Wie man Falschmeldungen über das Corona-Virus erkennt
- Wie man Falschmeldungen über das Corona-Virus erkennt
- Arbeitsweise des PEI
- Mai 2022: Anthroposophen
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Berichterstattung über Nebenwirkungen der Impfstoffe zeigt auffällige Muster
Auch wenn die Anzahl der gemeldeten Neuinfektionen seit Wochen stark abnimmt und viele Länder Coronamaßnahmen aufgehoben haben, ist die Pandemie noch nicht vorbei. Ob wir schon dieses Jahr in die sogenannte endemische Lage kommen, in der das Corona-Virus so "normal" wird wie die Influenza, muss sich noch zeigen. Zurzeit verbreiten sich zum Beispiel in Südafrika neue Virusvarianten, die bei uns das Pandemiegeschehen im Herbst beeinflussen werden.
Insofern dürfte uns das Thema auch noch weiter in den Medien beschäftigen, auch wenn seit Ende Februar der Ukraine-Krieg sehr viel mehr Aufmerksamkeit erhält. Dazu kommen die Inflationsproblematik und die nun möglicherweise auch bevorstehende Rezession mit ihren wirtschaftlichen Folgen.
Jetzt, wo es zum Corona-Virus selbst wenig Dramatisches zu berichten gibt, verlagert sich die Diskussion wiederholt auf die Sicherheit der Impfstoffe. So ging es im Januar erst um die Meldung, die Impfungen würden die Sterblichkeit erhöhen. Der statistische Zusammenhang ließ sich aber eher damit erklären, dass sich in heißen Phasen der Pandemie, in denen auch mehr Menschen an Covid-19 sterben, mehr Bürgerinnen und Bürger impfen lassen.
Ende Januar sorgte der – später entlassene – Vorstand der Betriebskrankenkasse ProVita für Wirbel im Blätterwald: Die Auswertung von Versichertendaten zeige eine viel höhere Häufigkeit von Impfnebenwirkungen, als es die offiziellen Daten nahelegten.
Gerade letzte Woche ging dann die Schlagzeile durch die Medien, eine Befragung unter Beteiligung der Charité weise auf eine 40-mal höhere Häufigkeit schwerer Impfnebenwirkungen. Der Inhaber einer von privaten Geldgebern eingerichteten Stiftungsprofessur für Integrative und Anthroposophische Medizin an der bekannten Berliner Universitätsklinik äußerte sich dahingehend.
Dabei weisen die letzten beiden Fälle so viele Ähnlichkeiten auf, dass sich ein Vergleich lohnt. Die auffälligen Muster sollten nicht nur den Leser, sondern auch Journalisten und Redaktionen nachdenklich stimmen. Es geht also nicht nur um das Corona-Virus, sondern auch um die Medienarbeit.
Februar 2022: BKK ProVita
In der Rückschau der Geschichte stellte sich heraus, dass sich nicht nur der Vorstand der – nach eigenen Angaben – "veggiefreundlichen Krankenkasse" verhaspelt hatte, sondern auch deren Pressestelle: So waren wichtige Dokumente falsch datiert und wurden Meldungen erst eilig verfasst und dann ebenso eilig wieder vom Netz genommen. Mehrere Links liefen dann ins Leere.
Es ließ sich aber rekonstruieren, dass der damalige Vorstand der Krankenkasse, Andreas Schöfbeck, am 21. Februar einen Brief an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) schickte, das die Impfnebenwirkungen offiziell erfasst. Der Ton dieses "Brandbriefs" war von Schöfbeck scharf gewählt:
Wenn diese Zahlen auf das Gesamtjahr und auf die Bevölkerung in Deutschland hochgerechnet werden, sind vermutlich 2,5 bis drei Millionen Menschen in Deutschland wegen Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung in ärztlicher Behandlung gewesen. […] Da Gefahr für das Leben von Menschen nicht ausgeschlossen werden kann, bitten wir Sie um eine Rückäußerung über die veranlassten Maßnahmen bis 22.2.2022 18:00 Uhr.
BKK ProVita, 21. Februar 2022
Laut der Auswertung der Krankenkasse gab es sieben- bis achtmal mehr Impfnebenwirkungen, als das PEI berichtete. Dem Institut räumte man für die Reaktion aber gerade einmal einen Arbeitstag ein. Zugang zu den Originaldaten gab man ihm aber nicht – sondern schickte in der Beilage nur eine PowerPoint-Folie mit einer Excel-Grafik mit.
Als das PEI in dieser kurzen Zeitspanne nicht reagierte, wandte sich der BKK-Vorstand gleich an die Medien. Und so kam es dann beispielsweise zur Schlagzeile: "Heftiges Warnsignal: Mehr Impf-Nebenwirkungen als bisher bekannt." Drohte wirklich "Gefahr für das Leben von Menschen"?
Aus der Ärzteschaft kam schnell die Kritik, dass die Krankenkasse hier Äpfel mit Birnen verglich: Die neu ausgewerteten Daten würden sich nämlich auf allgemeine Abrechnungscodes beziehen, die Ärztinnen und Ärzte für Behandlungen nach Impfungen in das System eingeben. Diese Informationen ließen insbesondere keine Rückschlüsse auf die Schwere der Impfreaktionen zu.
Zudem distanzierte sich der Dachverband der Betriebskrankenkasse schon am 24. Februar von der BKK ProVita: Die Daten, um die es ging, habe man gar nicht vom Dachverband abgefragt. Dieses Rätsel ist übrigens bis heute ungelöst.