Windows als Strafe

Hilft das amerikanische Justizministerium beim Ausbau eines Monopols?

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Im letzten Oktober wurde Scott McCausland alias „sk0t“, der ehemalige Administrator der Trackersite EliteTorrents, zu 3000 US-Dollar Geldstrafe, 5 Monaten Haft, 5 Monaten Hausarrest und weiteren 3 Jahren „unter Beobachtung“ verurteilt. Nun kam heraus, was sich hinter der etwas kryptischen Formulierung für den letzten Teil der Strafe verbirgt: Er soll ein Programm installieren, das alle seine Internetverbindungen überwacht. Und weil nur eine ganz bestimmte Monitoring-Software akzeptiert wird, die ausschließlich auf Windows läuft, soll McCausland jetzt entweder sein Betriebssystem wechseln oder die nächsten Jahre jegliche Verbindung zum Internet unterlassen.

Am 19. Juli, bekam McCausland eine elektronische Fußfessel angelegt, die er bis zum 19. Dezember tragen muss und mit der überwacht wird, wo er sich aufhält. Von Montag bis Freitag, 8 Uhr 30 bis 21 Uhr und an den Wochenenden von 8 Uhr 30 bis 17 Uhr kann er nun einer Arbeit nachgehen – beziehungsweise sich eine suchen. Einem Posting in seinem Blog zufolge kommt aber ein noch größeres Problem als die Fußfessel auf ihn zu:

Sein Bewährungshelfer teilte ihm mit, dass für die dreijährige Überwachung seiner Internetaktivitäten nur eine ganz bestimmte Software akzeptiert würde, die ausschließlich unter Windows läuft und stellte ihn vor die Wahl, entweder das Microsoft-Betriebssystem zu installieren oder auf das Internet zu verzichten -“dsinc” bemerkte dazu in Slashdot süffisant, dass hier wohl ein Fall von in den USA eigentlich von der Verfassung verbotenen "cruel and unusual punishment" vorliegen würde.

Bisher benutzte McCausland Ubuntu 7.04. Abgesehen von Witzen, persönlichen Präferenzen und davon, dass der nun arbeitslose 24jährige nach eigenen Angaben kein Geld für eine Windows-Lizenz erübrigen kann, hat diese Eingrenzung doch ein „Geschmäckle“: Sicherlich lässt sich argumentieren, dass der Überwachte ein Open-Source-Programm vielleicht ein wenig zu leicht ändern könnte – aber es gibt durchaus auch Closed-Source-Monitoring-Software für GNU/Linux – lediglich die Auswahl ist etwas kleiner.

Es fragt sich deshalb, warum ausgerechnet auf diesen einen speziellen Keylogger bestanden wird – dessen Lizenz McCausland sehr wahrscheinlich ebenfalls selbst bezahlen muss. Neben einer Einflussnahme des bisher noch unbekannten Herstellers ließe sich auch an eine aus Redmond denken: Zwar würde sich für Microsoft ein entsprechender Einsatz für eine einzige Lizenz kaum lohnen – wohl aber für einen PR-Effekt, mit dem der Öffentlichkeit suggeriert wird, wie „sicher“ und „kontrollierbar“ die Betriebssysteme aus Redmond sind.

Hinzu kommt, dass nicht ganz klar ist, inwieweit die Eingrenzung auf eine einzige Monitoring Software weniger auf eine persönliche Präferenz des Bewährungshelfers als auf eine des amerikanischen Justizministeriums zurückgeht, wie McCausland selbst in einer Formulierung in seinem Blog nahe legt. Bisher wollten sich allerdings weder er noch das Justizministerium näher dazu äußern. Sollte die Entscheidung tatsächlich durch den von einem Skandal zum nächsten taumelnden Justizminister Alberto Gonzales oder einen von ihm installierten Beamten vorgegeben worden sein, dann wäre es ein weiter Weg, den die Behörde, die unter Clintons Justizministerin Janet Reno noch eine Monopolklage gegen Microsoft einleitete, in den letzten sieben Jahren ging - statt Monopole zu brechen, würden solche dort nun durchgesetzt.

McCausland sagte der Website TorrentFreak, dass er den Windows-Zwang zusammen mit seinem Anwalt anfechten wolle. Zusätzlich richtete er eine Möglichkeit zum Spenden via Amazon ein.

Feindstrafrecht gegen Bürger

Möglich wurde das harte Urteil gegen McCausland durch den wenige Tage vor seiner Festnahme in Kraft getretenen Family Entertainment and Copyright Act (FECA). Er erlaubt Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis zu 250.000 US-Dollar, wenn jemand ohne Genehmigung Kinofilme oder Musikalben vor dem offiziellen Erscheinungstermin zum Download anbietet. Für dieses Strafmaß muss kein kommerzielles Interesse nachgewiesen werden.

Die Regelung ist ein Beispiel dafür, wie sich das Strafrecht sowohl in den USA als auch in Europa immer mehr von den Gerechtigkeitsvorstellungen breiter Bevölkerungsschichten entfernt: Während vor allem jugendliche Gewalttäter eine höhere zweistellige Zahl von Straftaten anhäufen dürfen, bevor sie in Haft genommen werden (wo sie ihren Neigungen dann in Mehrpersonenzellen nachgehen können), werden immer mehr Vorschriften in das Strafrecht aufgenommen, deren Übertretung sich weder auf den Dekalog noch auf Mehrheiten im Rechtsempfinden der Bevölkerung stützen kann.

Die Tatsache, dass die "Operation D-Elite", in deren Rahmen die Hausdurchsuchung bei McCausland durchgeführt wurde, vom offiziell zur Bekämpfung des Terrorismus eingerichteten Department of Homeland Security (DHS) angeordnet worden war, weist auf ein weiteres Problem hin: Mit dem Argument des Terrorismus werden immer mehr Elemente des Bürgerstrafrechts durch ein Feindstrafrecht ersetzt. Da in die Regelungen aber keine wirksamen Sperren eingebaut werden, die Nicht-Terroristen schützen, sind die Leidtragenden solcher Regelungen meist keine Terroristen, sondern Bürger, deren Vergehen zudem häufig in den Bereich der „opferlosen Straftaten“ fällt.