Wer ist Wladimir Putin?
Seite 4: Beobachtungen zu Putins Auftreten
- Wer ist Wladimir Putin?
- Nicht nur Kindheitserfahrungen
- Putin – eine Kollektivperson
- Beobachtungen zu Putins Auftreten
- Eine andere Seite Putins
- Auf einer Seite lesen
Ich habe diese etwas undifferenziert zitierten Daten gebracht, um empirisch zu belegen, dass Putin nicht isoliert betrachtet werden sollte. Dennoch ist festzuhalten, dass bei ihm die Fäden der politischen und militärischen Operationen zusammenlaufen und letzten Endes von ihm entschieden werden.
Schon der visuelle Eindruck der Konferenzen, in denen er seine Mitarbeiter versammelt, belegt das – oder soll das demonstrieren: Putin an seinem Tisch – in weitem Abstand, die Getreuen im gestaffelten Halbkreis sitzend um ihn.
Auch der autoritäre Umgang mit ja durchaus ranghohen Amtsträgern zeigt das hierarchische Machtgefälle. Putin präsentiert sich hier – und auch anderswo – als der über allem stehende, allwissende und allmächtige Staatslenker.
Wie Putin mit Politikern wie Macron oder Scholz interagiert hat, zeigt ebenfalls die Pose eines modernen Potentaten. Es ist Putins Arrangement, dem sich der Gast unterwerfen muss, das Zeremoniell des heutigen "Zaren" im Kreml. Die durch einen langen Tisch geschaffene Abschirmung vom Gesprächspartner ist nicht nur auf Putins Angst vor Infektionen zurückzuführen.
Der Abstand signalisiert: Ich empfange dich zwar auf gleicher Ebene, ich höre dich auch an, aber hier findet kein kollegialer und dialogischer Austausch statt.
Persönliche Begegnung, emotionales Aufeinandereingehen ist nicht erwünscht. Wir sind hier, um vorbereitete Statements auszutauschen und zur Kenntnis zu nehmen. Verhandlungen mit dem Ziel einer Annäherung oder gar Veränderungen der Positionen sind nicht zu erwarten.
Interaktionen bei Pressekonferenzen
Aufschlussreich ist auch die Selbstinszenierung bei Pressekonferenzen, Interviews oder öffentlichen Auftritten.
In den Interviews mit Armin Wolf oder Jörg Schönenborn sitzt Putin meist breitbeinig seitwärts vom Interviewer – eine Haltung, die Raum beansprucht und Dominanz ausstrahlt. Hin und wieder wippt ein Fuß – wohl weniger ein Zeichen der Nervosität, sondern eher der Ungeduld mit dem lästigen und anscheinend begriffsstutzigen Frager.
Der Oberkörper zeitweilig aufrecht, aber locker im Sessel, dann wieder dem Fragenden zugeneigt – nicht Offenheit und Zuwendung signalisierend, sondern Distanz und Angriffslust.
Die Arme liegen vornehmlich auf der Lehne und werden nur zu sparsamen und wohl dosierten Gesten bewegt, hin und wieder eine unterstreichende Handbewegung, ein Fingerzeig, insgesamt wenig Körperbewegung; nur wenn Putin offensiv wird, gerät er in Bewegung. So agiert einer, der Überlegenheit demonstrieren will.
Der Kopf, das Gesicht zieht die Aufmerksamkeit auf sich; das glatte Gesicht kaum von Emotionen bewegt, Pokerface, hin und wieder ein süffisantes, ironisches Lächeln ohne Augenbeteiligung, ein Aufseufzen: Ach, schon wieder so eine ignorante Frage, altbekannte Behauptung. Die Augen blicken beim Referieren zeitweilig nach unten, dann wendet Putin sie offen, konzentriert, suggestiv, dem Fragenden zu. Langwierig, trocken wird dem Unwissenden erklärt – so ist es doch, nicht wie bei euch behauptet wird. Unterbrechungen bringen nicht aus dem Konzept.
Beharrlich wird der Faden weiter verfolgt und – anscheinend geduldig – ausführlicher erklärt. Gegenargumente werden aufgenommen, aber nicht erörtert, abgewogen, die eigene Position wird kompromisslos dagegen gestellt. Bisweilen wird Zustimmung des Fragenden eingefordert, doch nur um im Fortgang die Unhaltbarkeit seiner Behauptung zu erweisen.
Bei verfänglichen Fragen wird ausgewichen oder eine Gegenfrage gestellt. Sie soll verunsichern, manchmal ist sie für den Fragenden herabsetzend (zu Schönenborn mitten im Gespräch: "Wie heißen Sie übrigens?"- heißt im Klartext: Wer sind Sie schon?!).
Gesamteindruck der Auftritte: nonverbal, also körperlich-gestisch-mimisch zeigt Putin ein eingeschränktes, fast stereotypische Ausdrucksreportoire, das auf den Eindruck von Überlegenheit und Dominanz abzielt.
Psychisch-mental präsentiert er sich als kaum von Emotionen bewegt oder beeinflussbar, diszipliniert, kontrolliert, selbstsicher, als einer, der Bescheid weiß – besser als der Fragende und ihn in Frage-Stellende – und von der eigenen Wahrheit unabrückbar überzeugt.
Rhetorisch-taktisch: flexibel, geschickt, wenn auch nicht glänzend, bei der Behauptung seiner Positionen und – damit einhergehend-undialogisch.5