Wiederbelebung der Mir

Die Russen wollen einen Schauspieler zur Mir schicken, um Szenen für einen Film zu drehen

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Am 1. Februar ist eine russische Soyuzrakete erfolgreich mit einer unbemannten Progressfähre vom Baikonur Kosmodrom gestartet, um die Raumstation Mir mit notwendigen Materialien zu versorgen. Am Donnerstag hat die Progress um 8 Uhr MEZ ebenso erfolgreich an die Raumstation angedockt. Erst vor wenigen Tagen wurde beschlossen, die Mir weiter zu betreiben, die seit August letzten Jahres unbemannt um die Erde kreist. Die NASA allerdings ist verärgert und fürchtet, dass dies auf Kosten der russischen Beteiligung an der Internationalen Raumstation geschieht. NASA-Chef Dan Goldin meinte, man sei "frustriert und enttäuscht", da noch immer unsicher ist, wann das russische Modul Zvezda, schon jetzt mit 18-monatiger Verzögerung, endlich zur Verfügung steht.

Letzte Woche wurden die Computersysteme und Gyroskope wieder eingeschaltet, die Sonnensegel zur Sonne ausgerichtet und auf eine höhere Umlaufbahn und die russische Raumstation auf eine höhere Umlaufbahn gebracht. Die letzte Crew hatte die Raumstation mit Sauerstoff aufgefüllt, aber der Luftdruck ist inzwischen auf 70 Prozent abgefallen. Pro Woche tritt aus einem Leck etwa ein Prozent des Sauerstoffs aus.

Die Versorgungsmission bringt Lebensmittel, Treibstoff, Wasser und Sauerstoff zur Mir, um die Raumstation für die bemannte Mission im März vorzubereiten. Ob die Mir allerdings dann weiterbetrieben wird, hängt auch davon ab, ob neue Geldquellen zum Betreiben der Raumstation gefunden werden und ob die Mir tatsächlich wieder instand gesetzt werden kann. Angeblich würde es 50 Millionen Dollar kosten, um die Mir ein Jahr lang zu betreiben. Zuvor ging man noch von 250 Millionen Dollar aus. Ideen hatte man schon viele, um die Mir doch noch am Leben zu erhalten, doch bislang wurde nur ein amerikanischer Investor gefunden, der Geld in das Projekt stecken will (Wird die Mir zum Weltraumhotel?).

Bislang ist vorgesehen, dass im März zwei russische Astronauten zur Raumstation fliegen. Die Russen hatten bei der Europäischen Weltraumbehörde angefragt, ob diese einen Astronauten mitschicken will, was aber offenbar an den Geldforderungen gescheitert ist. Zur Diskussion steht jetzt, ob womöglich der Schauspieler Vladimir Steklov mit der von der Partie sein wird. Er soll in einem Film mit dem Titel "Tavro-Cassandra" einen einsamen Astronauten darstellen, der sich weigert eine alte Raumstation zu verlassen und auf die Erde zurückzukehren. Noch fehlt allerdings auch dem Regisseur Yuri Kara das Geld, den Film drehen zu können, der immerhin 200 Millionen Dollar kosten soll. Kara würde den Film gerne im April 2001 in die Kinos bringen, weil das ein symbolisches Datum wäre: 40 Jahre zuvor ist Yuri Gagarin zur ersten bemannten Weltraumfahrt gestartet. Natürlich meint Kara auch, dass die Russen mit einem derartigen Filmprojekt wieder ein stärkeres nationales Selbstbewusstsein erlangen könnten: "Dieser Film ist nicht nur für die Kunst, sondern auch für den Staat sehr wichtig. Der erste Mensch im Weltraum war ein Russe, und es würde wirklich sehr symbolisch sein, wenn auch der erste Schauspieler ein Russe wäre", sagte Kara Space.com. "Ich bin sicher, dass man sehr bald Film auf dem Mars oder dem Mond drehen wird. Aber jemand sollte den ersten Schritt machen, und ich hoffe, es werden die Russen sein."

Kara ist der Meinung, dass Szenen im Weltall, die nicht fingiert sind, den Film zu einem Hit machen könnten: "Wenn man sich Spielbergs Filme über Dinosaurier ansieht, dann erkennt man, dass das alles Computergrafik und Spezialeffekte sind. Aber wenn man will, dass die Zuschauer dieselben Gefühle wie ein Astronaut erleben sollen, dann sollte man einen Darsteller in den wirklichen Weltraum schicken." Als schwierig hat sich schon einmal erwiesen, den richtigen Schauspieler zu finden, der auch weltraumtauglich ist. Von neun Schauspielern ist nur Steklov übriggeblieben, der die medizinischen Tests überstanden hat. Kara zeigte sich allerdings nicht überrascht von den Schwierigkeiten, diese Rolle zu besetzen: "Was soll man anderes erwarten von Schauspielern, deren Leben aus Festivals, Spielen, Parties und Trinken besteht? Einer der Kandidaten brach in der Zentrifuge zusammen und stand sogar in Gefahr zu sterben." Steklov hat inzwischen einen viermonatigen Kurs im Gagarin Trainingszentrum überstanden.

Von der Idee, einen Schauspieler mitzunehmen, sind allerdings nicht alle begeistert. Die Frage ist natürlich auch, was der Schauspieler nach den wenigen Szenen auf der Raumstation machen soll, denn die Crew wird sich vermutlich 45 Tage dort aufhalten. Der Astronaut Vladimir Dezhurov, der 1995 als Leiter der Crew auf der Mir war und sich jetzt für eine Mission auf der Internationalen Raumstation vorbereitet, meint etwa, dass dies nur zu rechtfertigen sei, wenn die russische Weltraumbehörde viel Geld erhalten würde.

Doch auch andere Probleme könnten den Mitflug des Schauspielers verhindern. Wenn es beispielsweise Schwierigkeiten bei der gegenwärtigen Versorgungsmission geben sollte, würden die Astronauten vermutlich schon im Februar starten müssen, um die Mir wieder funktionsfähig zu machen. Sie müssten dann zunächst einmal mit Unterdruck in der Station arbeiten und brauchen vielleicht auch den Platz für den dritten Astronauten in der Fähre, um weitere Ausrüstungsgegenstände mitzunehmen. Und dann wäre auch noch die Frage, ob Steklov bei einem vorzeitigen Start genügend Vorbereitungszeit haben würde.

NASA-Chef Goldin jedenfalls zeigte sich verärgert, dass eine neue Crew, mit oder ohne Schauspieler, zur Mir fliegen soll: "Es ist keine Angelegenheit Amerikas, den Russen zu sagen, wie sie die Mir betreiben sollen. Doch das Weiterbetreiben der Mir darf in keiner Weise ihre Verpflichtungen gegenüber der Internationalen Raumstation beeinträchtigen. Und wir haben jetzt die Stunde der Wahrheit erreicht." Sollten die Russen nicht, wie vorgesehen, bis zum Sommer das Modul Zvezda, das als Aufenthaltsbereich für Astronauten entscheidend ist, nicht zur Internationalen Raumstation bringen, will die NASA das Interim Control Modul (ICM) am Ende des Jahres als Ersatz anbringen. Das Ultimatum der NASA wird letztlich darüber entscheiden, ob die Internationale Raumstation ein Stück weit weniger international sein wird. Die nationalen Interessen scheinen auch im Weltraum wiederzukehren.