Warum es in den USA keine offiziellen Zahlen zu Schusswaffenopfern gibt
Seit dem Massaker in Newton starben durch Schusswaffen mehr Menschen, als US-Soldaten im Irak-Krieg getötet wurden
Vor einem halben Jahr, am 14. Dezember 2012 verübte der damals 20-jährige Adam Lanza ein Massaker an der Grundschule in dem Städtchen Newton. Nachdem er die Waffen seiner Mutter an sich genommen und diese erschossen hatte, fuhr er zur Schule und tötete in weniger als 5 Minuten 20 Schüler, sieben Lehrer - und anschließend sich selbst (Selbstmord durch Massaker). Der amoklaufende Selbstmordattentäter schockierte viele Menschen in den USA - zumindest kurzfristig. Seitdem sind mit Schusswaffen mehr Menschen in den USA gestorben, als während des Irak-Kriegs US-Soldaten im Kampfeinsatz getötet wurden, merkten US-Medien an.
US-Präsident Obama versprach schärfere Waffengesetze, um die Kinder zu schützen. Aber wie so oft wurde aus dem Versprachen nichts, der sowieso nicht besonders strenge Gesetzesentwurf scheiterte am Kongress, während Waffennarren versuchen zu zeigen, wie man mit 3D-Druckern Waffengesetze umgehen könnte (Der Liberator ist da!), die mächtige Waffenlobby NRA vorschlug, doch möglichst alle Schulen durch bewaffnete Wächter oder Lehrer zu schützen (Waffenlobby empfiehlt bewaffnete Sicherheitskräfte an Schulen), oder eine Organisation Menschen mit Schusswaffen versorgt, um Gewalttäter abzuschrecken. Die Waffenfans sind strikte Anhänger der Aufrüstung. Wenn nur jeder immer eine Schusswaffe bei sich führen würde, wären damit die Bösen so beindruckt, dass kaum mehr Schießereien geschehen (Mehr Waffen für die Bürger soll die Sicherheit in den USA erhöhen). Zudem berufen sich sie sich auf den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung und legen ihn so aus, dass sich daraus ein Grundrecht auf den Besitz von Schusswaffen begründet (Siebenundzwanzig Worte spalten die Nation).
Vertreten wird von ihnen daher auch gerne die These, dass der Besitz von Schusswaffen das Leben nicht unsicherer macht, obgleich in den USA eben Schusswaffen sehr verbreitet sind und die Zahl der durch Schusswaffen Getöteten sehr viel höher als in europäischen Ländern liegt (Täglich 88 Tote und 202 Verletzte durch Schusswaffen in den USA). Auch bei Selbstmorden sind Schusswaffen die beliebteste Methode in den USA, weil sie leicht greifbar sind (Schusswaffen erhöhen die Todesrate bei Selbstmordversuchen).
Man sollte eigentlich meinen, dass es offizielle Zahlen über die durch Schusswaffen in den USA Getöteten gibt. In den USA ist dies nicht der Fall. Wohlweislich hat die Waffenlobby NRA 1993 ihren Einfluss geltend gemacht, um eine solche Zählung zu verhindern, nachdem die Centres for Disease Control (CDC) eine Statistik veröffentlicht hatten, dass das Risiko für Mitglieder eines Haushalts steigt, durch eine Schusswaffe getötet zu werden, wenn eine solche in dem Haushalt vorhanden ist.
Die CDC haben zwar seit 2002 über das National Violent Death Reporting System die Zählung wieder aufgenommen, aber nur für 18 Staaten. Slate hat sich vor kurzem mit dem Twitterprojekt GunDeaths zusammen getan und kommt auf mehr als 5.100, die in irgendeiner Form, eben auch zufällig, weil einfach Waffen da waren, durch Schusswaffen seit dem 14. Dezember 2012 ums Leben gekommen sind - wahrscheinlich sind es mehr.
Der Vergleich mit den 4.474 getöteten US-Soldaten im Irak-Krieg ist zwar plastisch, wenn damit gesagt werden soll, dass in den USA auch ein Kriegszustand herrscht, dann ist dies irreführend, weil im Irak weitaus mehr Menschen durch Anschläge, Überfälle und militärische Interventionen gestorben sind.