Wie sich die USA nun in ihr vermutlich größtes Abenteuer begeben
Seite 2: Die weltweiten Militärkapazitäten der USA
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"U.S. Actions": "Das Entstehen regionaler Hegemone in Eurasien zu verhindern, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass das US-Militär über Streitkräftepotenziale verfügt, die es ermöglichen, von den Vereinigten Staaten aus zu operieren, weite Meeres- und Lufträume zu überwinden und von Eurasien, dessen Gewässern bzw. dem eurasischen Luftraum aus nachhaltige Militäroperationen durchzuführen." (ebd: 10)
Als Basen "großräumiger, langfristiger U.S.-Militäroperationen gegen China und Russland" gelten "US-Allianzen und –Partnerschaften, einbegriffen die NATO, welche geschaffen wurde, um die Sowjetunion (heute Russland) daran zu hindern, regionaler Hegemon über Europa zu werden." (U.S. Role in the World, S. 4)
Zeithorizonte: Der Oberbegriff "Ära" meint "Post-Cold War Era of International Relations" oder "langfristige strategische Rivalität". (ebenda 24) Was de facto auf ein offenes Ende hinausläuft.
Die USA verorten den Beginn dieser Ära bei der "Einnahme und Annexion der Krim durch Russland im März 2014", dessen "Handlungen in der Ost-Ukraine" sowie "Chinas Vorgehen im Ost- und Süd-Chinesischen Meer.9
Sie werten dieses Geschehen als "Bedrohung von Kernelementen der von den US geformten internationalen Ordnung." (ebenda).
Anders gesagt: Die Ära "langfristiger strategischer Rivalität" ist schon Realität und prägt auch Amerikas Positionierung im Ukrainekonflikt sowie darüber hinaus: "Drei Hauptgruppen (…) treten aktiv gegen die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten und Partner an - die revisionistischen Mächte China und Russland, die Schurkenstaaten Iran und Nordkorea sowie transnationale Bedrohungsorganisationen, insbesondere dschihadistische Terrorgruppen." (ebenda 23)
Konflikt mit Russland: US-Armee in der Ukraine (18 Bilder)
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Elbridge Colby, Direktor des Defense-Programms, Center for a New American Security, erwähnte im vergangenen Jahr bei dem Verein Atlantik-Brücke ein weiteres Motiv für US-amerikanisches Insistieren auf Mitwirken der Nato bei "Great Power Competition".
Colby: "Wenn es die Nato noch nicht gäbe, müsste sie jetzt geschaffen werden." Sie sei im Kern eine Sicherheitsallianz und mit 29 Staaten sehr breit gefächert. "Ich bin mir nicht sicher, ob sie ausreichend zueinanderhält". (…) "Was ihr fehlt, ist eine wirkliche Bedrohung, so wie die der Sowjetunion."
Auch fordert Colby dazu auf: "Wenn Europa mehr Verantwortung gegenüber Russland schulterte, dann würde das den Vereinigten Staaten erlauben, sich noch stärker auf China zu konzentrieren."10
Arbeitsteilung: Russland und China
Colbys Botschaft meint: Europäer, nehmt euch Russland vor und wir machen China fertig. Deutlich wird auch: Die USA verkraften beides nicht allein. Deshalb forderte der Senat des US-Kongresses die Transatlantische Allianz in einer "Agenda for Transatlantic Cooperation on China" vom 8. November 2020 zu verlässlicher Gemeinsamkeit auf11:
Transatlantische Sicherheit und Wohlstand erfordern, dass die Vereinigten Staaten und Europa sich erneut ihrer gegenseitigen Treuepflichten (commitment) versichern und sich dazu verpflichten, all unsere gemeinsamen Instrumente für den Erfolg einsetzen.
Die USA begeben sich mit ihrer eurasischen Hegemonenschlacht in ihr vermutlich größtes internationales Abenteuer. Ob Europas Nato- und EU-Staaten der "U.S. leadership of Nato" in jenes Abenteuer folgen, haben deren Regierungen vor den eigenen und nunmehr auch eurasischen Völkern zu verantworten.
Gleiches gilt für einen neuen West-Ost- bzw. Ost-West-Konflikt und Kalten Krieg. Deren Existenz ist nunmehr nicht länger bezweifeln. Vernünftiger wäre, Besonnenheit aus eigener jüngster Geschichte zu beherzigen.
Mit Rumsfeld hatte die Distanzierung Amerikas von Europa begonnen. (…) Erstmalig lehnte Deutschland die Beteiligung am Krieg gegen den Irak ab, zusammen mit Frankreich, Russland und anderen, nicht zuletzt mit dem Papst. Die Nato verlor ihren Charakter als Bündnis, das nur im Falle eines Angriffs aktiv wird.
Zum ersten Mal war bewiesen, dass Deutschland "Nein" sagen kann, ohne seine internationalen Verpflichtungen zu verletzen (…). Damals begann die Erkenntnis zu wachsen, dass die Selbstbestimmung Europas, nach dem Ende der Sowjetunion nur noch als Emanzipation von Amerika stattfinden kann. (…) Unsere Emanzipierung von Amerika wird selbstverständlich und unabweisbar. Unsere Selbstbestimmung steht neben und nicht gegen Amerika. (…)
Wenn amerikanisches Verhalten den Eindruck erwecken kann, Russland in die Knie zwingen zu wollen, dann teile ich die Meinung von Horst Teltschik, es sei blanker Irrsinn; das hätten schon Napoleon und Hitler versucht. Auf die Gegenwart bezogene Warnungen haben Kissinger und Gorbatschow, Kohl und Schmidt ausgesprochen. (…) Wir können Russland nicht aufgeben, weil es Amerika nicht gefällt.
Dr. Arne C. Seifert Berlin, Botschafter a.D., Mitglied des Vorstands des Verbandes für internationale Politik und Völkerrecht