Wahl in Schweden: Schwedendemokraten kurz vor dem Ziel

Von links nach rechts: Magdalena Andersson, Ministerpräsidentin (Foto: Fanni Uusitalo/CC BY 2.0); Ulf Kristersson, Vorsitzender der Moderaten Sammlungspartei (Foto: EPP/CC BY 2.0) und Jimmie Åkesson, Vorsitzender der Sverigedemokraterna (SD) (Foto: Landstingshuset/CC BY-SA 4.0)

Die Rechtsaußen-Partei steht im Zentrum des Wahlkampfs. Sie erhofft sich direkten Einfluss auf die Regierung. Bandenkriege und Einwanderung sind sehr präsente Themen im Wahlkampf.

Die Wahl in Schweden am 11. September ist heiß ersehnt. Alle hoffen auf stabile Mehrheitsverhältnisse, vorzugsweise natürlich im Sinne der eigenen/favorisierten Partei. Nach den Umfragen gibt es darauf wenig Hoffnung: Acht Parteien haben Chancen auf den Einzug ins Parlament, jeweils vier pro Block.

Die Blöcke liegen praktisch gleichauf, und die Fraktionen innerhalb der Blöcke sind teilweise miteinander verstritten. Klar ist aber: Schafft der konservative Block eine Mehrheit, hätten die Schwedendemokraten zum ersten Mal direkt Einfluss auf die Regierung.

Von Krise zu Krise

Die Wahl in Schweden kommt eigentlich ein Jahr zu spät. Nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Stefan Löfvén im Sommer 2021 wegen der Mietpreise waren die Liberalen aus dem "Januarabkommen" ausgestiegen.

Danach hatte der rot-grün-liberale Block keine Mehrheit mehr. Er bestand noch aus den Sozialdemokraten, der grünen Miljöpartiet, der Linkspartei und der Zentrumspartei. Die eine Stimme der unabhängigen Abgeordneten Amineh Kakabaveh, ehemals Linkspartei, bekam so ein enormes Gewicht.

Dass es nicht schon im vergangenen Jahr Neuwahlen gab, liegt zumindest teilweise am schwedischen System: Wahltermine sind fix, gleichzeitig wird kommunal und regional gewählt. Hätte man im vergangenen Jahr eine sogenannte Extrawahl abgehalten, was grundsätzlich möglich ist, hätte diese Regierung nur ein paar Monate gehabt.

So quälte man sich noch ein Jahr von Krise zu Krise.

Die Opposition hat ihre eigenen Sorgen. Aktuelle Ereignisse sollten ihr eigentlich nutzen: Es gibt immer wieder Schießereien, ein deutliches Zeichen dafür, dass es in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist, die Gewalt der Gangs einzudämmen.

Und die auch in Südschweden gestiegenen Strompreise haben die Diskussion um die Atomkraft neu entfacht – die Opposition war gegen die Abschaltung von Ringhals 1 und 2 gewesen.

Das Problem der schwedischen Konservativen

Jahrzehnte lang waren die Moderaten die größte Oppositionspartei und deren Spitze bei einem Sieg des konservativen Blocks der gesetzte Regierungschef. Der Moderate Ulf Kristersson hegte die Hoffnung, nach dem 11. September Magdalena Andersson ablösen zu können.

Doch in den jüngsten Umfragen haben die Schwedendemokraten die Moderaten überholt. Ob das wirklich so kommt, kann man jetzt natürlich noch nicht wissen. Aber es wäre erklärbar: Nachdem sich die Moderaten (und die anderen Parteien des Blocks) den Schwedendemokraten inhaltlich und darüber hinaus angenähert haben, kann man auch gleich das Original wählen, wenn man denn diese Auffassungen vertritt.

Zur Erinnerung: Vor der Wahl 2018 gaben alle (anderen) Parteien an, nicht mit den Schwedendemokraten zusammenarbeiten zu wollen. Doch keiner der etablierten Parteiblöcke konnte eine eigene Mehrheit aufbauen.

So kam es, dass der Sozialdemokrat Stefan Löfvén eine Minderheitsregierung mit Miljöpartiet aufstellte, mit den Liberalen und dem Zentrum um Unterstützung verhandelte und außerdem noch auf die Linkspartei angewiesen war.

Liberale und Zentrum gehörten eigentlich zur "bürgerlichen Allianz", die den Moderaten Ulf Kristersson zum Ministerpräsidenten machen wollte. Die einzige Gemeinsamkeit dieses neuen rot-grün-liberalen Flickenteppichs war die Absicht, den Schwedendemokraten keinen Einfluss zu geben.

Dieses Bündnis flog im Sommer 2021 auseinander – als die Linkspartei die Rolle des Fußabtreters leid war und "mehr Markt" bei den Mietpreisen zur roten Linie erklärte. Inhaltlich setzten sich die Linken damit durch. Doch die Liberalen nahmen die Krise zum Anlass, sich aus der Zusammenarbeit zu verabschieden.

Die konservativen Fraktionen auf der Oppositionsseite, Moderate und Christdemokraten (KD), haben sich inzwischen mit der Mathematik abgefunden: Will man jemals wieder an die Macht kommen, führt kein Weg mehr an den Schwedendemokraten (SD) vorbei. Die KD-Vorsitzende Ebba Busch traf sich 2019 erstmals mit dem SD-Vorsitzenden Jimmie Åkesson, um über Migration, Krankenversorgung und Energiepolitik zu diskutieren, es folgte Ulf Kristersson.

Moderate und Christdemokraten planen nun eine gemeinsame Regierung, für die sie sich Unterstützung von SD erhoffen. Eine richtige Koalition mit SD wollen sie eigentlich nicht. Noch etwas unklar ist die Rolle der Liberalen, die sich inzwischen auch wieder auf diese Seite geschlagen haben. Liberale und SD misstrauen sich gegenseitig. Aber zumindest nach den aktuellen Umfragewerten wird der Block auch die Stimmen der Liberalen brauchen.

Bisher geht niemand davon aus, dass Jimmie Åkesson, Vorsitzender der Schwedendemokraten, bei einem Erfolg des konservativen Blocks tatsächlich den Posten des Ministerpräsidenten für sich beanspruchen würde – auch wenn seine Partei mehr Stimmen als Kristerssons bekommt. Aber er würde sich die Wahl von Kristersson teuer kaufen lassen.

Darauf hat Åkesson seit Jahren hingearbeitet: inhaltlicher Einfluss. Damit man diesen richtig nutzen kann, erhielten SD-Leute jüngst sogar eine Schulung über das schwedische Regierungssystem inklusive Prüfung. Die Partei ließ auch ein Weißbuch über ihre Vergangenheit schreiben, mit dem Anspruch auf Objektivität, um Offenheit zu demonstrieren und gegen die "Dämonisierung" vorzugehen.

Der erste Teil davon ist nun erschienen und berichtet, was vorher eigentlich schon bekannt war: Zu den Gründern gehörten Mitglieder der Bewegung "Bevara Sverige svenskt" (BSS), Nazis, Faschisten und Teile der Nazi-Skin-Kultur. Laut Verfasser Tony Gustafsson, Historiker aus Uppsala (der sich später als zeitweiliges Parteimitglied herausstellte) hatten 40 bis 45 Prozent der Gründer eine rechtsextreme Kopplung. Das habe historische Bedeutung, sei aber nicht relevant für die Partei heute, kommentiert dies der Projektverantwortliche der Partei, Martin Kinnunen, gegenüber SVT.

Wie die Partei heute arbeitet, enthüllte vor kurzem Dagens ETC: Mit einer Trollarmee werden die passenden Themen aufgeblasen und gehypt, über verschiedene Social-Media-Konten und befreundete Onlinemedien.

SD-Leute gingen auch inkognito auch auf Klimademonstrationen, um dort Teilnehmerinnen zu fotografieren und dies für ihre Kampagnen zu nutzen.