Weltbank verlegt Treffen ins Internet

Aus Angst vor möglichen Krawallen findet das Treffen nächste Woche nicht mehr in Barcelona statt, aber die Globalisierungsgegner drohen jetzt mit virtuellen Sit-ins

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Die Annual Bank Conference on Development Economics (ABCDE) soll durch die Veranstaltung von Konferenzen über die Perspektiven der Wirtschaft in Entwicklungsländern den Austausch von Ideen zwischen Politikern und Experten fördern. Seit 1999 gibt es dafür auch eine europäische Konferenz, die eigentlich am 25. und 26. Juni in Barcelona hätte stattfinden sollen. Aus Sorge wegen erwarteter Krawalle wurde die Veranstaltung ABCDE Europe 2001 mit den Themen "Globalisierung, Reichtum und Armut" und "Regulation in einer globalisierten Welt" jedoch von der Weltbank abgesagt und soll jetzt zum selben Termin nur noch im Internet stattfinden.

Seit dem erfolgreichen Auftakt der Globalisierungsgegner bei der Konferenz der Welthandelsorganisation WTO im November 1999 in Seattle reißen die Proteste gegen die Treffen der internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation, dem IMF, der Weltbank, dem Weltwirtschaftsforum oder der EU nicht mehr ab. In Prag beendete die Weltbank im September letzten Jahres ihre Veranstaltung wegen der Proteste einen Tag früher. Beim FTAA-Gipfel in Quebec im April gingen die Sicherheitsvorkehrungen so weit, einen 4 km langen Absperrzaun um den Verhandlungsort mitten in der Stadt zu errichten, der von Kritikern "Wall of Shame" genannt wurde (Im und am Wall of Shame).

Der "Sommer des Widerstands" der Globalisierungsgegner begann mit den Protesten beim EU-Treffen in Göteborg. Aufgrund der gewaltsamen Proteste, bei denen die überforderte Polizei auch in die Menge schoss, musste das Gipfel-Staatsbankett abgesagt werden und wechselten einige Delegationen wechselten aus Sicherheitsgründen ihre Hotels. Der nächste "Höhepunkt" der Proteste ist Barcelona, dann folgen vom 1. bis 3. Juli das Treffen des Weltwirtschaftsforums in Salzburg, der Internationale Klimagipfel am 16. und 17. Juli in Bonn sowie der G8-Gipfel in Genua vom 20. bis 22. Juli. Vor allem hier werden wieder große Demonstrationen erwartet.

Schon im Mai wurde von der Weltbank das Treffen in Barcelona abgesagt. Sprecherin Caroline Anstey gab am 19. Mai bekannt (Weltbank verzieht sich in den Cyberspace), dass die dritte europäische Konferenz über Entwicklungsökonomien nicht stattfinden wird, weil "eine Konferenz über die Reduktion der Armut in einer friedlichen Atmosphäre stattfinden und nicht von Gewalt und Einschüchterung beeinträchtigt werden" sollte. Man habe versucht, die Globalisierungsgegner zur Teilnahme einzuladen, aber diese hätten abgelehnt und seien nur an den geplanten Aktionen interessiert: "Die Absicht von vielen der Gruppen , die sich in Barcelona treffen wollen, ist nicht, an einer Debatte teilzunehmen oder konstruktiv zu der Diskussion beizutragen ... Es ist Zeit, gegen diese Bedrohung der freien Diskussion vorzugehen."

Die Organisatoren der Proteste, die Barcelona "entglobalisieren" (desglobalizar) wollen, feierten die Absage natürlich als Sieg und kündigten an, trotzdem die geplanten Aktionen und Veranstaltungen durchzuführen, u.a. die Börse von Barcelona am 24. Juni umzufunktionieren. Bestens hatte man sich denn auch schon auf die Besucher von auswärts vorbereitet, aber auch darauf, wie man mit den gewaltbereiten Gruppen umgeht, die oft genug das Bild der Proteste geprägt haben, obgleich die Mehrzahl der Globalisierungsgegner friedlich demonstrieren will. Allerdings wird auf Bildern der verschiedenen Websites auch gerne mit gewalttätigen Krawallen kokettiert. Und am Montag ist auch ein Tag der Konfrontation geplant, bei dem zwei Demonstrationszüge, einer strikt gewaltfrei, der andere offen, zur Börse marschieren sollen ...

Die Weltbank versucht, den Gang vom Treffen in der wirklichen Welt zu einer virtuellen Konferenz nicht als Flucht oder Ausweichen erscheinen zu lassen. Man hofft, dass diese Konferenz ein Modell für weitere Treffen werden könnte, an denen Menschen aus der ganzen Welt über das Internet teilnehmen können: "Dieser interaktive Ansatz mit Live-Video ist eine Möglichkeit, noch mehr Menschen zu beteiligen", sagt Jean-Francois Rischard, Vizepräsident der Weltbank für Europa. Wer sich registriert, kann nicht nur die Beiträge der Sprecher verfolgen, sondern auch diesen Fragen stellen. Jean-Christoph Bas von der Weltbank äußert zwar den Wunsch, dass möglichst provokative Fragen gestellt werden, um die Debatte zu stimulieren, aber man behält sich das Recht vor, die Fragen auch zu zensieren, wenn sie für "ein allgemeines Publikum nicht geeignet sind und/oder mit den geplanten Zielen dieser Veranstaltung nicht übereinstimmen".

Ob der Rückzug in den Cyberspace allerdings die erhoffte Sicherheit gewährt und eine ungestört Diskussion ermöglicht, scheint doch sehr fraglich zu sein, da die Globalisierungsgegner sich in starkem Maß gerade über das Internet organisieren. Aus den Protesten in Seattle gingen etwa Indymedia hervor, die mit unabhängigen Zentren in vielen Ländern eine ungefilterte Berichterstattung durch die Menschen selbst ermöglichen wollen (Mit Websites gegen Polizeiknüppel, Multimedial und auf der Strasse gegen George W. Bush). Auch in Barcelona gibt es ein solches Zentrum. Da sich die Globalisierungsgegner ein wenig paradox global organisieren wollen, sind das Internet und Websites wie Protest Net, wo man sich über Aktionen auf der ganzen Welt informieren kann, notwendige Mittel. Daneben gibt es stets eine ganze Reihe von Websites, die mit der Organisation der lokalen Proteste zu tun haben. Im Fall von Barcelona beispielsweise Rosadefoc.

Der Guardian berichtet heute, dass, wie zu erwarten, virtuelle Sit-Ins geplant sind, wie sie heute auch gegen die Lufthansa stattfinden. Eine virtuelle Konferenz kann auch schon von einzelnen lahmgelegt werden, weswegen sie wesentlich empfindlicher ist als eine Konferenz im wirklichen Raum. "Wenn die Weltbank Beiträge für diese Konferenz aus der ganzen Welt will, dann könnte sie dies bedauern", meint etwa Roger Gigman von Friends of the Earth. Die Gruppe hatte bereits den Mailserver des Weißen Hauses mehrmals mit einer Flut von Emails aus Protest gegen die Energiepolitik von Bush lahm legen können.

Ein Sprecher der Weltbank sagte gegenüber dem Guardian, dass man sich der möglichen Störungen bewusst sei: "Wir haben ausreichende Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen, aber wenn es eine größere Aktion gibt, uns lahm zu legen, dann kann ich nicht versprechen, dass unsere Computer dem standhalten werden." Gleichzeitig warnte er, dass eine solche Störung der virtuellen Konferenz ein schlechtes Licht auf die Globalisierungsgegner und ihre Einstellung zur Diskussionsfreiheit werfen würde.