Wie Journalisten in Europa mundtot gemacht werden
Polen: Der baskische Journalist Pablo González bleibt in U-Haft. Vorgeworfen wird ihm Spionage für Russland.
Niemand machte sich Hoffnungen darauf, dass der baskische Journalist Pablo González nach sechs Monaten in polnischer Haft und Kontaktsperre beim neuerlichen Haftprüfungstermin freikommt, nachdem die Staatsanwaltschaft erneut eine Haftverlängerung beantragt hatte.
Und tatsächlich hat das zuständige Gericht in Przemyśl heute die Untersuchungshaft um weitere drei Monate verlängert.
Der Baske, mit einem russischen und spanischen Pass, war vor sechs Monaten im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine inhaftiert worden, als er über die Flüchtlingsströme für unterschiedliche spanische Medien informiert hatte. Der Vorwurf lautet, González habe für Russland spioniert.
Die Staatsanwaltschaft hatte vor dem Haftprüfungstermin mit einer "gut begründeten Verdunkelungs- und Fluchtgefahr" sowie mit der zu erwarteten hohen Strafe argumentiert, die angesichts der Vorwürfe droht. Es sind bis zu zehn Jahre Haft.
Es wurden weiterhin keinerlei Beweise für die schweren Vorwürfe vorgelegt. Bei der Verhaftung wurde nur eine absurde Theorie präsentiert, die auf den beiden Staatsbürgerschaften des Journalisten basiert. Angeblich sollten die Pässe gefälscht sein, da im russischen Pass des Journalisten auch ein russischer Name mit dem Nachnamen des Vaters steht. Dort heißt er Pavel Rubtsov. Im spanischen Pass steht Pablo González. Das sind zwei originale Pässe. Das ist geklärt.
Das hat das zuständige Gericht in Przemyśl schon vor drei Monaten aber nicht davon abgehalten, die Untersuchungshaft für weitere drei Monate zu verlängern.
Der Journalist war schon zuvor in der Ukraine ins Fadenkreuz der dortigen Geheimdienste geraten, weil er seit Jahren im Osten des Landes recherchiert hat. Er kann dies auch gut, da er Russisch spricht.
Sowohl die baskische Ehefrau Oihana Goiriena als auch sein Madrider Vertrauensanwalt Gonzalo Boye waren davon ausgegangen, dass die Haft verlängert wird. Goiriena, die im Kontakt mit dem polnischen Verteidiger Bartosz Rogala steht, hat bestätigt, dass keinerlei neue Beweise vorgelegt wurden.
Wenn die Beweise vor drei Monaten ausreichten, um seine Untersuchungshaft zu verlängern, glaube ich, dass sie auch dieses Mal reichen werden, auch wenn es absurd und unglaublich klingt.
Oihana Goiriena
Der Anwalt Boye ging davon aus, dass die Haft trotz fehlender Beweise verlängert und die "175 Tage" bereits verbrachter U-Haft nicht als Argument auf den Tisch kommen würden. "Wenn sie Beweise hätten, würden wir sie kennen, was sie anstreben ist, seinen Willen zu brechen." Soll wohl heißen, dass der Journalist gebrochen werden soll, damit er etwas zugibt, nur um aus dieser Lage herauszukommen.
Dass auch nach sechs Monaten weder die Familie noch der Vertrauensanwalt Boye Kontakt zu dem Journalisten haben, verstößt gegen die Rechtsgrundsätze der EU. Nur zwei Briefe der Familie hätten den Journalisten in der polnischen Haft erreicht. Telefonate oder Besuche mit der Familie oder des renommierten Anwalts Boye untersagt Polen.
"Wir wissen real nicht, wie es ihm geht", erklärt Goiriena. Sie appelliert an den spanischen Regierungschef Pedro Sánchez, sich endlich für den spanischen Staatsbürger einzusetzen, der nur vier Besuche vom spanischen Konsul erhalten hat.
Sánchez und die Justiz
Wirkliche Hoffnungen, dass sich der Sozialdemokrat für den Journalisten einsetzt, hat wohl auch die Baskin nicht. Sánchez hat beim Warschau-Besuch absolut nichts für González unternommen. Nebulös appellierte er an den "Respekt" vor der polnischen Justiz.
Die spanische Regierung respektiert logischerweise die Rechtsstaatlichkeit in Polen und damit auch das polnische Justizsystem, so wie wir immer darum bitten, das spanische Justizsystem und das eines jeden EU-Landes zu respektieren.
Pedro Sánchez
Dabei ist offensichtlich, dass Polen die Rechtsstaatsprinzipien der Grundrechtecharta der EU aushöhlt. Für Journalisten wie González gilt weder die "Unschuldsvermutung" noch werden seine "Verteidigerrechte" garantiert, wie der Vertrauensanwalt Boye erklärt. Ohnehin dürfte auch Sánchez bekannt sein, dass die EU wegen der polnischen Justiz Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Unter anderem geht auch Brüssel davon aus, dass gegen das "Recht auf wirksamen Rechtsschutz" verstoßen wird.
Es ist klar, warum Sánchez auf den Respekt vor dem spanischen Justizsystem hinweist und deshalb das polnische nicht angreift. Schließlich sperrt Spanien immer wieder missliebige Menschen unter fadenscheinigen Anschuldigungen weg, deren Urteile sogar nach Verbüßung der vollen Haftstrafe vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg kassiert werden.
Es ist auch bekannt, dass die Justiz in ganz Europa den Spaniern wirre Anschuldigungen gegenüber Katalanen nicht abnimmt und sich deshalb weigert, sie an Spanien auszuliefern, weil sie dort keinen fairen Prozess zu erwarten haben. Spanien und Polen spielen sich beim repressiven Vorgehen längst die Bälle zu, während sich Polen das repressive Spanien zum Vorbild nimmt.
Inzwischen ist auch in der EU angekommen, dass es mit dem Justizsystem in Spanien alles andere als gut steht. "Rechtsstaat in Gefahr" titelt gerade die Frankfurter Rundschau angesichts der Zustände in der politisierten Justiz.
Vom "beschädigten Rechtsstaat" wird anderorts angesichts der Lage getitelt, dass ausgerechnet der Kontrollrat der Justiz seit vier Jahren nicht erneuert wurde und faktisch illegal agiert. Trotz allem setzt er immer neue Richter auf hohe Posten setzt, obwohl eine kommissarische Tätigkeit nicht vorgesehen ist.