Wer das große Geld hat, entscheidet

Seite 2: Die große Betriebskostenabrechnung

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Nicht nur die unvermeidbaren Rüstungsausgaben sind von volkswirtschaftlicher Bedeutung. Politische Entscheidungen und Unwägbarkeiten der Weltgeschichte können diese Ausgaben maßgeblich beeinflussen. Politische Entscheidungen können Anschaffungen unnötig teuer machen, aber auch wesentlich günstiger. Doch wenn es kracht, wird es auf alle Fälle richtig teuer.

Im Gegensatz zu den allgemeinen Kosten eines Krieges sind die Werkzeuge des Soldaten geradezu kostengünstig. Das Sturmgewehr Heckler & Koch G-36 - wovon nach Herstellerangaben die Bundeswehr seit 15 Jahren rund 180.000 gekauft hat - ist die Standardwaffe der deutschen Soldaten und kostet nach Einschätzung von Experten rund 600 Euro pro Stück (in der Bundeswehr-Ausführung).

Das Standard-Kampfmesser der Bundeswehr, das Eickhorn KM2000, wird auf dem zivilen Markt für etwa 100 Euro angeboten und der Kampfrucksack nach technischen Lieferbedingungen kostet im Handel nur 80 Euro (der Bund dürfte für weit weniger als die Hälfte dieses Preises einkaufen). Anderes Beispiel: die Marschschuhe, die der deutsche Hersteller Meindl an die französische Armee seit 2009 als Standardausstattung liefert, kosten laut der französischen Presse den Staat etwa 90 Euro pro Paar.

Die Ausstattung eines Soldaten ist also nicht wirklich teuer, seit Jahren wird in diesem Bereich gespart. Nicht nur deutsche, sondern auch britische und französische Soldaten sind ohne adäquate Ausrüstung in den Irak oder nach Afghanistan geschickt worden. Allerdings ist es sehr erstaunlich, dass im zehnten Jahr des Afghanistan-Einsatzes die bekannten Mängel noch nicht alle behoben werden konnten.

Hellmut Königshaus (FDP), der Wehrbeauftragte im Bundestag, beklagte immer noch 2011 die Missstände:

Noch immer sind die bereits seit Jahren beanstandeten Probleme hinsichtlich unzureichender persönlicher Ausrüstung der Soldaten nicht zufriedenstellend gelöst.

So würden viele Soldaten selbst um die 1.000 Euro ausgeben, um ihre Ausrüstung zu ergänzen. Diese für den Staat durchaus bescheidenen Summen müssen in Relation mit den Milliarden gesetzt werden, die im Rahmen von Großprojekten ausgegeben werden.

Der Bund lässt sich seit 2010 dagegen einiges für das leibliche Wohl der Soldaten kosten. Die bei der Truppe seit Jahren unbeliebte Einmannpackung (EPa), das Tagesverpflegungspacket des Soldaten außerhalb der Kaserne, wurde zur Unterstützung des Kampfgeistes kulinarisch aufgebessert. Eine sicherlich sehr sinnvolle Investition, auch wenn sie eine Budgetbelastung von bis zu mehreren Millionen im Jahr bedeutet, denn wenn eine alte EPa 11 Euro kostet, kostet die neue 18 Euro - und davon werden zurzeit 300.000 jährlich produziert.

Die Ausrüstung des einzelnen Soldaten wird in der Zukunft jedoch vermutlich richtig teuer werden.

Zurzeit wird die Vernetzung und die Systemeingliederung der Soldaten mit unterschiedlichen Aufklärungssensoren und Kommunikationssystemen unter dem Namen "Infanterist der Zukunft" felderprobt bzw. weiterentwickelt. 2007 kostete dieses System schon ca. 20.000 Euro pro Stück. Bis 2011 hatte die Bundeswehr bei der EADS-Tochter Cassidian schon 2.900 Basis-Systeme gekauft. Die technologische - und somit die taktische - Überlegenheit auf dem Schlachtfeld hat eben ihren Preis.

Im Ernstfall

Wenn der Einsatz kommt, kommen auch allerlei Extrakosten auf den Staat und somit den Steuerzahler zu. Erstens entstehen Kosten, weil Soldaten und Material zum Einsatzort und später davon zurück transportiert werden müssen. Unterkünfte müssen gebaut werden. Der Materialverschleiß ist um ein Vielfaches höher als in der Kaserne, etc. Außerdem wird der Einsatz der Soldaten dann in besonderem Weise honoriert.

Zusätzlich zum eigentlichen Sold wird den Soldaten zur "Abgeltung der mit der besonderen Auslandsverwendung verbundenen materiellen und immateriellen Belastungen, Erschwernisse und Gefahren im Einsatzgebiet und am Einsatzort" ein steuerfreier Auslandsverwendungszuschlag gewährt, welcher nach "Grad der Belastung und Erschwernisse" zwischen 25,56 und 92,03 Euro pro Tag (2008) beträgt. Zu diesem Zweck sind im Bundeshaushaltsplan (2012) 186 Millionen vorgesehen. Insgesamt waren seit 20 Jahren über 300.000 deutsche Soldaten im Einsatz im Ausland, weshalb dieser Ausgabeposten nicht unterschätzt werden dürfte.

Krieg wird aber erst recht dann teuer, wenn Waffen zur Anwendung kommen. Der Munitionsverbrauch der US-Infanterie während der ersten Jahre des Kriegs im Irak war tatsächlich so hoch, dass die US-Arsenale einfach nicht genug produzieren konnten. Die Amerikaner sahen sich deshalb gezwungen, Munitionsvorräte aus dem Ausland zu importieren. Eine Untersuchung des amerikanischen Rechnungshof fand 2004 heraus, dass die US-Streitkräfte 1,8 Milliarden Schuss im Irak und Afghanistan verfeuert hatten, was eine Durchschnittsmenge von rund 250.000 Schuss für jeden getöteten Feind hergibt (wobei ein Großteil dieser Munition beim Training abgefeuert sein dürfte).

Die "Lieblingswaffe" der Amerikaner im sogenannten "Kampf gegen den Terror" ist zweifelsohne, die Hellfire-Rakete von Lockheed Martin (Firmenumsatz 2011 ca. 46 Milliarden Dollar). Diese Rakete wird üblicherweise von Kampfhubschraubern und Drohnen gegen Fahrzeuge, befestigte Stellungen oder Gruppen von Kämpfern abgefeuert. Laut Herstellerangaben haben die Amerikaner bis Mitte 2008 in Afghanistan und im Irak über 6.800 dieser Raketen im Kampf abgefeuert. Liegt man einen geschätzten Durchschnittspreis von etwa 51.340 US Dollar zugrunde, kommen somit ca. 349 Millionen Dollar zusammen.

Geht man von der Schätzung aus, dass eine Hellfire-Rakete im Schnitt vielleicht zwei bis drei Gegner töten oder kampfunfähig machen kann und bedenkt man den logistischen Aufwand, der nötig ist, um erst eine Zielerkundung zu führen und dann den eigentlichen Abschuss vorzubereiten, wird schnell klar, dass Krieg auch eine ökonomische Angelegenheit ist.

Eine Untersuchung des amerikanischen Kongresses stellte 2010 fest, dass die Kriege nach 9/11 den amerikanischen Steuerzahler (bis 2010) insgesamt 1.147 Milliarden Dollar gekostet haben. Davon entfielen 784 Milliarden auf den Irak und 321 Milliarden auf Afghanistan. Im Vergleich kostete der Krieg in Vietnam (1965-1975) laut der gleichen Untersuchung inflationsbereinigt 738 Milliarden Dollars. Dabei betreffen diese Schätzungen nur die direkten militärischen Operationen und nicht die Auswirkung des Krieges.

In einem Artikel der NY-Times von 2009, rechnete Nicholas D. Kristof, dass der Unterhalt während eines Jahres von 20 US-Soldaten in Afghanistan dem Preis für den Bau einer Grundschule entspräche. Folglich, so rechnete er weiter, entspräche den Unterhalt der 40.000 GIs in Afghanistan während eines Jahres, den Betrag, der nötig wäre, um der Mehrheit der 75 Millionen Kinder einzuschulen, die laut UNICEF die Schule nicht besuchen dürfen.

Die Erstellung von Sicherheit ist deshalb nicht nur eine ökonomische Angelegenheit im Sinne der Verfügbarkeit von Mitteln, Sicherheit ist auch eine Frage der richtigen Zuweisung von vorhandenen Mitteln.

Die Atomfalle

Zurzeit gibt es ca. 19.000 Atombomben in der Welt. Wer allerdings darauf verzichtet kann, spart bares Geld.

Frankreich darf schätzungsweise rund 300 (also ca. 1,5%) dieser Atombomben sein eigen nennen. Um diese Atomwaffen einsatz- und somit abschreckungsfähig zu halten, wird sich das Land die Erneuerung seiner nuklearangetriebenen U-Boote-Flotte in den nächsten Jahren mindestens 25,8 Milliarden Euro kosten lassen. Dafür kaufen die Franzosen von den eigenen Werften sechs Jagd-U-Boote vom Typ Barracuda (1,4 Milliarden pro Stück) sowie vier strategische U-Boote (4,2 Milliarden pro Stück), welche mit ballistischen, also nuklearen, Raketen bestückt werden.

Laut einer Berechnung der Zeitung Le Monde, lässt sich Frankreich seine Atomstreitmacht 2012 insgesamt (also inklusive Forschung) rund 3,4 Milliarden Euro kosten. Das bedeutet für den Verteidigungsaushalt des Landes (30,6 Milliarden) eine Belastung von etwa 11%.

Der Preis der nuklearen Abschreckung

Wie in jedem Bereich, auch im militärischen, sind Preisunterschiede und somit Einsparmöglichkeiten vorhanden. Eigenentwicklungen, die aufgrund nationaler Erwägungen und unbeachtet der Wirtschaftlichkeit durchgeführt werden, können sich als extrem teuer erweisen. Die FAMAS, seit 1979 das Standard-Sturmgewehr der französischen Armee, ist dafür ein Paradebeispiel. Die erste Version (F1) kostet etwa 1.500 Euro und die neueste verbesserte Version (G2) kostet rund 3.000 Euro (Das deutsche G-36 kostet dagegen nur um die 600 Euro).

Insgesamt wurden 400.000 Exemplare der FAMAS produziert. Die Waffe erfuhr aufgrund des hohen Preises logischerweise keinen Erfolg auf den Exportmärkten. Das Bestreben Frankreichs, seine Streitkräfte nach Möglichkeit immer mit einer Neuentwicklung aus heimischer Produktion ausrüsten zu wollen, bedeutet für das Land in diesem Fall volkswirtschaftliche Mehrkosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro.

Das Standard-Gewehr der Bundeswehr, das Heckler & Koch G-36, wurde in 17 Länder exportiert, darunter nach Mexiko und Georgien und wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien (bei General Dynamics) und seit 2008 in Saudi-Arabien in Lizenz gefertigt, so dass der Staat darüber Einnahmen erzielt, wenngleich der Export bzw. die Lizenzvergabe politisch und ethisch sehr heikel sein können.

Aufgrund der Vielzahl von Pistolenmodellen, die in Deutschland von den verschiedenen Behörden angewandt werden, ist es dagegen schwierig, genauere Kosten für diesen Waffentyp zu ermitteln. Eine Untersuchung des französischen Senats brachte jedoch ins Licht, dass die ab 2003 erworbene Standard-Pistole der französischen Gendarmerie und der Polizei (die SIG-Sauer SP 2022 aus deutscher Produktion) mit rund 340 Euro pro Stück zu Buche schlägt. Der Senat berechnete anlässlich dieses Erwerbs jedoch auch Einsparungen in Höhe von etwa 650 Euro pro Waffe (im Vergleich zum üblichen Kaufverfahren in kleineren Stückzahlen) dank der Vergabe eines Großauftrages von etwa 250.000 Stück.

Auch im IT-Bereich sind Einsparungen möglich. Das französische Militär ersetzte weitgehend ab 2007 Microsoft-Produkte durch freie Mozilla-Lösungen und die französische Gendarmerie (damals Teil des Militärs) migriert seit 2005 seine Rechner nach Ubuntu Linux bzw. OpenOffice mit dem Ziel, im Jahr 2015, 90% ihrer 85.000 Rechner umzustellen. Zwischen 2004 und 2009 seien somit Einsparungen von etwa 50 Millionen Euro (ca. 70%) erzielt worden. Immer höhere Überweisungen vom Staat an die Rüstungsindustrie sind also keinesfalls unumgänglich.

Westliches Verteidigungskonzept nur bedingt abwehrfähig?

Dass Höhe und Sinn eines jeden Verteidigungshaushalts in der Kritik stehen, ist nicht ganz so neu. Schon vor ziemlich genau 40 Jahren musste sich der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD), mit der Verwendung der "Verteidigungsmilliarden" kritisch auseinandersetzen, denn nach einer damals geltenden Faustregel hatte ein modernes Waffensystem eine Lebensdauer von 10 bis 15 Jahren, so dass die Beschaffungskosten sich alle zehn Jahre verdoppelten.

Der Kalte Krieg ist vorbei. Und wurde trotz - oder möglicherweise gerade dank - den verordneten Einschnitten in den Verteidigungsetats, vom Westen gewonnen - oder zumindest erfolgreich überwunden, während der Osten letztendlich durch Einigelung und Hochrüstung seine politische und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit verlor.

Das Bestreben zum Schutz des eigenen Territoriums bzw. der eigenen Weltanschauung immer höhere Schutzwalle aufzuziehen und immer ausgedehntere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, dürfte also mit dem Scheitern des Kommunismus stalinistischer Prägung nicht mehr als zielführend gelten können. Eine Erfahrung, von der gelernt werden sollte.

Doch die schwierige Abwägung im Staatsgeschäft zwischen Verteidigung und Entwicklung ist bis heute konstant geblieben. Die Strategie einer "proaktiven Verteidigung" - in der der Krieg nicht mehr an der Grenze des eigenen Territoriums, sondern ausschließlich auf dem fernen Territorium des Feindes geführt wird - wie vom Westen nach "9/11" versucht wurde, kann mit dem nun beschlossenen Rückzug unverrichteter Dinge aus Afghanistan nicht wirklich als erfolgreiche Strategie gelten. Denn, egal wie weit die Frontlinie von dem eigenen Territorium verlagert wird, vermag eine solche Verteidigungspolitik nämlich nur eine gewisse, momentane Eindämmung eines Missstands und nicht eine dauerhafte Lösung zu erreichen.

Um ein Vielfaches zukunftsträchtiger dürfte deshalb die richtige Zuweisung bzw. die gerechte Umverteilung von Ressourcen und Wissen im zivilen Bereich sein. Haben sich die finanziellen Anstrengungen des Westens im Rahmen einer "proaktiven Verteidigung" nach "9/11" rentiert? Sei aus genannten Gründen dahingestellt.