War Lenin schuld?
Seite 4: Die Schatten der Vergangenheit sind zurück
- War Lenin schuld?
- Rosa Luxemburg zur Nationalitätenpolitik der Bolschewiki
- Die Schwäche der Revolution als Ursache des Zerfalls Russlands
- Die Schatten der Vergangenheit sind zurück
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Nach dem Sieg der Roten Bürgerkriegsarmee auch in der Ukraine gab sich das Land eine eigene Sowjetverfassung und schloss mit anderen Republiken Verträge, durch welche die Gesamtheit dieser Staaten zu einer Art Staatenbund vereinigt wurde. In der Verfassung vom 6. Juli 1923 wurde dieser Bund als Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) erneuert.10 Die Ukraine war darin eine von 15 Sowjetrepubliken.
In den gut 70 Jahren der Existenz der Sowjetunion spielten die Republiken eine immer geringer werdende Rolle. Die UdSSR entwickelte sich unter Stalin zu einem zentralistischen und straff geführten Einheitsstaat. Die alten Republikgrenzen wurden dabei mehr und mehr irrelevant.
Zwar war die Ukraine, neben Weißrussland, als Sowjetrepublik 1945 Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, eine Eigenständigkeit war damit aber nicht verbunden. Damit sollte lediglich das Gewicht der Sowjetunion erhöht werden, die damit als einziges Land über drei Sitze bei den Vereinten Nationen verfügte.
Als die UdSSR Ende der Achtzigerjahre in eine existenzielle Krise geriet, stand die Frage ihres Staatsaufbaus erneut zur Debatte. Einige Republiken, vor allem die des Baltikums, erinnerten sich nun des in der Sowjetverfassung verankerten Rechts auf staatliche Loslösung und erklärten sich für unabhängig. Andere, unter ihnen Russland, Belarus und die Ukraine, begannen hingegen einen neuen Unionsvertrag auszuarbeiten.
Am 17. März 1991 wurde ein Referendum über diesen Vertrag abgehalten. Dies war übrigens das erste und einzige Referendum in der Geschichte der Sowjetunion. Zur Abstimmung stand die Frage: "Halten Sie den Erhalt der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als erneuerte Föderation gleichberechtigter souveräner Republiken, in der die Rechte und Freiheiten des Menschen jeglicher Nationalität in vollem Umfang garantiert werden, für notwendig?"
In der Ukraine fiel das Votum darüber eindeutig aus: 70,2 Prozent stimmten bei einer Beteiligung von 83,5 Prozent dafür, nur 28 Prozent waren dagegen. Am 24. August 1991 beschloss die Ukraine dennoch ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Und am 8. Dezember 1991 erklärten Stanislaw Schuschkewitsch für Belarus, Boris Jelzin für Russland und Leonid Krawtschuk für die Ukraine, dass "die UdSSR als geopolitische Realität (…) ihre Existenz beendet".
Die in den drei Republiken lebenden Menschen wurden dazu nicht befragt. Das in den drei Republiken deutliche Votum für eine erneuerte Verfassung der Sowjetunion wurde somit ignoriert. Über diese Vorgänge, die für die heutige Situation ungleich schwerer wiegen als die Nationalitätenpolitik der Bolschewiki, schweigt aber Putin in seiner Rede. Und das dürfte kein Zufall sein, schließlich hat er sich nie von der Politik seines Vorgängers Boris Jelzin distanziert.
Heute haben sich der Antikommunismus bzw. Antisowjetismus der Revolutionsjahre in den ehemaligen Randgebieten Russlands, im Baltikum, in Polen und in der Ukraine, zu einem wilden Hass auf alles Russisches gesteigert. Die Schatten der Vergangenheit sind wieder zurück! Die neuen ukrainischen Nationalisten knüpfen heute direkt an ihre Vorgänger in der kurzlebigen antisowjetischen Ukraine von 1917/18 an.
Zu ihren Ahnen rechnen sie aber auch die "Organisation Ukrainischer Nationalisten" unter Stepan Bandera, die an der Seite der deutschen Wehrmacht 1941 in der westukrainischen Stadt Lemberg für zahlreiche Pogrome an Juden und Polen verantwortlich war. Nur der Rassenwahn der deutschen Faschisten, die in den Ukrainern nur Russen und damit Untermenschen sehen konnten, verhinderte, dass es damals zu einer unabhängigen Ukraine an der Seite Nazideutschlands kam.
Bandera hatte daher den Krieg als privilegierter Sonderhäftling mit eigenem Haus im Außenbereich des Konzentrationslagers Sachsenhausen verbracht. In der heutigen Ukraine wird er als Nationalheld verehrt. Zahlreiche Straßen und Plätze tragen seinen Namen. Und die ukrainische Post gab eine Briefmarke mit seinem Konterfei heraus.
Eine Kontinuität lässt sich beim ukrainischen Nationalismus über all die Jahre erkennen: Er setzt stets auf die Unterstützung der imperialistischen Staaten, die jeweils am aggressivsten gegen die Sowjetunion bzw. gegen Russland vorgehen. 1918 dienten sie sich dem Imperialismus des deutschen Kaiserreichs an, 1941 buhlten sie um die Gunst Nazideutschlands und heute ist es die von den USA geführte Nato, von der sie Hilfe erwarten und auch reichlich bekommen.