Vorbereitung auf russischen Angriff in Polen: Wie ernst ist die Gefahr für Europa?

Polens Verteidigungsminister schlägt Alarm: Ein russische Invasion sei zu befürchten. Wissen Verbündete mehr als Allgemeinplätze?

Polen muss sich nach Aussage seines Verteidigungsministers Wladyslaw Kosiniak-Kamysz auf einen russischen Angriff auf sein Land vorbereiten, falls die Ukraine im Kampf gegen die Moskauer Truppen unterliegt.

Alarmstufe Rot: Polens Militärstrategie

"Ich rechne mit jedem Szenario und nehme die schlimmsten am ernstesten", sagte Wladyslaw Kosiniak-Kamysz am Wochenende der Tageszeitung Super Express. "Das ist die Aufgabe eines Verteidigungsministers in der Situation, in der wir uns heute befinden."

Das sei "nicht einfach so daher gesagt", sondern sorgfältig abgewogen, betonte Kosiniak-Kamysz. Sein Ministerium habe bereits konkrete Vorbereitungsschritte eingeleitet. Es werde geprüft, welche Lücken es noch in der Bewaffnung gebe. Große Rüstungsbeschaffungen seien zwar sehr wichtig, aber auch die individuelle Ausrüstung jedes einzelnen Soldaten müsse ernst genommen werden.

Polen werde eine sehr bedeutende Rolle bei der gemeinsamen Verteidigung der Europäischen Union spielen, das wisse auch die EU-Kommission, so der Minister.

Spekulation oder Realität: Polens Sicht und Pistorius' Beitrag

Doch wie konkret sind die Hinweise auf tatsächliche russische Angriffspläne, über die schon längere Zeit spekuliert wird – was wissen Polens Verbündete in EU und Nato?

Zuletzt antwortete die Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (BSW) sehr allgemein: Eine russische Invasion ist demnach zwar nicht auszuschließen, aber Hinweise auf konkrete Planungen wurden nicht genannt.

Anlass der Fragestellung war die beschlossene Stationierung von 5.000 Bundeswehr-Soldaten in Litauen und die Einschätzung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, dass am Ende dieses Jahrzehnts diesbezüglich "Gefahren auf uns zukommen" könnten.

Wie konkret ist die russische Gefahr?

Auf Hunkos Frage "Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung oder nachgeordneter Behörden konkrete Hinweise (auch geheimdienstliche) auf eine tatsächlich bevorstehende militärische Invasion oder zumindest Invasionspläne bzw. -absichten seitens Russlands in die baltischen Staaten und Polen" antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller, Pistorius’ Einschätzung leite sich "aus dem stark veränderten Sicherheitsumfeld in Europa ab".

Dieses sei "insbesondere durch den fortdauernden völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine geprägt".

Strategisches Konzept der Nato: Bollwerk gegen Russland

Dazu habe die Nato in ihrem Strategischen Konzept 2022 festgestellt:

Im euro-atlantischen Raum herrscht kein Frieden. Die Russische Föderation hat gegen die Normen und Grundsätze verstoßen, die zu einer stabilen und vorhersehbaren europäischen Sicherheitsordnung beigetragen haben.

Wir können die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Unversehrtheit von Verbündeten nicht ausschließen.

Aus dem Strategischen Konzept der Nato, Juli 2022

Die Russische Föderation sei darin als "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum" identifiziert worden. Diese Bedrohung sei noch einmal im Kommuniqué des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Nato von Wilna bestätigt worden.

Botschaft an Verbündete: Es geht auch um Abschreckung

Im Übrigen sei es notwendig, "jede Bedrohung" ernst zu nehmen, um als "Bündnis der kollektiven Verteidigung und um effektive Abschreckung sicherstellen zu können", heißt es in der Antwort.

Das Auswärtige Amt teilte auf Anfrage von Telepolis bisher keinen neuen Stand mit.