WTO-Generaldirektor ärgert sich über eine Website

"Illegal und unfair" seien die kritischen Klon-Websites

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Nicht nur Präsidentschaftskandidat George W. Bush, auch die umstrittene WTO, deren Millennium-Treffen gerade unter heftigen Protesten in Seattle stattfindet, ärgert sich über ein Klon-Website, die die offizielle WTO-Website imitiert, aber deren Politik der Globalisierung und des Freihandels kritisiert.

Schon am 23.11. wurde eine Presseerklärung von Mike Moore, dem Generaldirektor der WTO, unter dem Titel: "Sie unterminieren die WTO-Transparenz" veröffentlicht. Gemeint ist die Website gatt.org, die ebenso wie die Bush-Website von der rührigen RTMark gestaltet wurde. Die Gruppe sucht mit Sponsorengeldern in einer auf der Höhe der neuen Medien sich bewegenden Form des Agitprop in Form von bezahlter "Werbung" in Zeitungen, Rundfunk oder Fersehen oder durch Klon-Websites, beispielsweise auch gegen den New Yorker Bürgermeister Rudy Guiliani oder gegen Shell, öffentlich wirksame Kritik an Politikern und Unternehmen zu üben (RTMark ist "a business of engineering art and entertainment viruses since 1994"). Benutzt werden dabei nicht nur Inhalte der kritisierten Website, sondern in aller Regel auch ein Domänname, der dem der kritisierten Institution oder Person ähnlich ist (Die neuesten Entwicklungen in der Schlacht um Domainnamen, übrigens hat sich auch hier mittlerweile RTMark mit www.toywar.com eingeschaltet).

Moore äußert die Befürchtung, dass die Klon-Website die Öffentlichkeit verwirren könnte. Er spricht zwar von mehreren "anonymen Websites, die wichtige Designmerkmale der offiziellen Websites der WTO kopieren", nennt aber nur diejenige von RTMark. Besucher, die nach Informationen von der WTO suchen, könnten verwirrt werden, weil sie die Täuschung nicht bemerken, wodurch der benötigte demokratische Dialog gestört werde: "Das ist illegal und das ist unfair gegenüber jenen, die einen wirklichen Anlass haben, die WTO zu kritisieren, die als Organisation nur durch die Autorität souveräner Regierungen handlungsfähig ist." Dass freilich jemand die Klonsite tatsächlich als offizielles Organ der WTO missverstehen könnte, ist allerdings nur schwer vorstellbar, wenn er tatsächlich die Inhalte liest, es sei denn, er ist der Meinung, die WTO sei plötzlich in sich gegangen und habe eine Kehrtwendung vollzogen. Wer die Website besucht, stößt etwa gleich auf folgende Aussage: "Der Zweck der WTO ist es, den globalen freien Handel zu erweitern und durchzusetzen. Der globale freie Handel gibt bereits den multinationalen Unternehmen eine große Macht in die Hände, ihren Willen gegen demokratische Regierungen durchzusetzen." Wer dabei nicht zumindest ins Stutzen kommt, ist sowieso bereits hoffnungslos für jede politische Auseinandersetzung verloren, zumal weiter unter auf der Seite auch noch zu lesen ist: "(r)TMark is pleased to present this site to the WTO, for the clarification of the WTO's messages."

Man halte zwar das Recht aufrecht, dass die WTO kritisiert und dass auch gegen sie öffentlich protestiert werden könne, da man sich ja als ein "Forum für Regierungen" verstehe, die Handelsangelegenheiten diskutieren und diese verhandeln, wodurch die unterschiedlichen Sorgen und Interessen der Bürger ins Spiel kommen, doch die Öffentlichkeit zu verwirren, sei eine ganz andere Sache. Ganz im Gegensatz zu der Kritik, habe sich die WTO in hohem Ausmaß transparent gemacht, veröffentliche sehr schnell viele Dokumente in drei Sprachen und biete monatlich 200000 Besuchern die Möglichkeit an, sich Millionen von Seiten anzusehen. Man beantworte auch viele Anfragen telefonisch oder via Email. Und eben diese Offenheit werde durch derartige Klon-Websites zerstört, die die Öffentlichkeit daran hindern, Informationen von der WTO zu erhalten. Da muss also immer jener bekannte dumme Bauer herhalten, der in einer Theaterführung aufspringt und dem scheinbar bedrohten Helden zur Hilfe eilt.

Doch wie immer, wenn man sich gegen Kritik zur Wehr setzen will, wertet man aufmerksamkeitsökonomisch diese auf. Moores Verurteilung der Website ist natürlich ein gefundenes Fressen für RTMark, weswegen man jetzt ebenfalls eine Presseerklärung verschickt hat (und als Kontakt wird nicht nur eine Emailadresse von RTMark angegeben, sondern werden auch Adressen der WTO genannt). Ray Thomas hält der WTO entgegen, dass ihre Transparenz keine wirkliche sei, sondern nur immer wieder Erklärungen veröffentliche, dass man etwa bessere Lebensstandards für alle schaffen wolle, während beispielsweise weder die Proteste gegen die WTO noch die Gründe für sie auf der Website erwähnt würden. Weil die WTO Dinge verspreche, die vornehmlich zu Verschlechterungen beispielsweise in der Umwelt führen, wollte man diese Tricksereien der Argumentation eben durch die Website deutlich machen: "Wir machen nur die WTO ein wenig transparenter, beispielsweise indem wir zu erklären versuchen, warum die WTO demokratische Regierungen daran hindert, Sanktionen wegen Verletzungen der Menschenrechte vorzunehmen oder überhaupt die Ökonomie in die Außenpolitik mit einzubeziehen." Angeblich hat ein WTO-Angestellter in einer Email eine Nachrichtenagentur, die auf der Website von RTMark eine Werbung platziert hat, aufgefordert, dieses Sponsoring zu beenden.

Wenn die WTO RTMark beschuldige, sich nicht an die Regeln zu halten, würde sie damit die Organisation zu einem ebenbürtigen Gegner im selben Spiel machen. "Wir sind überaus geschmeichelt, dass die WTO so handelt, als wäre RTMark ihr ebenbürtig, aber es ist ironisch, dass sie so erzürnt ist. Trotz des neoliberalen Mythos einer Chancengleichheit für alle freut sich die WTO nicht über diesen kleinen Dialog, sie will uns nur den Mund verschließen." Und damit wiederholt sich das Spiel, in dem Bush und RTMark bereits längere Zeit ihre Züge machen und die Kritik erst weithin bekannt wurde. Ist die WTO tatsächlich schon im Vorfeld der Proteste so verunsichert gewesen, dass ihr Generaldirektor selbst für eine Attacke auf die Kritiker herhalten musste? Erst so ist zumindest der Einsatz von RTMark erfolgreich geworden. Im Grunde läuft die Kritik darauf hinaus, dass jede Art der Parodie "illegal" ist - nicht gerade ein demokratischer Beitrag der Welthandelsorganisation.