"Wir brauchen in Europa endlich gemeinsame Sicherheit"
Seite 2: Nato müsste über Beitritt der Ukraine entscheiden
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Hat die Ukraine das souveräne Recht der Nato beizutreten?
Angelika Claußen: Ja, als souveräner Staat hat die Ukraine das Recht, den Antrag auf Nato-Beitritt zu stellen. Aber die Nato hat ebenfalls das Recht, dies abzulehnen.
Das Nato-Bündnis ist verpflichtet zu prüfen, ob ein Antragsteller die Grundsätze der Allianz fördert und zur gemeinsamen Sicherheit beiträgt. Nach Artikel 10 des Nordatlantikvertrags muss dieser Beschluss einstimmig erfolgen. Deutschland und Frankreich haben bereits starke Einwände gegen die Aufnahme der Ukraine geäußert.
Die Nato könnte diese Tatsache also einfach anerkennen und offiziell erklären, dass sie nicht die Absicht hat, sich innerhalb der nächsten 15 Jahre weiter nach Osten auszudehnen.
Ist die Aufrüstung der Ukraine eine Alternative zur Nato-Aufnahme?
Angelika Claußen: Nein, Aufrüstung ist ein eindeutiger Schritt zur weiteren Eskalation des Konflikts. Wesentlich für eine Deeskalation sind Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Abkommens, bei dem Deutschland eine besondere Verantwortung trägt und eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen kann.
Im sogenannten Normandie-Format haben Russland, Deutschland, Frankreich und die Ukraine das Minsk-II-Abkommen verhandelt und am 12. Februar 2015 unterzeichnet. Das Abkommen wurde in weiten Teilen bis heute nicht umgesetzt, gilt aber weiterhin als wesentlicher Bestandteil für eine Deeskalation und für die Durchsetzung des Konzepts von gemeinsamer Sicherheit.
Es ist aber doch schwer zu übersehen, dass Russland im Fall der Krim und des Donbass die Souveränität der Ukraine verletzt hat.
Angelika Claußen: Richtig, das ist so, aber dieses Problem kann nicht dadurch gelöst werden, dass ein Krieg in und um die Ukraine beginnt. Zu Diplomatie, Verhandlung und Konfliktbearbeitung gibt es keine Alternative.
Wir Menschen und die Regierungen in Europa, Russland und der USA haben hier die Möglichkeit zu zeigen, dass die Grundsätze der UN-Charta zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 2 Ziff. 3) und zum Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4) angewandt werden. Es geht um Frieden und Kriegsverhütung.
Die Lösung der Frage um den Status der Krim muss entkoppelt und zu einem späteren Zeitpunkt gelöst werden.
Wie bewerten Sie das bisherige Krisenmanagement der Ampel-Koalition?
Angelika Claußen: Die IPPNW erkennt beim bisherigen Krisenmanagement der Ampelregierung an, dass sie große Anstrengungen darauf verwendet, Diplomatie voranzubringen und das Minsk II Abkommen als Verhandlungsgrundlage wieder uns Spiel zu bringen.
Wir wünschen uns darüber hinaus, dass die Bundesregierung die USA und Russland auffordert, den Vertrag des Offenen Himmels, ein Rüstungskontrollvertrag, den die Trump Administration aufgekündigt hatte, wieder in Kraft zu setzen. Das wäre über Worte hinaus ein konkreter Schritt, der zeigt, dass beide Seiten zum Vertrauensaufbau bereit sind.
Und Ihr Appell soll erreichen, dass…
Angelika Claußen: … viele Menschen sich einmischen, sich an ihre Abgeordneten wenden und vielleicht auf die Straße gehen. Es braucht jetzt eine Starke Stimme aus der Bevölkerung an die Politik: Kein Krieg in Europa! Kein Krieg in und um die Ukraine! Wir brauchen in Europa endlich gemeinsame Sicherheit.