder zu renovieren. Es fand somit eine "Inflation der Immobilienpreise" statt, da viele Kleinanleger, die beim Platzen der Hightech-Blase Verluste verbuchen mussten, nun auf die scheinbar "sicheren" und "bodenständigen" Immobilien setzten. Nach einer kurzen Phase der Beruhigung bis 2005 nahm die Inflationierung des Dollars im Verlauf immer stärker zu, bis sich die Fed ab 2006 genötigt sah, die Zahlen über die Ausweitung der Geldmenge M3 unter Verschluss zu halten.

Geldmengenwachstum USA. Grafik: ShadowStats.com

Wie aus dieser Grafik des alternativen Statistikportals shadowstats.com ersichtlich wird, hatte die Fed gute Gründe, die genauen Angaben zum Geldmengenwachstum unter Verschluss zu halten. Es lag im gesamten Zeitraum über dem Wachstum des amerikanischen Bruttonationaleinkommens (BNE), ab 2006 explodiert es geradezu. Mit dieser immensen Inflationierung des US-Dollar wurde die Immobilienspekulation am Leben gehalten und der Zusammenbruch der Weltkonjunktur hinausgezögert, wobei sich zugleich dessen Dimension vergrößerte.

Ermöglicht wurde dieser geldpolitische Exzess durch die Link auf /tp/r4/artikel/29/29184/3.html. Der Dollar hat nun keinen Bezug zu realen (Waren-) Werten mehr. Er ist sozusagen "sein eigenes Gold", und die Versuchung der US-Notenbanker, den Wunschtraum der mittelalterlichen Alchemisten wahr werden zu lassen und "Gold aus dem Nichts" zu erschaffen, war angesichts der sich zuspitzenden Krisendynamik zu groß.

Eine weitere Methode, das Feuer der platzenden Dot-Com-Blase zu löschen, bestand in der weitestgehenden Deregulierung der Finanzmärkte, mit der die bereits ausführlich geschilderten Widersprüche der spätkapitalistischen Produktionsweise in den Finanzsektor gewissermaßen "verlagert" wurden. Solange die Finanzmärkte fröhlich weiterwucherten, traten ökonomische Stagnation, Überproduktionskrisen, Überakkumulation des Kapitals und die Krise der Arbeitsgesellschaft nicht offen hervor. Zu den wichtigsten Meilensteinen dieses Liberalisierungsprozesses der Finanzmärkte gehörte die Aufhebung des Glass-Steagall Act in 1999, mit dessen Ende auch die Trennung zwischen Kunden- und Investmentbanken beseitigt wurde. Im Jahr 2000 konnte durchgesetzt werden, den Handel mit Derivaten und "Credit Default Swaps" (CDS) von jeglicher Kontrolle auszuschließen. 2004 fielen schließlich die weitere Hürden für die Investmentbanken, da diese nun keine Rücklagen zu bilden verpflichtet waren, um eventuelle Verluste aus ihren Geschäften decken zu können. Hier wurde der Weg für das "Leveraging", für eine hemmungslose Verschuldung der Finanzmarktakteure frei gemacht, die im Zuge der Dollarschwemme der Fed schnell um sich griff.

Es ist wiederum der langjährige Fed-Chef Alan Greenspan, der nun für diese Politik der Deregulierung der Finanzmärkte hart kritisiert wird. Hier scheinen ein paar grundsätzliche Bemerkungen angebracht: Wir sollten uns nochmals Sweezys Metapher von dem Mann in Erinnerung rufen, der einen Tiger zu reiten versucht. Damit wollte der Ökonom das Verhältnis zwischen kapitalistischen Eliten und kapitalistischer Krisendynamik erhellen. Wie uns beispielsweise ein Blick auf die Fortune-500 Liste offenbart, gibt es viele milliardenschwere "hohe Herrn" im kapitalistischen Weltsystem (Damen finden sich in diesem erlauchten Kreis kaum), doch es gibt keine Herrn des Kapitalismus, es gibt niemanden der das kapitalistische Weltsystem tatsächlich "von außen" lenkt. Selbst die einflussreichsten Milliardäre und mächtigsten Politiker sind der kapitalistischen Gesellschaftsstruktur und ihrem Antriebsprinzip unterworfen, das in der uferlosen Geldvermehrung, in der Investition von Kapitals zur Gewinnmaximierung, besteht.

Für dieses Manöver aus Deregulierung und expansiver Geldpolitik, mit dem die Fed die weitere Kapitalreproduktion im Finanzsektor erfolgreich aufrecht erhalten konnte, etablierte sich der Begriff des The Great Bubble Transfer. Transferiert wurde die Dot-Com-Blase in die Immobilienblase. Im Verlauf dieses Manövers wurden drei Billionen US-Dollar aus den Hightech-Aktienmärkten abgezogen, und auf dem Immobilienmarkt reinvestiert.

Nochmals zusammenfassend: Diesen "Tiger" der blinden, kapitalistischen Krisendynamik reitend, versuchten die Verantwortlichen um Greenspan, die Möglichkeiten zur Realisierung von Profiten für die Wall Street zu verbessern, und es wurde nach Wegen gesucht, das ganze System einer defizitfinanzierten Konjunktur mitsamt der globalen "Blasenökonomie" am Laufen zu halten. Der "Bubble Transfer" verschaffte der Weltökonomie tatsächlich noch eine Gnadenfrist von einigen Jahren. Die handelnden Akteure waren somit selber von der Krisendynamik des Kapitalismus getrieben - und sie wählten wie immer die "Flucht nach vorn", hin zu mehr Deregulierung und verstärkter, expansiver Geldpolitik, zum "Bubble-Transfer" in den Immobilenmarkt.