Online-Händler müssen sich auf neue EU-Regeln einstellen
Die EU will ihre Online-Streitbeilegung reformieren. Das bisherige System löste nur 200 Fälle pro Jahr und war zu teuer. Ob das neue digitale Tool mehr Erfolg haben wird?
In den Beziehungen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern kann es zu Streitigkeiten kommen, wenn ein Produkt nicht rechtzeitig oder in schlechtem Zustand geliefert wird oder wenn der Verbraucher nicht den vollen Kaufpreis gezahlt hat. Mit der Ausweitung des Online-Handels hat die Zahl solcher Streitigkeiten erheblich zugenommen.
Die Beilegung solcher Streitigkeiten vor Gericht kann langwierig sein und die kostenpflichtige Einschaltung von Rechtsanwälten sowie zusätzliche Verfahrenskosten nach sich ziehen. Mit der Plattform für Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) hatte die Europäische Union im Jahr 2013 ein Instrument zur Regelung der außergerichtlichen Rechtsbehelfe für Verbraucher verabschiedet, das seitdem unverändert geblieben ist.
Die OS-Plattform ist seit 2016 in Betrieb und bietet verschiedene Lösungen an. Dazu gehören direkte Verhandlungen zwischen Händlern und Verbrauchern oder die Nutzung einer Streitbeilegungsstelle zur Bearbeitung der jeweiligen Fälle. Trotz reger Nutzung der OS-Plattform konnten EU-weit im Durchschnitt nur 200 Fälle pro Jahr über eine AS-Stelle beigelegt werden.
Die OS-Plattform erscheint zu teuer
Der Rat teilt daher die Auffassung der Kommission, dass das Leistungsniveau der bestehenden OS-Plattform die für ihren Betrieb erforderlichen öffentlichen und privaten Ausgaben nicht rechtfertigt.
Deswegen hat die Kommission am 17. Oktober 2023 ein neues Maßnahmenpaket zur Modernisierung und Vereinfachung der Regeln für die außergerichtliche Streitbeilegung und zu ihrer Anpassung an digitale Märkte in Form einer „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2017/2394 und (EU) 2018/1724 im Hinblick auf die Einstellung des Betriebs der Europäischen OS-Plattform“ vorgeschlagen. Das vom Rat angenommene Maßnahmenpaket umfasst eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung und eine Verordnung zur Aufhebung der Verordnung zur Einrichtung der OS-Plattform.
Am 25. September 2024 hatte der Rat der Europäischen Union dann seine Verhandlungsposition zur Richtlinie über alternative Streitbeilegung angenommen, in der unter anderem vorgeschlagen wurde, die OS-Plattform durch ein neues digitales Tool zu ersetzen, das spätestens drei Monate nach Inkrafttreten der überarbeiteten Richtlinie über alternative Streitbeilegung entwickelt werden sollte.
Das Verhandlungsmandat verpflichtete die Kommission außerdem, das Tool zu fördern und für seine Pflege zu sorgen. Am selben Tag erzielte der Rat eine politische Einigung über die Verordnung zur Einrichtung der OS-Plattform, die am 19. November förmlich angenommen wurde.
Die Verordnung wird nach ihrer Unterzeichnung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Probleme mit der bisherigen OS-Plattform
Ein Schwachpunkt der bisherigen OS-Plattform war, dass sie nur für Streitigkeiten zwischen Händlern mit Sitz in der EU und ihren Kunden mit Sitz in der EU zur Verfügung stand. Hat der Händler seinen Sitz außerhalb der EU, ist das Verfahren über die OS-Plattform wirkungslos.
Wie in Zukunft mit Online-Händlern umgegangen werden soll, die in der EU nur über ein Postfach mit Weiterleitung verfügen, ist noch offen. Denkbar wäre ein System mit Bevollmächtigten, wie es in Deutschland für die Registrierung im Rahmen des WEE erforderlich ist, wobei allerdings die Kosten für die Bevollmächtigten höher sind als für einen Importeur, der hierzulande dann als Hersteller bezeichnet wird.
Bei der Flut von Sendungen aus Nicht-EU-Ländern kann letztlich kaum mehr als eine stichprobenartige Überprüfung der importierten Ware erfolgen. Die mit der reinen Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerabfertigung befassten Stellen an den zentralen Luftfrachtzielflughäfen sind vielfach schon heute hoffnungslos überfordert. Eine exakte Einzelkontrolle würde die Abfertigungszeiten derart verlängern, dass es faktisch einem Importverbot nahekäme.
Auch wenn sich mancher Marktteilnehmer davon eine Behinderung chinesischer Händler versprechen sollte, würden letztlich alle Importe in den europäischen Binnenmarkt davon betroffen.
Abmahnrisiko für Online-Händler
Schon mit der Verpflichtung der Online-Händler an prominenter Stelle auf ihrer Seite einen Hinweis auf die damalige OS-Plattform zu veröffentlichen, starteten auf Abmahnungen spezialisierte Anwaltskanzleien Aktivitäten meist mit der Begründung, dass die Anordnung des Hinweises auf die OS-Plattform nicht den Vorschriften entspreche.
Mit jeder Änderung der Vorschriften, die für online verfügbare Angebote gelten, müssen Anbieter ihre Präsentation im Netz entsprechend anpassen, wenn sie von der deutschen Rechtsprechung erreichbar sind. Wer jetzt die sich möglicherweise schnell ändernde Rechtslage nicht genau verfolgt und fristgerecht reagiert, setzt sich der Gefahr aus, gegen dann geltendes Recht zu verstoßen. Das könnte unliebsame Folgen nach sich ziehen, wie bei der Einführung der OS-Plattform.