Wer uns nicht versteht, ist dumm

Seite 2: "Große Teile des Volkes sind dumm"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Alle diese Lösungsvorschläge basieren auf derselben weit verbreiteten Denke, die der Fernseh-Politologe Herfried Münkler kürzlich in einem Interview ausplauderte: "Große Teile des Volkes, die sind nicht besonders informiert, geben sich auch keine Mühe, glauben aber dafür umso besser genau zu wissen, was der Fall ist. Also: sie sind dumm […]."

Wenn es ein Medium gibt, das Arme nicht automatisch für dumm hält und Abstiegsängste und Klagen über soziale Ungerechtigkeit ernst nimmt, dann doch sicher das "große linke Nachrichten-Portal", wie die Berliner "tageszeitung" ihren Online-Auftritt nennt? Hier und da ist dort tatsächlich ein Anflug von Erkenntnis auszumachen, etwa bei Stefan Reinecke, der, um den Aufstieg der Rechtspopulisten aufzuhalten, "eine entschlossene Politik für höhere Mindestlöhne, […] höhere Steuern für Reiche und mehr Aufstiegschancen für Ärmere […]" fordert, zugleich allerdings dem Linkspopulismus als Antwort auf den Rechtspopulismus à la Lafontaine und Wagenknecht eine Absage erteilt.

Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht haben ohnehin einen schweren Stand bei der taz. Bleibt die Frage, wer, außer Wagenknecht, Reineckes Forderungen glaubhaft verkörpern und durchsetzen soll. Sigmar Gabriel und Andrea Nahles können es schon mal nicht, meint der Autor. Im Ungefähren bleibt auch Barbara Dribbuschs Kommentar zum Entwurf des fünften Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung unter der Überschrift "Gefühlte Katastrophen". Gibt es wirklich mehr Armut oder ist das vielleicht doch alles nur ein Stück weit gefühlt? Man weiß es nicht.

Was man als regelmäßiger Leser der taz allerdings weiß, ist, für welche Art von Armen sich dieses Blatt interessiert. Geht es etwa um "strengere Hartz-IV-Sanktionen", häufigere Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse von ALG-II-Empfängern und deren Mitbewohnern oder um Kritik an der Vermittlungsarbeit der Jobcenter, dann begnügt sich die taz in der Regel damit, die passende Agenturmeldung abzupinnen.