Wer soll Spanien nun regieren?

Seite 2: "Eine Regierung des Wandels ist rechnerisch möglich"

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Die Linkskoalition "Unidos Podemos" (Gemeinsam können wir es/UP) gibt offen zu, sich das "schlechte Ergebnis" nicht wirklich erklären zu können. Die UP hat keines ihrer Ziele erreicht, auch wenn sich die Koalition "konsolidieren" konnte, wie der Podemos-Chef Pablos Iglesias in der Wahlnacht erklärte, der seither auf Tauchstation gegangen ist. Er gab zu, "andere Ergebnisse" erwartet zu haben. Man vertrete aber ein langfristiges Projekt und sei "gestartet um zu siegen", redete er den Unterstützern Mut zu.

Da Podemos im Bündnis mit der Vereinten Linken (IU) angetreten ist, wurde erwartet, dass man die PSOE überflügeln kann. Zusammengerechnet gelang dies schon im vergangenen im Dezember. Doch mit gut 21% konnte die Koalition nur das vorherige Podemos-Ergebnis verteidigen. Die knapp 4%, die damals die IU geholt hat, fielen praktisch unter den Tisch. Trotz allem hat die UP im Parlament nun 71 Sitze, die gleiche Zahl, die Podemos und IU zuvor getrennt erreicht hatten.

Da Iglesias seinen Wahlkampf nicht erneut gegen die PSOE führte und alle Kandidaten sie als "Partner" ansahen und ihr immer wieder die "Hand entgegenstreckt" haben, bieten diverse UP-Führungsmitglieder der PSOE nun erneut eine Linksregierung mit Unterstützung von katalanischen und baskischen Parteien an. "Eine Regierung des Wandels ist rechnerisch weiter möglich", sagte der katalanische Podemos-Führer Xavier Domènech. Andere Führer im Linksbündnis, wie Joan Baldoví aus Valencia, meinen, rechnerisch sei die Lage zwar schlechter geworden, aber die Linksregierung weiter "nicht unmöglich".

Unabhängigkeitsreferendum für Katalanen und Basken könnte wieder eine Linksregierung verhindern

Auch der Podemos-Organisationssekretär bietet Sánchez angesichts des anstehenden Machtkampfs in seiner Partei die Flucht nach vorne an. Pablo Echenique erklärte: "Wir sind weiter offen für eine Regierung des Fortschritts." Die Initiative könne aber nicht von ihnen ausgehen, meinte er und verwies auf die nötige "Bescheidenheit" nach diesen Wahlergebnissen, um Sánchez den Weg zu ebnen. Erklären konnte auch er die Wahlergebnisse nicht, sagte er mit Bezug auf die Suche der Meinungsforscher nach den Gründen für ihr Versagen.

Echenique hält es zwar für wahrscheinlicher, dass die PSOE letztlich eine PP-Minderheitsregierung stützt, aber auch er bietet Sánchez den Posten des Ministerpräsidenten an. Das hat gute Gründe, denn der PSOE-Chef sitzt nach dem neuen fatalen Ergebnis für auf dem Schleudersitz. Die andalusische Regionalfürstin Susana Díaz bringt sich nun immer klarer gegen ihn in Stellung. Sie lehnt deshalb eine Linksregierung ab. "Es ist klar, dass uns die Wähler in die Opposition geschickt haben."

Aber klar ist auch, dass Sánchez nur dann noch eine politische Karriere hätte, wenn ihm das Kunststück gelänge, nun doch noch Regierungschef zu werden. Und das will Díaz ganz offensichtlich aus Eigeninteresse verhindern. Sie meldet deutlich Führungsanspruch an und will aus der "PSOE wieder eine Mehrheitspartei" machen. Dabei hat gerade sie in der PSOE-Hochburg Andalusien eine schwere Niederlage zu verarbeiten. Denn auch dort wurde die PP nun ebenfalls stärkste Kraft.

Nur in Katalonien und dem Baskenland war das anders. In den abtrünnigen Regionen gewannen in den verschiedenen Provinzen entweder Podemos oder die Republikanische Linke Kataloniens (ERC). Das gute Abschneiden von Podemos, die im Baskenland sogar die Hegemonie der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) auch in deren Hochburg Biskaya aufbrechen konnte, ist direkt mit dem Versprechen verknüpft, Basken und Katalanen nach schottischem Vorbild abstimmen zu lassen. Das ist, zudem als geschwächter Juniorpartner in einer PSOE-Regierung, allerdings mit der nicht durchsetzbar. Diese rote Linie der PSOE war entscheidend dafür, dass ein Linksbündnis nach den Wahlen im Dezember nicht zustande kam.

Die Regierungsbildung in Spanien wird also erneut sehr schwierig. Sollte Sánchez daran festhalten, Rajoy auch durch Enthaltung nicht an die Macht zu bringen, bieten sich nur noch drei Szenarien an. Entweder wechselt die PP ihren Kapitän aus, um ohne Rajoy den Ciudadanos und PSOE die Unterstützung zu erleichtern. Dass baskische oder katalanische Parteien Rajoy unterstützen, kann praktisch ausgeschlossen werden. Dann gäbe es die Möglichkeit für Sánchez, eine Linksregierung nach Vorbild Portugals zu bilden, wo einst erbitterte Gegner über ihre Schatten gesprungen sind, um eine neue rechte Austeritätsregierung zu verhindern (Portugal erhält Linksregierung). Ansonsten bliebe ein dritter Wahlgang als Möglichkeit. Angesichts dieser Lage kann kaum mit einer stabilen Regierung für vier Jahre gerechnet werden.