Temu und Shein: Wie chinesische Händler Europas Zoll austricksen

Temu- und Shein-Pakete kommen als Welle durch die 12 EU-Sterne

Chinesische Händler wie Temu und Shein nutzen EU-Schlupflöcher. Sie fluten den Markt mit Billigwaren über belgische Flughäfen. Doch wie umgehen sie den deutschen Zoll?

Chinesische Anbieter wie Temu und Shein haben die Schwächen der europäischen Handels-Strukturen ausgiebig studiert und beuten sie inzwischen mit großem Erfolg aus. Viele Billigwaren werden ausschließlich für den Export nach Europa produziert und sind im Reich der Mitte gar nicht verkehrsfähig.

Was viele Käufer auf den chinesischen Online-Plattformen dabei gerne übersehen, ist die Besonderheit im europäischen Recht, dass beim Direktkauf aus China der Käufer automatisch zum Importeur mit allen Pflichten wird. Er haftet vollumfänglich dafür, wenn durch fehlerhafte Produkte Dritte zu Schaden kommen.

Temu ist beim Export extrem erfolgreich

Wie erfolgreich die Entwicklung von Temu in den USA und Europa in kürzester Zeit geworden ist, sieht man an der Bewertung von Colin Huang, der mit gerade 44 Jahren als einer der erfolgreichsten Startup-Milliardäre in China gilt und inzwischen mit fast 52 Milliarden US-Dollar als der vermögendste Mann im Reich der Mitte gilt. Solange er keine politischen Ambitionen entfaltet, wird seinem weiteren Aufstieg auch wenig entgegenstehen, allen Anfeindungen europäischer und amerikanische Wettbewerber zum Trotz.

Wie extrem lernfähig die aus China stammende Plattform Temu sich im europäischen Markt bewegt, manche vergleichen sie inzwischen mit einem kaum zu greifenden nassen Stück Seife, sieht man an der Tatsache, dass bislang keine Unterlassungserklärung bekannt wurde, welche Temu nicht unterschrieben hat.

Da man keine eigenen Fabriken unterhält, ist Temu von den Unterlassungserklärungen selbst wirtschaftlich kaum betroffen und zudem gelten sie nur im jeweiligen Land, sodass diesen leicht ausgewichen werden kann.

Auch Shein ist kaum zu bremsen. Der chinesische Konzern Shein ist für günstige und schnell wechselnde Kollektionen, auch als Fast Fashion bezeichnet, bekannt. Binnen weniger Jahre stieg er zu einer der weltweit größten Online-Modefirmen auf und bedrängt europäische und amerikanische Marken, die weniger effizient arbeiten. Der chinesische Unternehmer Chris Xu hatte Shein vor Jahren gegründet. Der Händler bringt inzwischen täglich mehrere Tausend neue Kleidungsstücke seiner zehn Modemarken auf den Markt, die er ausschließlich online verkauft.

Shein lässt seine Kleidung in China von Subunternehmen produzieren und verkauft sie außerhalb der Volksrepublik. Dabei kommt ein ausgefuchstes Warenwirtschaftssystem zum Einsatz, das den Anteil der unverkauften Ware dramatisch reduziert.

Wie Temu zeigt sich auch Shein als lernfähig. Als man das Portal mit dem Vorwurf der Kinderarbeit konfrontierte, erklärte man, dass man eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Kinderarbeit verfolge und die Zusammenarbeit mit Lieferanten beende, wenn ihnen Kinderarbeit nachgewiesen werde.

Europäischen Händlern machen Temu und Shein das Leben schwer

Hatte bislang in erster Linie der stationäre Handel sich von der Online-Konkurrenz wie Amazon bedroht gefühlt, zittern diese jetzt vor den aus China erwachsenden Wettbewerbern, die über den Umweg einer Firma in den USA jetzt den europäischen Markt aufrollen.

Und dabei nutzen diese Anbieter den europäischen Binnenmarkt als erleichterten Marktzugang. So kommen aktuell jeden Tag alleine in Lüttich in Belgien zwischen 400.000 und 500.000 Pakete von Temu und Shein an.

Wenn man bedenkt, dass diese Flut von sechs Zollbeamten bewältigt werden muss, kann man sich vorstellen, wie aufwendig die Kontrollen sind. Zwar bleiben die Zollgebühren in Belgien, jedoch nicht beim belgischen Staat, der die Kosten tragen muss, sondern wandern zur Brüsseler EU-Verwaltung, welcher die Zolleinnahmen im Binnenmarkt grundsätzlich zustehen.

Der Handel im Binnenmarkt unterliegt keiner Zollkontrolle

Wenn die Waren aus Fernost im EU-Binnenmarkt angekommen sind, sind sie für den deutschen Zoll tabu. Diese Umgehung des deutschen Zolls über Belgien ist eine aktuelle Ausprägung der Importtechnik aus außergemeinschaftlichen Ländern. Vor dem Brexit waren die Britischen Inseln bei der Umgehung führend, später Polen und Tschechien, die sich mit dem Verzicht der Zollkontrollen viel unbezahlte Arbeit ersparen konnten.

Wenn jetzt der KiK-Chef Patrick Zahn ein zu lasches Durchgreifen der Politik gegen asiatische Shoppingportale wie Shein und Temu beklagt, muss er damit rechnen, dass eine verstärkte Zollkontrolle die Lieferzeiten aufgrund der dann notwendigen Zollbearbeitung deutlich verlängern würde und davon alle Importeure aus Asien betroffen wären, weil Temu und Shein bei den Absenderangaben flexibel sein können und am Zoll nicht leicht entdeckt werden können.

Über einschlägige Dienstleister lassen sich die Sendungen zudem auf ungezählte Absender weltweit verteilen. Das Beispiel von Hase und Igel passt hier ausgezeichnet.

Wenn jetzt der NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) von einem Antrag spricht, in dem NRW schärfere Zollkontrollen für Importe über Internetplattformen aus dem asiatischen Raum fordert, kann dies nur als politisches Schattenboxen bezeichnet werden.

Die Anmietung von Lagerhallen in Flughafennähe und die Heranziehung von Studenten in den Semesterferien zur Bewertung von Lieferungen aus Fernost, klingen weit besser, als dies in der Praxis umsetzbar sein dürfte, ohne den europäischen Binnenmarkt zu beenden und den Import aus Drittländern massiv zu behindern.

Im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Vorgehen gegen Temu und Shein lässt sich das Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen auf Anfrage wie folgt zitieren:

Das Gebaren von Temu und Shein verstößt gegen die Grundsätze des fairen Wettbewerbs. Während unsere Unternehmen Steuern, Zollgebühren und Lieferkettengesetz ordentlich beachten, drücken sich Temu und Shein davor. Das dürfen wir nicht akzeptieren.

Eine Schwerpunktkontrolle entsprechender Warensendungen in Deutschland wäre eine Schutzmaßnahme für den gesamten EU-Binnenmarkt, weil diese über die offenen Grenzen auch in Nachbarländer weitertransportiert werden. Umgekehrt ginge von einer solchen Aktion auch ein Signal in andere Länder der Europäischen Union aus, den eigenen Kontrolldruck gleichfalls zu erhöhen und so zu einem gemeinschaftlichen Schutz des Binnenmarktes vor Steuerbetrug, Plagiaten und gesundheitsgefährdender Ware beizutragen.