Wahl in Schweden: Schwedendemokraten kurz vor dem Ziel

Seite 2: Bandenkriminalität: Der Stachel im schwedischen Staat

Die offizielle Statistik der Polizei verzeichnet für 2022 bis zum 1. September 272 Schießereien mit 46 Toten und 74 Verletzten. Damit ist die Zahl der Todesopfer bereits höher als insgesamt im vergangenen Jahr, wo es bei 344 Schießereien 45 Tote gab. 2020 waren es 379 Schießereien und 47 Tote.

Zu den Versuchen, die Bandengewalt einzudämmen, gehören die Operation Rimfrost mit Start in Malmö und im Anschluss daran die Operation Tromb sowie das Präventions- und Aussteigerprogramm "Sluta skjut" (Hör auf zu schießen) in Malmö.

Tatsächlich sind die Zahlen für die südliche Region, wo es 2017 allein 98 Schießereien hab, etwas gesunken – ob das nun an den Maßnahmen lag oder an anderen Faktoren, lässt sich schwer sagen. Insgesamt sind es dennoch viele Fälle, und sie machen den Menschen Angst.

Die Bandenkriminalität ist deshalb ein sehr präsentes Thema im Wahlkampf. Magdalena Andersson präsentierte jüngst Pläne für eine neue Offensive gegen Bandengewalt, zu der eine weitere Erhöhung der Strafmaße und mehr Polizei gehört.

Andersson hatte aber auch stets betont, wie wichtig es sei, den Gangs das Wasser abzugraben, indem man dem Nachwuchs eine bessere Alternative gebe. Dafür müsse die Segregation aufgebrochen werden. "Für jede zusätzliche Krone für die Polizei soll mindestens eine Krone in Präventivmaßnahmen gehen", so Andersson.

Für Diskussionen sorgte allerdings, dass zuerst der sozialdemokratische Integrationsminister Anders Ygeman und dann Magdalena Andersson selbst Viertel mit einer Mehrheit von Bewohnern "außernordischer" Herkunft als problematisch bezeichneten.

Man wolle kein Chinatown, Somalitown oder Little Italy, so Andersson. Für sie ist dies ein Baustein gegen die Segregation. Konkret will sie ein aus Zeiten der Regierung Bildt stammendes Gesetz abschaffen, das Asylbewerbern ermöglicht, die Wohnung frei zu wählen. Das erinnert etwas an die dänische Amtskollegin, wenn auch längst nicht so weitgehend.

Auch die Opposition will Präventivmaßnahmen: So schlugen die Liberalen einen Sprachtest für Zweijährige vor. Kinder, die dann noch nicht genug Schwedisch könnten, sollten zum Besuch einer Kita verpflichtet werden. Die Moderaten wollen Fünfjährige in bestimmten Vororten durchgehend auf ADHD testen lassen.

Sie interpretieren die Statistik so, dass Kinder aus nicht-schwedischen Familien seltener darauf getestet werden, und glauben, dass den Kindern eine frühzeitige medikamentöse Behandlung nutzen würde. Daraufhin mussten sich die Moderaten allerdings anhören, dass sie die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Stockholm, wo sie dafür zuständig sind, massiv gekürzt haben. Auch dort, wo sie nun gerne ADHD-Tests durchführen wollen.

SD möchte in der Hauptsache Einwanderung beschränken und Leute ausweisen. Dazu gehört, dass man einige Asylgründe nicht mehr gelten lassen will: Wer die Gründe seiner Verfolgung im Heimatland "selbst geschaffen habe", sollte kein Asyl mehr bekommen. Dazu gehören für SD der Religionswechsel und Homosexualität. Das war dann auch für die potenziellen Kooperationspartner etwas viel.

Für Einwohner ohne schwedischen Pass und erst recht für jene, die noch auf eine Anerkennung ihres Aufenthalts warten, steht also einiges auf dem Spiel. Das gilt insbesondere für Kurden, aus bekanntem Grund: Der Weg für Schweden in die Nato geht nur über Erdogan. Jüngst gab es wieder ein Treffen zwischen Vertretern von Schweden, Finnland und der Türkei.

Klar ist, dass die Türkei mehr erwartet als Lippenbekenntnisse. In Schweden wurde bisher die Auslieferung einer Person beschlossen, die in der Türkei zwei Mal wegen des Missbrauchs von Bank- und Kreditkarten verurteilt wurde.

Diese Person steht auch auf der vieldiskutierten Wunschliste von Erdogan. Der Betroffene selbst bestreitet die Vorwürfe. Allerdings war ein früherer Asylantrag von ihm in Schweden auch abgelehnt worden. Er war nicht politisch aktiv und wäre vermutlich auch unter anderen Vorzeichen ausgeliefert worden.

Fälle darüber hinaus sind seit dem Abkommen in Madrid nicht bekannt geworden. Möglicherweise erhoffen sich beide Seiten mehr Verhandlungserfolg nach der Wahl. Die Nato-Mitgliedschaft selbst ist im Wahlkampf kein Thema. Diese Entscheidung ist gefallen.