Was wir von John F. Kennedy in Bezug auf den Ukraine-Krieg lernen sollten
1963 rief der damalige US-Präsident zu Historischem auf. Es waren Worte, die den Gang der Geschichte prägten. Fatal ist, dass die Botschaft heute von Biden nicht beherzigt wird.
Vor 60 Jahren, am 10. Juni 1963, hielt der damalige US-Präsident John F. Kennedy auf der Abschlussfeier der American University in Washington D.C. eine Rede. Er übte darin scharfe Kritik am Kalten Krieg und der herrschenden Mentalität.
Darin erläuterte Kennedy seine Vision davon, wie Frieden im Atomzeitalter aussehen könnte. "Welche Art von Frieden wollen wir?", fragte er.
Nicht eine Pax Americana, die der Welt durch US-amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. Nicht Friedhofsruhe oder die Sicherheit von Sklaven. Ich spreche von echtem Frieden, der Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, der Art, die es Menschen und Nationen ermöglicht, zu wachsen, zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen – nicht nur Frieden für Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen – nicht nur Frieden in unserer Zeit, sondern Frieden für alle Zeit.
Das Schreckgespenst eines Atomkriegs, dem die Vereinigten Staaten und die UdSSR im Oktober des Vorjahres während der Kubakrise nur um Haaresbreite entkommen waren, machte für Kennedy das Streben nach Frieden mit dem sowjetischen Gegner zu einem Gebot. Doch es war ein Ziel, das den jungen Präsidenten in einen – vielleicht fatalen – Konflikt mit dem eigenen nationalen Sicherheits-, Militär- und Geheimdienstapparat brachte.
Doch an der American University wandte sich Kennedy mit seinem Plädoyer für eine vernünftige, rationale und vor allem ethische Politik im Kalten Krieg direkt an das amerikanische Volk.
Ich spreche vom Frieden als dem notwendigen, vernünftigen Ziel rationaler Menschen. Mir ist klar, dass das Streben nach Frieden nicht so dramatisch ist wie das Streben nach Krieg – und häufig stoßen die Worte der Friedensmahner auf taube Ohren. Aber wir haben keine dringendere Aufgabe.
Kennedy hat im Laufe seiner Präsidentschaft, zum großen Erstaunen des Pentagons und der CIA, einen höchst unwahrscheinlichen Partner in diesem Streben gefunden: den sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow. Im Laufe einer Reihe von amerikanisch-sowjetischen Krisen (Schweinebucht, Gipfeltreffen in Wien und Berlin-Krise) hatten Kennedy und Chruschtschow ein Verhältnis entwickelt, das dazu beitrug, uns während der Kuba-Krise vor der Apokalypse zu bewahren.
Und nach dieser Krise begannen die beiden, auf einen Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen hinzuarbeiten. Kennedy erkannte, dass Fortschritt davon abhängt, den anderen so zu sehen, wie man selbst gesehen werden möchte, mit anderen Worten, es hängt von der Fähigkeit zur Empathie ab.
"Keine Regierung und kein soziales System ist derartig bösartig", sagte Kennedy, "dass man die Menschen darin als ohne Tugenden ansehen müsste".
Seien wir also nicht blind für unsere Unterschiede, sondern lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere gemeinsamen Interessen und auf die Mittel, mit denen diese Unterschiede überwunden werden können. Und wenn wir schon unsere Differenzen nicht überwinden können, so können wir wenigstens dazu beitragen, die Welt für die Vielfalt sicher zu machen. Denn letztlich besteht unsere grundlegendste Gemeinsamkeit darin, dass wir alle diesen kleinen Planeten bewohnen. Wir alle atmen dieselbe Luft. Wir alle sorgen uns um die Zukunft unserer Kinder. Und wir sind alle sterblich.
Eine solche Denkweise in Bezug auf den derzeitigen russischen Gegner ist in den Korridoren der Macht in Joe Bidens Washington nicht mehr anzutreffen.
Unserer Ansicht nach ist Kennedys Rede ein wichtiges Indiz dafür, wie weit sich die von Demokraten gebildeten Regierungen in den Jahrzehnten seit Kennedys Rede in die falsche Richtung bewegt haben. Während wir beide die Invasion Putins verurteilen, sind wir uns bewusst, dass die US-Regierung es versäumt hat, diplomatische Wege zu beschreiten, um den Krieg zu verhindern oder zu beenden.
Heute stehen wir gefährlich nahe an einer nuklearen Eskalation, da die US-Regierung die von ihr gesetzten roten Linien ignoriert und den Falken folgt, während sie der Entsendung von F-16-Kampfjets in die Ukraine zustimmt.
Man kann nur hoffen, dass Präsident Kennedys Botschaft, die am Samstag vor sechs Jahrzehnten erklang, von einer neuen Generation innerhalb und außerhalb von Washington D.C. auf irgendeine Weise verstanden wird und sich auf den Verlauf des Krieges – und des Friedens – auswirkt.
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Hier das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.
Katrina vanden Heuvel ist Präsidentin des American Committee for U.S.-Russia Accord (ACURA) sowie Redaktionsleiterin und Herausgeberin von The Nation. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne für die Washington Post und kommentiert häufig die US-amerikanische und internationale Politik für Democracy Now, PBS, ABC, MSNBC und CNN.
James W. Carden war während der Obama-Regierung als Berater des Sonderbeauftragten für zwischenstaatliche Angelegenheiten im Außenministerium tätig und schreibt für zahlreiche Publikationen. Er ist Mitglied des Vorstands von ACURA.