Warum Männer Singles sind
Nach einem Evolutionspsychologen hat sich der Paarungsprozess verändert, die Männer sollen feststecken, sie können nicht flirten oder sind verunsichert
Einsamkeit sei eine Epidemie, erklärte kürzlich die britische Campaign to End Loneliness. Besonders gefährdet für chronische Einsamkeit seien zunehmend ältere Menschen. Und chronische Einsamkeit, so hatten Wissenschaftler behauptet, erhöhe das Risiko eines vorzeitigen Todes. Nach einer Studie wächst auch die Einsamkeit in den USA schnell an, 35 Prozent der Amerikaner seien einsam, hier aber sollen jüngere Menschen mehr unter Einsamkeit leiden als ältere. Nach einer Umfrage sagen auch immer mehr Amerikaner, sie seien einsam (In den USA soll die Einsamkeit grassieren).
Den Trend scheinen auch andere Statistiken zu belegen. Nach dem britischen Statistikamt lebten in Großbritannien 34,5 Prozent der Erwachsenen als Single und hatten niemals mit einem Partner zusammengelebt oder waren verheiratet. Nach einer Gallup-Umfrage ebenfalls 2015 lebten 64 Prozent der 18-29-jährigen Amerikaner als Single und waren niemals verheiratet, was allerdings weniger aussagekräftig ist (s.a.: Junge Amerikaner: Liberaler, aber weniger Sex). Aus Japan oder Südkorea wird gemeldet, dass immer mehr Menschen asexuell leben (Sex ist Mühsal). Und überall in den Industriestaaten wächst die Zahlen der Menschen, die als Singles leben - und oft auch keinen Partner haben. Und natürlich können Singles zufrieden und auch sexuell ausgefüllt leben, während Menschen nicht unglücklich und einsam sein müssen, wenn sie asexuell leben.
Der zyprische Evolutionspsychologe Menelaos Apostolou, der gerade seine Studie in dem Journal Evolutionary Psychological Science veröffentlicht hat, sagt, dass bislang nicht wirklich theoretisch und empirisch bekannt ist, warum Menschen alleine bleiben, obgleich doch der evolutionäre Imperativ auf Sexualität und die Erzeugung von Nachkommen ausgerichtet ist. Er will schon herausgefunden haben, dass viele Singles nicht richtig flirten können und daher unfreiwillig alleine bleiben (s.a.: Viele Singles sind nicht mehr auf Partnersuche aus). Aber da man auch nicht von allen Menschen, die mit einem Partner ein Kind haben, annehmen kann, dass sie gut flirten konnten, wäre dies auch kein Grund.
Klar aber sei, dass sich in den letzten Jahrhunderten der Paarungsprozess stark verändert habe, weswegen bestimmte Verhaltensweisen nicht mehr greifen. So könnte einst ein hohes Aggressionspotential die Männer zu guten Kämpfern gemacht haben, aber jetzt zu schlechten Partnern. Oder eine schnelle Ejakulation könnte die Gefahr für Angriffe verringert haben, aber jetzt hinderlich sein, Partnern sexuelle Zufriedenheit verschaffen zu können. Möglicherweise sei in früheren Zeiten der Paarungsprozess auch erleichtert gewesen, weil Eltern eine große Rolle bei der Auswahl spielten und Flirtkenntnisse weniger wichtig waren.
Nach ihm gibt es im wesentlichen drei Gründe, warum Menschen nicht am Paarungsprozess teilnehmen: Sie können erst einmal ihre Fitness und Ressourcen erhöhen, um später Partner anzuziehen, sie können Schwierigkeiten haben, beispielsweise wenn sie nicht geeignet flirten können, oder sie haben Einschränkungen beispielsweise gesundheitlicher Art. Das sei auch das Ergebnis einer von ihm gemachten Umfrage gewesen, wo sich aus 47 Gründen drei Hauptgruppen bilden ließen. In der Gruppe der Wahlfreiheit bleiben Menschen Single, um mehr Freiheit zu genießen, wechselnde Partner zu haben und anderen Prioritäten wie der Karriere nachzugehen. In der Gruppe mit Schwierigkeiten mit Beziehungen gibt es Probleme mit dem Beginnen und Aufrechterhalten von Partnerschaften wie fehlende Flirtfertigkeiten oder mangelndes Vertrauen. Bei der Gruppe mit den Hindernissen gibt es sexuelle oder gesundheitliche Probleme oder Kinder von früheren Partnern, die zum Single-Dasein führen.
"Guys, why are you single?"
Um der Frage qualitativ nachzugehen, warum Männer Single bleiben (Krise bei den jungen Männern), hat Apostolou einen Reddit-Threat ausgewertet, der mit der anonym gestellten Frage startete: "Guys, why are you single?" und auf den mehr als 20.000 Antworten kamen, von denen über 13.000 in die Untersuchung einbezogen wurden. In einem mehrstufigen Prozess wurden die Antworten als sinnvoll ausgewählt und klassifiziert. Aus den mehr als 6000 Antworten ergaben sich 43 Kategorien.
Als häufigster Grund wurde das unattraktive eigene Aussehen genannt ("Cause I am ugly as fuck and have been cursed with awful genetics"), wozu auch gehört, man sei zu dick oder zu klein. Nach geringem Selbstbewusstsein rangiert an dritter Stelle, dass man sich nicht weiter bemüht habe, und an vierter, man sei an Beziehungen nicht interessiert ("I like my freedom and privacy"). Dann wurden mangelnde Flirtkenntnisse, Introvertiertheit, schlechte Erfahrungen und keine verfügbaren Frauen genannt.
Apostolou kommt wieder auf sein Thema zurück, dass viele Männer flirten nicht können oder nicht gelernt haben. Dazu würden auch Antworten zählen wie Scheuheit, mangelndes Vertrauen, Angst vor Ablehnung und mangelnde Fähigkeit, Hinweise zu erkennen. Auch die Aussage, nicht viel Energie hineingesteckt zu haben oder zu wählerisch zu sein, führt der Evolutionspsychologe darauf zurück, dass es früher, also in vorindustriellen Zeiten, für Männer nicht notwendig gewesen sei, um Frauen zu werben, weil die Eltern diese ausgewählt hätten. Sie hätten also nicht flirten oder sich anstrengen müssen, und das habe irgendwie überlebt und mache jetzt Probleme. Letztlich gelte das auch für das Argument, nicht gut auszusehen, was erst dann eine Rolle spielt, wenn die Eltern nicht mehr die Heirat bestimmen, sondern freie sexuelle Selektion herrscht.
Single-Männern fehlen oft die Flirtfähigkeiten, weil im vorindustriellen Kontext Selektionszwänge auf Mechanismen, die Paarungsanstrengungen und wählerisches Verhalten bestimmen, schwach waren. Solche Fertigkeiten sind heute notwendig, weil in postindustriellen Gesellschaften die Partnerwahl nicht geregelt oder erzwungen ist, sondern die Menschen müssen ihre Partner selbst finden.
Menelaos Apostolou
Das mag man überzeugend finden oder nicht. Der Autor sieht aber auch die Tendenz, dass Männer zumindest vorläufig Single bleiben wollen, wenn sie die Möglichkeit haben, relativ einfach mit verschiedenen Frauen Sex zu haben, oder wenn sie ihre Karriere verfolgen, um so die eigene Attraktivität durch hohes Einkommen, gute Ausbildung, einen gute Job und hohen sozialen Status zu erhöhen, was die Paarung nach hinten verschiebt.
Für die meisten Männer sei aber das Single-Dasein negativ bewertet. Es würden aber Daten fehlen, nach denen sich erkennen ließ, ob Männer bzw. Frauen Singles sind, weil sie dies sein wollen oder weil sie Schwierigkeiten haben, einen Partner zu finden. Bei der Auswertung der Antworten habe man allerdings keine Gründe gefunden, dass die Männer für immer Single bleiben wollen, sondern nur, warum sie es vorübergehend sind. Unbekannt sind auch demografische Hintergründe und es fehlen die Antworten von Single-Frauen, zudem könnten auf Reddit eher IT-affine Männer unterwegs sein, die vielleicht mehr Probleme oder eine stärkere Neigung haben, allein zu bleiben.