Was passierte am 4. November 2011 in Zwickau?

Seite 2: Anrufe von Telefonnummern, die auf das Innenministerium von Sachsen ausgestellt waren

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Am Nachmittag des 4. November wurde Zschäpe mehrfach angerufen - von Telefonnummern, die auf das Innenministerium von Sachsen ausgestellt waren. Das hat für Spekulationen gesorgt. Alle Anrufer seien Polizisten gewesen, so der Zeuge Swen Philipp, der damals die Ermittlungsgruppe Frühling der Kriminalpolizei Zwickau leitete. Er habe alle Nummern identifizieren können. Die Polizei habe Zschäpe zu diesem Zeitpunkt noch als Zeugin gesucht.

Dafür ist nun eine andere Frage rätselhaft geworden: Woher hatte die Polizei die Handy-Nummer von Zschäpe? Bisher hieß es: Vom Hausmeister Lutz W., der ebenfalls in der Frühlingstraße 26 wohnte. Er soll der Polizei Zschäpes Nummer mitgeteilt haben. So steht es im Einsatzprotokoll der Polizei, und so wird es von Mal zu Mal kolportiert.

Der Ausschuss lud Lutz W. als Zeugen und der erklärte klipp und klar: Nein, er sei von der Polizei nicht nach der Telefonnummer von Zschäpe gefragt worden, die alle im Haus nur als "Susann Dienelt" kannten. Er hätte die Nummer auch gar nicht weitergeben können, er habe nämlich gar keine Nummer von Zschäpe gehabt. Er habe sie nie angerufen. Der 60-Jährige blieb trotz mehrfacher Nachfrage bei dieser Aussage. Ratlosigkeit bei den Abgeordneten.

Woher hatte also die Polizei die Telefonnummer? Könnte es sein, dass die Nummer längst bekannt war und der Hinweis auf Herrn W. als den Mitteiler nur eine Legende ist, um die wahre Herkunft der Nummer zu verschleiern?

Dazu könnte folgende Merkwürdigkeit passen: Der erste Anrufversuch auf Zschäpes Handy durch die Polizei wurde um 16:32 Uhr registriert. Doch erst um 17:50 Uhr soll das Lagezentrum der Polizei die Mitteilung über die Handy-Nummer Zschäpes erhalten haben. Wie kann sie dann mehr als eine Stunde früher angerufen worden sein? Der damalige Leiter der Kriminalinspektion Zwickau, Bernd Hoffmann, konnte den Abgeordneten diese Differenz nicht erklären.

Zschäpes Fußweg

Zschäpe muss sich nach der Explosion der Wohnung zu Fuß in die Innenstadt von Zwickau aufgemacht haben. Ihr Weg konnte mit einem Spürhund nachverfolgt werden. Die Spur endete auf dem zentralen Platz der Völkerfreundschaft. An den grenzt die Polizeidirektion Zwickau mit dem Führungs- und Lagezentrum. Warum begab sich Zschäpe ausgerechnet dort hin?

Um persönlich die Bewegungen der Polizei zu überwachen?, wie ein Ermittler meinte. Sehr überzeugend ist das nicht. Wollte sie sich direkt am 4. November vielleicht schon der Polizei stellen, wie sie es vier Tage später dann ja tat? Vor dem OLG in München hat sie ausgesagt, sich "zum Bahnhof begeben und anschließend vier Tage lang planlos durch Deutschland" gefahren zu sein.

Doch zunächst muss sich die Flüchtende noch stundenlang in der Stadt aufgehalten haben. Um 18 Uhr wurde ihr Handy in einer Funkzelle in der Trillerstraße geortet. Eine Polizeistreife fuhr zu der Funkzelle, konnte Zschäpe aber nicht finden. Wo und bei wem war sie?

Bemerkenswert an der Trillerstraße ist: Dort war bis 2007 ein gewisser Ralf Marschner wohnhaft. Marschner war V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in der rechtsextremen Szene, Deckname "Primus". Er betrieb einen Szeneladen, den auch Zschäpe besuchte. Offensichtlich kannte Marschner das Trio. Ein ehemaliger Geschäftspartner von ihm hatte bei seiner Vernehmung im Dezember 2011 gesagt, Marschner sei mit den zwei Uwe zusammen an Pfingsten 1998 in Greiz gewesen, wo sie Waffen besorgen wollten.

Nach dem Polizistenmord von Heilbronn im Jahre 2007 soll Marschner Zwickau verlassen haben und heute in der Schweiz leben.

Die Abgeordneten haben in den Unterlagen außerdem einen Vermerk entdeckt, nach dem am 11. November 2011 ein Zeuge auf Marschner als potentiellen Unterstützer des Trios hingewiesen haben soll. Die genaue Herkunft des Dokumentes und wer der Hinweisgeber war, konnte der Ausschuss bisher nicht klären. Auch bei seiner letzten Sitzung Ende Februar nicht.