Wie dürfen Moslems in Deutschland beten?

Die Entscheidung des Kölner Stadtrats für den Bau einer Großmoschee wird die Auseinandersetzung sowohl im rechten als auch im linken Lager nicht beenden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ende letzter Woche hat der Kölner Stadtrat mehrheitlich dem Bau einer Großmoschee in dem Stadtteil Ehrenfeld zugestimmt. Dieser Entscheidung ist eine jahrelange, hoch emotional geführte Diskussion vorausgegangen, die auch nach dem Beschluss weitergehen wird Schon das Abstimmungsverhalten zeigte, woher der Widerstand vor allem kommt. Eine bunte Koalition aus SPD, Grüne, FDP und Linkspartei votierten ebenso dafür, wie ein kleiner Teil der Union mit dem Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). Doch der große Teil seiner Fraktion lehnte den Antrag ebenso ab, wie die Abgeordneten der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Köln.

Modell derZentralmoschee Köln. Bild: Architektenbüro Paul Böhm

Vor zwei Jahren war die Union noch mehrheitlich auf der Linie ihres Oberbürgermeisters und sprach sich für den Bau der Moschee aus, weil damit Moslems aus den Hinterzimmern herausgeholt werden. Doch im Laufe der Debatte sind einige Unionspolitiker der Bezirksebene zur rechtspopulistischen Konkurrenz von Pro Köln übergewechselt. Aus Angst vor weiteren Abwanderungen von Politikern vor allem aber Wähler, bot die Union nun das seltene Schauspiel, dass sie ihren eigenen Oberbürgermeister mehrheitlich die Stimme verweigerte und der nur mit Hilfe der Opposition ein Projekt, für das er sich immer eingesetzt hat, durchsetzen konnte.

Der besondere Stellenwert der Kölner Moschee wird oft mit ihrer Größe begründet. Tatsächlich wird das vom Architektenbüro Paul Böhm entworfene Modell eines modernen Kuppelbaus mit 2 Mineretten nach der Fertigstellung nicht zu übersehen sein. Vergleiche mit Kölner Dom oder anderen katholischen Kirchen sind aus architektonischen Gründen allerdings übertrieben. Zumal über die architektonische Ausgestaltung der Moschee eine intensive öffentliche Debatte geführt wurde, wie sie sonst bei keinem Kirchenbau üblich ist. Auch Bedenken von Anwohnern, die sich durch die Rufe des Muezzins gestört vielen könnten, wurden entkräftet. Der wird außerhalb der Moscheemauern gar nicht zu hören sein.

Kulturkampf auf Kölsch

Schnell wurde deutlich, dass die meisten Kritiker der Moschee nicht in erster Linie an der Architektur oder dem Muezzin Anstoß nahmen. Sie lehnten es überhaupt ab, dass Moslems in einer christlichen Stadt wie Köln deutlich sichtbar und öffentlich ihre religiösen Kulte pflegen Am deutlichsten brachte das die Bewegung Pro-Köln zum Ausdruck. Sie will sich mit dem Kampf gegen den Islam auch über die Domstadt hinaus profilieren und mit der Pro-Bewegung in NRW zur Landtagswahl antreten. Falls sie dabei erfolgreich ist, plant sie die weitere Ausdehnung ins Bundesgebiet.

Auch in Berlin hat sich schon ein Ableger der Pro-Bewegung zu Wort gemeldet. Dabei gerät sie natürlich in Konflikt mit der rechtsextremen Konkurrenz, vor allem der NPD. Dabei sind die ideologischen Unterschiede längst nicht so groß, wie die verbal auf Abgrenzung nach Rechtsaußen bedachte Pro-Bewegung glauben machen will. Immer wieder gab es Meldungen über Kontakte zwischen Pro-Köln-Funktionären und dem rechten Rand. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, liegen doch die Wurzeln von Pro-Köln in der mittlerweile unbedeutenden Deutschen Liga für Volk und Heimat, die von ausgetretenen Aktivisten der Republikaner, der Deutschen Volksunion und auch der NPD gegründet worden war. Die Pro-Bewegung kann sich mit diesen oft persönlichen Differenzen umso besser von der alten Rechten abgrenzen und als vorwärtsweisende Kraft darstellen, der es sogar gelingt, die CDU beim Moscheebau in Köln in Schwierigkeiten zu bringen.

Die Konflikte im rechten Lager haben sich durch einen europaweiten Anti-Islamisierungskongress zugespitzt, zu dem Pro-Köln führende europäische Rechtsextremisten und Rechtspopulisten eingeladen hatte, darunter Spitzenpolitker der französischen Front National und des belgischen Vlaams Belang, der österreichischen FPÖ und der in Italien mitregierenden Lega Nord. Zumindest mit den französischen und belgischen Rechtsparteien hatte die NPD bisher gute Kontakte und ist natürlich über die Konkurrenz alles andere als erfreut

Linke betonen die Differenz

Für die breitgefächerte antifaschistische Bewegung ist der europaweite Kongress ein zentraler Termin für ihren Protest. Doch mag man sich auch gegen die Kongress-Initiatoren und die dort eingeladenen Gäste einig sein, so gibt es schon Streit darüber, ob man den Kongress zum Anlass nehmen soll, sich auch kritisch mit dem Islam zu befassen.

Die unterschiedlichen Strategien in der Antifa-Bewegung wurden an der Ausrichtung der Konferenz Feel the Difference deutlich, die am kommenden Wochenende in Köln stattfinden soll. Dass in den Workshops und Referaten nicht nur die rechten Strategien untersucht, sondern auch ein kritischer Blick auf den Islam und den Islamismus geworfen werden soll, führt in einem Teil der Antifabewegung zu scharfer Kritik und Distanzierung.

Die Kritiker verweisen darauf, dass es jahrelanger Grundsatz der antifaschistischen Bewegung gewesen sei, sich eben nicht auf von Rechten angestoßene Debatten einzulassen. Andere Pro-Köln-Kritiker warnen davor, nur aus Angst vor den Rechten ihre kritische Haltung zum Islam in den verschiedenen Ausprägungen zurückzustellen. Dass als Reaktion auf den Debattenbeitrag dann in der linken Jungle World Blogger die Bewegung Pro-Köln verteidigen, macht noch einmal deutlich, dass in der Frage des Islam eben längst das klassische Rechts-Links-Schema aufgehoben ist.

Kollektivsubjekt Moslem

Das zeigte sich schon vor einigen Monaten, als sich der bisher als linksliberaler Publizist und Streiter für Demokratie und Menschenrechte bekannt gewordene Ralf Giordano mit ungewöhnlich harschen Tönen gegen den Kölner Moscheebau zu Wort gemeldet hatte (Streit um die Moschee in Köln). Für ihn ging es von Anfang nicht um die Breite oder Höhe des Minaretts oder die Lautstärke des Muezzins, sondern um den Islam. Trotz seiner eindeutigen Abgrenzung zur Pro-Köln-Bewegung wird er von dieser immer wieder für ihre Anti-Islam-Kampagne zitiert.

Bei Giordano wie bei anderen liberalen Islamismuskritikern, z.B. der verstorbenen italienischen Publizistin Oriana Fellaci vermisst man allerdings oft die Trennschärfe zwischen einer Kritik am Islam und einer Ablehnung von Menschen moslemischen Glaubens. Besonders nach den Anschlägen vom 11.9..2001 in New York und Washington wird ein Kollektivsubjekt kreiert, unter das dann sämtliche Menschen dieser Religion fallen. Ein kurzer Blick in die bundesdeutsche Geschichte sollte davor warnen.

So erinnerte der Politologe Niels Seibert in seinem kürzlich veröffentlichen Buch „Vergessene Proteste. Internationalismus und Antirassismus 1964-1983.“ daran, dass Anfang der 70er Jahre zahlreiche arabische Studierende aus westdeutschen Universitätsstädten abgeschoben worden, obwohl sie sich gar nicht politisch betätigt hatten. Doch weil auch damals mit dem Kollektivsubjekt des arabischen Terroristen gearbeitet wurde, brauchte eine individuelle Schuld gar nicht nachgewiesen werden.