Wie sicher sind die in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe?

Seite 2: Anaphylaktische Reaktionen

Darunter versteht man eine akute, allergische Reaktion des Immunsystems auf wiederholte Zufuhr körperfremder Eiweißstoffe, die den gesamten Organismus betreffen können. Das Bild anaphylaktischer Reaktionen reicht von leichten Hautreaktionen über Störungen von Organfunktionen bis zum anaphylaktischen Schock (Kreislaufschock mit möglichem Organversagen bis zum tödlichen Kreislaufversagen).

Anaphylaktische Reaktionen sind sehr selten beobachtete Komplikationen aller vier zugelassenen Covid-19-Impfstoffe. Die Ergebnisse erster retrospektiver Studien weisen darauf hin, dass diese mehrheitlich vermutlich nicht auf Immunglobulin-E-vermittelte allergische Sofortreaktionen zurückzuführen sind und betroffene Patienten nach allergologischer Testung zumeist risikoarm erneut geimpft werden können.

Bis zum 30. November 2021 wurden 452 Meldungen einer anaphylaktischen Reaktion berichtet, die vom PEI hinsichtlich der diagnostischen Sicherheit nach der international akzeptierten Definition der Brighton Collaboration (BC) Level 1 bis 4 bewertet wurden. Level 1 entspricht dem höchsten, Level 2 und 3 geringeren Graden der diagnostischen Sicherheit, Level 4 sind Meldungen eines Verdachts auf Anaphylaxie mit unvollständigen Angaben zur klinischen Symptomatik.

Die Melderate einer Anaphylaxie (Brighton Collaboration BC Level 1 bis 4) ist für die vier in Deutschland zugelassenen Impfstoffe mit Stand 30.11.2021 weniger als ein Fall pro 100.000 Impfungen. Sie ist bei Frauen etwas höher als bei Männern und auch bei der ersten Impfdosis höher als bei den Folgeimpfungen.

Myokarditis und Perikarditis

Zu den bekannten, sehr seltenen Nebenwirkungen und Impfkomplikationen der mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax zählen Myokarditis und Perikarditis.

Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die sich als Brustschmerzen, Herzklopfen und/oder Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzversagen äußern kann. Sie kann bei Kindern und Erwachsenen auftreten und ist bei jungen Männern häufiger als bei jungen Frauen.

Perikarditis ist eine Entzündung des Herzbeutels. Männer zwischen 20 und 50 Jahren scheinen das höchste Risiko für eine Perikarditis zu haben. Die Myo-/Perikarditis ist eine Kombination aus Myokarditis und Perikarditis.

Die Daten aus vielen Ländern einschließlich Deutschland haben ein erhöhtes Risiko insbesondere bei jungen Männern nach der zweiten Dosis gezeigt, wohingegen eine dänische Studie ein leicht erhöhtes Risiko bei jüngeren Frauen gefunden hat.

Typischerweise treten erste Beschwerden innerhalb von wenigen Tagen nach der Impfung auf. Die publizierten Daten zeigen sehr konsistent, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Patienten mit einer Myo-/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen gut auf Behandlung und Ruhe ansprechen und sich schnell besser fühlen, auch wenn im Einzelfall schwerwiegendere Verläufe beobachtet wurden.

Vorläufige Sicherheitsdaten nach der Markteinführung in Deutschland und anderen Ländern deuten darauf hin, dass das Risiko einer Myo-/Perikarditis bei jüngeren Menschen nach Spikevax sehr selten, aber möglicherweise höher als nach Comirnaty ist, weshalb die Ständige Impfkommission (Stiko) vorsorglich Comirnaty für Personen unter 30 Jahre empfiehlt.

Die Melderate einer Myo-/Perikarditis ist für Comirnaty bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern (18 bis 29 Jahre) nach der zweiten Impfung mit 8,97 bzw. 8,68 Fällen pro 100.000 Impfdosen am höchsten.

Im Vergleich dazu ist die Melderate für weibliche Jugendliche und junge Frauen nach Comirnaty in der gleichen Altersgruppe mit 0,76 bzw. 1,53 Fälle pro 100.000 Impfdosen deutlich geringer.

Für Spikevax war die Melderate bei jungen Männern (18 bis 29 Jahre) nach der zweiten Dosis mit 25,60 Fällen pro 100.000 Impfungen am höchsten. Wegen der kleinen Fallzahl (n=3) war eine Berechnung der Melderate für 12 bis 17 Jahre alte Kinder und Jugendliche nicht sinnvoll. Für junge Frauen (18 bis 29 Jahre) betrug die Melderate einer Myo-/Perikarditis nach zweiter Impfung 5,77 Fälle pro 100.000 Impfdosen. Nach der ersten Dosis wurde kein Fall bei weiblichen Jugendlichen berichtet.

Die Melderate sinkt für beide Impfstoffe und beide Geschlechter mit steigendem Alter. Daraus ließ sich eine Gesamtmelderate für alle Altersgruppen und alle Impfungen für Comirnaty mit 0,79 Fällen pro 100.000 Impfungen bei Frauen und 1,5 Fällen pro 100.000 Impfungen bei Männern kalkulieren.

Für Spikevax wurde eine Melderate von 1,28 Fällen pro 100.000 für Frauen bzw. 4,60 Fällen pro 100.000 Impfungen bei Männern kalkuliert. Die höhere Gesamtmelderate nach Spikevax beruht dabei vor allem auf der höheren Melderate bei jungen Erwachsenen.

Bislang sind sehr wenige Meldungen einer Myo-/Perikarditis nach dritter mRNA-Impfung (Booster-Impfung, Auffrischimpfung) berichtet worden. Hier sind die derzeitigen Melderaten deutlich niedriger als nach erster oder zweiter Impfung. Für Spikevax sind bisher lediglich zwei Fälle nach Booster-Impfung gemeldet worden.

Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Impfstoff Vaxzevria wurden 69 Fälle einer Myo-/Perikarditis berichtet und nach Covid-19-Impfstoff Janssen 35 Fälle gemeldet, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung angenommen wird.

Ausgang der Meldungen

In Abb. 9 (S. 27) ist in einem Tortendiagramm der Ausgang der Meldungen einer Myo-/Perikarditis nach der Covid-19-Impfstoffgabe dargestellt. Danach hat sich bei 12 Prozent der Allgemeinzustand verbessert, 13 Prozent waren wiederhergestellt, bei 18 Prozent ist der Ausgang unbekannt, zwei Prozent haben einen bleibenden Schaden davongetragen, ein Prozent sind verstorben und 54 Prozent waren zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht wiederhergestellt.

Es wurden 15 Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung gemeldet: acht Meldungen bezogen sich auf Comirnaty, fünf Meldungen auf Spikevax und jeweils eine Meldung auf Vaxzevria und Covid-19-Vaccine Janssen.

In drei Fällen (zweimal Comirnaty nach der zweiten Impfung, einmal Vakzevria nach der ersten Impfung) wurde aufgrund des Autopsieberichtes der Zusammenhang mit der Impfung als möglich bewertet.

In allen anderen Fällen sieht das PEI auf der Basis der derzeitigen Datenlage keinen ursächlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Impfung, da entweder in der Gesamtschau aller Befunde alternative Ursachen als wahrscheinlicher angesehen wurden oder wichtige klinische Befunde ausstehen.

Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS)

Als schwerwiegende, in einigen wenigen Fällen auch tödliche Nebenwirkung der Vektor-Impfstoffe Vaxzevria und Covid-19 Vaccine Janssen wurde sehr selten ein neues Krankheitsbild berichtet, das durch venöse und/oder arterielle Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom, TTS) charakterisiert ist.

Die Thrombosen treten hierbei oftmals an ungewöhnlichen Lokalisationen auf, wie beispielsweise in zerebralen Hirnvenen, Milz-, Leber- oder Mesenterialvenen (Venen des Darms).

Bei mehreren der betroffenen Patienten wurden hohe Konzentrationen von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (Anti-PF4-Antikörper) sowie eine starke Aktivierung von Thrombozyten in entsprechenden Gerinnungstests nachgewiesen.

Dieses Muster ähnelt der "atypischen" oder "autoimmunen" Heparin-induzierten Thrombozytopenie (aHIT). Dabei scheint es sich ersten Ergebnissen zufolge um transiente (flüchtige) Antikörper zu handeln, die bei den untersuchten Personen, die zuvor ein TTS entwickelt hatten, zumeist innerhalb von zwölf Wochen nicht mehr nachweisbar waren.

Dies ist möglicherweise auch der Grund, warum sehr viel seltener nach der zweiten als nach der ersten Impfung mit Vaxzevria ein TTS in Deutschland berichtet wurde.

Ganz besonders wichtig ist die frühzeitige Diagnose und Behandlung des TTS. Verschiedenste Fachgesellschaften haben Empfehlungen zur Behandlung und Therapie des neuen Syndroms publiziert, darunter die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH).

Da Thrombosen mit gleichzeitiger Thrombozytopenie auch bei anderen Erkrankungen vorkommen, sind verschiedene Falldefinitionen des neuen Syndroms publiziert worden. Die US-amerikanischen Centers of Disease Control and Prevention (CDC) haben eine pragmatische Falldefinition entwickelt, die auch vom PEI genutzt wird.

Danach sind Fälle eines TTS solche, bei denen Thrombosen an ungewöhnlichen Lokalisationen (z.B. Sinusvenen) mit gleichzeitiger Thrombozytopenie (weniger als 150 G/L) auftreten oder Fälle einer Thrombose mit üblicher Lokalisation (z.B. Lungenembolie) plus Nachweis von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4 (Anti-PF4-AK).

In Tab. 8 (S. 29) werden die gemeldeten Fälle einer Thrombose mit gleichzeitiger Thrombozytopenie nach den Covid-19-Impfstoffen dargestellt. Die Melderaten betrugen bei den beiden Vektor-Impfstoffen Vaxzevria 1,574 bzw. nach Covid-19- Vaccine Janssen 0,693 Fälle pro 100.000 Impfungen, während diese Komplikationen nach mRNA-Impfstoffen um etwa um das 50-fache seltener gemeldet worden sind.

Insgesamt verstarben 31 Personen nach Vaxzevria in der Folge der Thrombose mit Thrombozytopenie und sieben Personen nach Impfung mit dem Covid-19-Vaccine Janssen.

Aufgrund der vorliegenden Informationen waren bei 29 der 38 Meldungen einer Thrombose mit Thrombozytopenie mit tödlichem Ausgang die CDC-Kriterien eines TTS erfüllt.

Nach Impfung mit Comirnaty verstarben vier Personen in der Folge einer Thrombose mit Thrombozytopenie. Ein Patient verstarb nach Spikevax, die CDC-Kriterien waren in keiner Meldung, in der ein tödlicher Ausgang nach mRNA-Impfung beschrieben wurde, erfüllt. In keinem Fall wurden Anti-PF4-Antikörper nachgewiesen.

Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Sehr selten können Personen, die mit Vaxzevria oder Covid-19 Vaccine Janssen geimpft wurden, ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) entwickeln.

Das GBS ist eine akute Entzündung des peripheren Nervensystems und der Nervenwurzeln (Polyradikuloneuritis). In den meisten Fällen bildet sich die Symptomatik zurück. Allerdings kommt es bei manchen Patienten zu einem verlängerten Krankheitsverlauf, neurologischen Restsymptomen oder relevanten bleibenden Schädigungen. Auch Todesfälle können vorkommen.

Das Miller-Fisher-Syndrom (MFS) ist eine seltene Variante des GBS und ist charakterisiert durch Ataxie (Störung der Bewegungskoordination), Augenmuskellähmung und Verlust/Abschwächung der Muskeleigenreflexe.

Insgesamt wurden dem PEI 314 Fälle eines GBS/MFS gemeldet, zur Altersverteilung siehe Tab. 9 (S. 30). Davon waren zwei Fälle nach Vaxzevria, fünf Fälle nach Comirnaty und ein Fall nach Moderna mit einem tödlichen Verlauf aufgetreten. 24 Patienten mussten intensivmedizinisch behandelt und teils invasiv beatmet werden.

Im Zusammenhang mit der Auffrischungsimpfung wurden fünf Fälle eines GBS nach der 3. Impfung mit Comirnaty gemeldet. Die betroffenen Personen (vier Männer, eine Frau) waren zwischen 51 und 88 Jahre alt.

In Tab. 9 (S. 30) sind auch die Melderaten eines GBS aufgeführt. Diese betragen nach Impfung mit dem Vektor-Impfstoff Vaxzevria ca. 0,88 bzw. nach Covid-19-Vaccine Janssen 1,89 auf 100.000 Impfungen, während nach den mRNA-Impfstoffen Comirnaty und Spikevax um ein Vielfaches niedrigere Werte festzustellen sind.

Thrombozytopenie bzw. Immunthrombozytopenie (ITP)

Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Blutzellen, sogenannte Blutplättchen, angreift, die für eine normale Blutgerinnung benötigt werden. Eine sehr niedrige Anzahl von Blutplättchen (Thrombozytopenie) kann zu Blutungen führen und schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Einzelfallberichte nach der Zulassung und einzelne Literaturdaten weisen auf einen Zusammenhang zwischen einer Impfung mit Vaxzevria oder Covid-19 Vaccine Janssen und dem Auftreten sehr selten berichteter Fälle von ITP hin.

Diese traten zumeist innerhalb von vier Wochen nach Impfung auf. Wenn eine Person eine ITP in der Vorgeschichte hat, sollte vor der Impfung das Risiko der Entwicklung niedriger Blutplättchenwerte bedacht werden. Nach der Impfung mit einem dieser Impfstoffe wird eine Überwachung der Blutplättchenzahl empfohlen.

Eine Übersicht über die Meldungen einer Thrombozytopenie/ Immunthrombozytopenie mit und ohne Blutungen mit den derzeit verfügbaren Covid-19-Impfstoffen zeigt Tab. 11 (S. 32). Bei den gemeldeten Blutungen handelte es sich zumeist um Petechien, d. h. um stecknadelkopfgroße Blutungen aus den Kapillaren in die Haut. Einzelne Patienten verstarben jedoch an einer Hirnblutung.

Eine O/E-Analyse der Meldungen einer Thrombozytopenie/ Immunthrombozytopenie innerhalb von 30 Tagen nach Impfung und unter Berücksichtigung einer in England ermittelten Hintergrundinzidenz ergab, dass für Vaxzevria mehr Fälle innerhalb von 30 Tagen berichtet wurden, als auf Basis der verwendeten Hintergrundrate zu erwarten gewesen wären. Für Covid-19 Vaccine Janssen wurde ein leicht erhöhter nicht signifikant erhöhter Schätzwert ermittelt.

Für beide mRNA-Impfstoffe ergab sich kein Risikosignal.

Thrombosen

In mehreren Studien wurde das potenzielle Thromboserisiko der Covid-19-Impfstoffe (zumeist Comirnaty und Vaxzevria) untersucht. Allerdings waren die Ergebnisse der verschiedenen Studien nicht konsistent, sodass es schwierig ist, aus den Studien eine eindeutige Aussage im Hinblick auf ein potenzielles Thromboserisiko nach Covid-19-Impfstoffen abzuleiten.

Sofern in den Studien auch Sars-CoV-2-Infektionen und das Risiko für Thrombosen untersucht worden sind, war das Risiko nach Virusinfektion stets höher als nach Impfung.

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) hat auf seltene Fälle von venösen Thromboembolien (VTE) nach Covid-19 Vaccine Janssen hingewiesen.

VTE waren bereits im Rahmen der Zulassung des Impfstoffs als potenzielles, weiter zu untersuchendes Signal aufgefallen, da in der großen klinischen Prüfung, die zur Zulassung von Covid-19 Vaccine Janssen führte, in der geimpften Gruppe ein höherer Anteil an VTE-Fällen beobachtet wurde als in der Placebogruppe.

In einer weiteren großen klinischen Prüfung war allerdings kein Anstieg venöser thromboembolischer Ereignisse bei geimpften Personen festgestellt worden.

Ein Risikosignal wurde ebenfalls für sehr seltene Sinusvenenthrombosen ohne Thrombozytopenie nach Vaxzevria festgestellt, wobei allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Fälle wegen fehlender Angaben der Thrombozytenzahl in Wirklichkeit einem TTS entsprechen.

Hepatitis/Autoimmunhepatitis

In der Literatur wurden Einzelfälle einer Autoimmunhepatitis oder einer Hepatitis in zeitlichem Zusammenhang mit der Verabreichung verschiedener Covid-19-Impfstoffe berichtet, darunter auch ein Fall nach Spikevax aus England mit positiver Re-Exposition.

Eine Auswertung der gemeldeten Fälle einer Hepatitis oder Autoimmunhepatitis nach den in Deutschland verfügbaren Covid-19-Impfstoffen ist in Tab. 13 (S. 34) dargestellt.

Die dort dargestellten Melderaten sind sehr niedrig und betragen für die vier zugelassenen Impfstoffe zwischen 0,4 und 1 Fall pro 1 Million Impfungen. Das PEI wird Hepatitis bzw. Autoimmunhepatitis im zeitlichen Zusammenhang mit den Covid-19-Impfstoffen weiter beobachten und bewerten.