Warum grüner Stahl ein Mythos bleibt

Seite 3: Woher die enorme Strommenge kommen soll

Der grüne Schimmer auf dem zukünftigen Stahl hat einen Haken: Für die neuen Technologien, die bei der Eisenschwammproduktion und in den Lichtbogenöfen verwendet werden sollen, wird Strom benötigt – sehr viel Strom. So verbraucht LKAB heute etwa zwei Terawattstunden (TWh) im Jahr. Nach der kompletten Umstellung und dem Aufbau einer Anlage zur Direktreduktion rechnet LKAB mit einem Verbrauch von 50 Terawattstunden jährlich.

Zurzeit verbraucht ganz Schweden jährlich etwa 140 Terawattstunden Strom . Der größte Teil der Stromerzeugung wurde 2021 durch Wasserkraft geleistet (42 Prozent). Windkraft machte 17 Prozent aus, Atomkraft 31 Prozent. Die Reaktoren stehen im Süden, die großen Wasserkraftwerke und Windparks sind im Norden.

Nordschweden hat heute einen Überschuss an Wasser- und Windkraft und die günstigeren Strompreise . Der Strom wird in den Süden des Landes und nach Finnland exportiert. In der Summe reicht es bisher aber nicht für all die Pläne, die nun gemacht werden. Insofern war es keine Überraschung, als Vattenfall neulich erklärte, man könne einigen Antragstellern noch keine Zusicherung geben. Gesichert ist der weitere Ausbau von Northvolt und die geplante Demonstrationsanlage von Hybrit in Gällivare. Sowohl H2 Green Steel in Boden als auch die 2030 geplante Umstellung auf Lichtbogenofen bei SSAB in Luleå sind noch nicht in trockenen Tüchern.

Woher soll der zusätzlich benötigte Strom kommen? Im Interview mit den Fernsehsender SVT erklärte LKAB-Geschäftsführer Jan Moström, was er für sinnvoll hält: Windkraft, weil sie schnell umsetzbar und günstig ist. Kern der Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens mit einem zukünftigen Verbrauch um die 50 Terawattstunden im Jahr sei günstiger Strom. Solange der Wind blase und in Nordschweden für günstigen Strom sorge, könne man damit Wasserstoff erzeugen und lagern. Bei Flaute habe man den gelagerten Wasserstoff und könne ihn sogar zu höheren Preise in den Süden verkaufen.

Wasserkraft

Die Geschichte der Stromerzeugung in Nordschweden ist untrennbar mit dem Bergbau verbunden. Der Damm in Porjus am Fluss Luleälv war der erste, angelegt mitten in der Wildnis, zur Elektrifizierung der Erzbahn. Ohne die Bahnverbindung von den Gruben in die Häfen von Narvik und Luleå wiederum wäre der Abbau nie wirtschaftlich gewesen. Porjus, damals das nördlichste Wasserkraftwerk der Welt, wurde 1914 eingeweiht.

Weitere folgten, die wachsende Industriegesellschaft rief nach Strom. Die Interessen der Flussanlieger, hauptsächlich Samen, zählten dabei nicht. Dörfer landeten im Stausee ebenso wie Weidegebiete der Rentiere. Heute gibt es allein am Luleälv 15 Wasserkraftwerke, die zusammen 14 bis 15 Terawattstunden im Jahr liefern.

Die Wasserkraft in Schweden ist so weit ausgebaut, wie es möglich ist – es sei denn, man wollte auch die vier letzten großen freifließenden Flüsse noch regulieren. Vindelälv, Piteälv, Kalixälv und Torneälv sind geschützt.

Windkraft

Die Windkraft ist dagegen noch im Wachstum, auch wenn sich zunehmend Widerstand regt. Das größte aller Vorhaben ist Markbygden 1101 im Hinterland von Piteå, ein Projekt des deutsch-schwedischen Gesellschaft Svevind, Eigenbezeichnung "Europas größter landbasierter Windpark". Von den 1176 genehmigten Windrädern stehen inzwischen 329. 307 sollen dieses oder nächstes Jahr fertig werden. Insgesamt soll der Windpark einmal 10-12 Terawattstunden im Jahr liefern.

Die Anlagen verteilen sich über 450 Quadratkilometer scheinbar ungenutzte hügelige Wildnis. So ist es natürlich nicht ganz: Der Wald ist etwa Winterweideland für die Rentiere der Samenkooperative Östra Kikkejaur. Die Zerschneidung der Landschaft durch die Anlagestraßen beschränkt den Lebensraum der Tiere und sorgt für Unruhe. Zwar wurden die Samen in den Prozess teilweise einbezogen, ablehnen konnten sie das Projekt nicht.