Watergate-Einbrecher: Das geheimnisvolle Leben des "American Spy" E. Howard Hunt

Seite 4: Fiktion und Desinformation

Statt Regierungen zu stürzen, betreute Hunt fortan die verdeckte Förderung von Literatur für die heimische Propagandafront (Deutsche Künstler und Journalisten als "IM" der USA?). Als Präsident Johnson Helms als neuen CIA-Direktor in Betracht zog, erfuhr es dessen Freund Hunt als erstes.

Voller Neid sah die CIA auf die britischen Kollegen, die sich im Glanz eines literarischen Geheimagenten sonnten. Commander Ian Fleming hatte während des Zweiten Weltkriegs den USA beim Aufbau des Kriegsgeheimdienstes OSS geholfen. Während Flemings eigenen Operationen der Erfolg offenbar versagt blieb, gelangen sie der Romanfigur James Bond spielend. Seinem Freund Allen Dulles hatte Fleming mit "Felix Leiter" ein Denkmal gesetzt. John le Carré hingegen ließ die CIA ein ums andere Mal schlecht aussehen.

Um das beschädigte Image der CIA aufzubessern beauftragte Helms Hunt mit einer US-amerikanischen Antwort auf Bond. Unter einem Vorwand schickte er Hunt für ein Jahr Kreativurlaub nach Spanien. Insgesamt verfasste Hunt 50 Spionageromane mit der Hauptfigur "Peter Ward" unter dem Pseudonym "David St. John".

Schriftsteller in Führungspositionen der CIA waren nichts ungewöhnliches. James Jesus Angleton etwa hatte einst das Literaturmagazin der Universität von Yale editiert, auch Cord Meyer war ein begabter Autor. Doch trotz freundschaftlicher Kontakte zwischen Helms und Hollywood-Größen lehnte man das Material als zu dürftig ab. Einem Kritiker fiel zudem auf, dass die Anschrift von "David St. John" mit der von Hunt übereinstimmte …

Hunt kehrte 1965 mit seiner Familie nach Washington zurück und kaufte eine Pferderanch, die sie Witches Island nannten. Als seine Töchter einen schweren Autounfall erlitten, machte Freund Helms CIA-Gelder für die Kosten für ärztliche und psychologische Behandlung locker. Hunt fütterte als Ghostwriter den bekannten Times-Kolumnisten Cy Sulzberger mit Gerüchten über sowjetische Geheimagenten, die als Journalisten und Diplomaten posierten.

Bereits genau einen Monat nach den Schüssen in Dallas hatte Ex-Präsident Harry Truman in der Washington Post gefordert, die CIA wieder auf das Sammeln von Informationen zu begrenzen, und damit Insidern seine Sicht auf das Attentat deutlich kommuniziert. Die Kritik am von Allen Dulles kontrollierten Warren-Report, der den Kennedy-Mord faktenwidrig dem angeblichen Alleintäter Oswald zuschrieb, lebte insbesondere durch den Prozess des Bezirksstaatsanwalts von New Orleans gegen den CIA-Agenten Bertrand Clay Shaw wieder auf.

Als Gegenmaßnahme ließ Helms 1967 einen Argumentationsleitfaden verfassen, mit dem CIA-Partner Zweifler als "Verschwörungstheoretiker" diskreditieren sollten (50 Jahre "Verschwörungstheoretiker". 1968 arbeitete Hunt an einer Schmutzkampagne gegen Robert Kennedy, der seinem Bruder in das Präsidentenamt nachfolgen und zweifellos die Untersuchung des Jahrhundertmords überprüfen wollte. Noch im selben Jahr wurde auch er erschossen. 1968 ging Hunt erneut nach Europa, wo er die Kommunistische Partei beobachten und Gegenspionage betreiben sollte.

Hunt hoffte, dass eine Enthüllung von Kennedys Rolle in der Schweinebucht dem neuen Präsident Nixon helfen könnte, der laut Hunt die bessere Figur gemacht hatte. Helms hatte stets seine schützende Hand über Hunt gehalten, etwa gegen Proteste, dass Hunt seine Romane nicht mit der Zensurabteilung der CIA abzustimmen pflegte. Als Hunt unter dem Pseudonym "Edward J. Hamilton" seine Sicht auf die Invasion in der Schweinebucht und die Billigung von Attentaten veröffentlichen wollte, hatte er den Bogen jedoch überspannt. Hunts Obsession für die Bay-Of-Pigs-Angelegenheit machten ihn für den Geheimdienst untragbar – so zumindest kommunizierte Helms den offiziellen Abschied seines engen Freundes aus der CIA.