"Wir tun nichts, was uns mehr schadet als Putin"

Seite 2: Abkehr von russischer Energie: "So schnell wie möglich, so sicher wie nötig

Die alte Gleichung, dass Russland auch in Krisen ein verlässlicher Wirtschaftspartner ist, gilt nicht mehr, der Krieg hat sie hinweggefegt. Deshalb ist unser Ziel ganz klar: Wir müssen unabhängig werden von russischen Energieimporten, und zwar so schnell wie möglich, aber auch so sicher wie nötig.

Wir haben von Beginn an gesagt: Wir tun nichts, was uns mehr schadet als Putin. Und dabei haben wir immer auch Ostdeutschland im Blick, das aufgrund seiner Geschichte und Geografie natürlich andere Voraussetzungen hat in Sachen Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie.

Gerade das Ölembargo, das wir vorletzte Woche beim EU-Gipfel beschlossen haben, ist ein drastischer Schritt; er wird Russland hart treffen. Das kann Putin nicht über Nacht und vor allem nicht ohne erhebliche Einbußen ersetzen.

Natürlich hat das Embargo auch Folgen bei uns in Deutschland. Ich denke an Leuna und hier in Brandenburg an die Raffinerie in Schwedt, die bisher an der Druschba-Pipeline hängt. Für Leuna zeichnet sich bereits eine alternative Belieferung über den Hafen Danzig ab.

Für Schwedt ist die Sache komplizierter, aber auch das arbeitet eine Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums zusammen mit anderen Ministerien und dem Land ganz konkret – mit einer Lösung – ab. Und ich bin zuversichtlich, dass wir auch hier schnell vorankommen und eine gute Lösung finden werden.

Zu einem darf das Ölembargo jedenfalls nicht führen: zu massiven regionalen Preisunterschieden an der Zapfsäule. Das ist für mich eine Frage der Solidarität. Die Kosten des Krieges tragen wir alle gemeinsam. Natürlich kann die Bundesregierung nicht alle Folgen beseitigen, die Putins Krieg auch für uns mit sich bringt.

Weltweit steigen schließlich die Preise und weltweit sind Rohstoffe knapp. Aber wir können die Folgen abmildern, gerade für die, die am meisten darunter leiden. Dafür stehen die beiden Entlastungspakete mit einem Volumen von weit über 30 Milliarden Euro, die wir aufgelegt haben.

Die Abschaffung der EEG-Umlage bedeutet für Bürgerinnen und Bürger 6,6 Milliarden Euro weniger auf der Stromrechnung – in diesem Jahr, und dauerhaft ist es noch viel mehr. Ab September bekommt jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer 300 Euro ausgezahlt, Selbstständigen wird die Steuervorauszahlung um diesen Betrag gekürzt.

Das Neun-Euro-Ticket ist ein großer Erfolg, und zwar nicht nur in Millionenstädten. Gut, wenn dadurch der eine oder die andere auch künftig öfter in Bus und Bahn sitzt. Und gerade energieintensive Unternehmen und solche, die im Russlandgeschäft tätig sind, können auf Bürgschaften, Zuschüsse und Kredite der KfW zurückgreifen.

Eines ist aber völlig klar: Steuer- und kreditfinanzierte Subventionen und Hilfspakete sind natürlich keine Dauerlösung, zumal sie manches Problem nur in die Zukunft verschieben. Wenn wir aber Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaschutz dauerhaft unter einen Hut bekommen wollen, dann lautet die einzig richtige Antwort: Endlich Vollgas geben bei den erneuerbaren Energien – wie sinnfällig das Bild auch immer ist. Deshalb habe ich gesagt: 2022 wird das Jahr der Entscheidungen.

Kurzfristig werden wir womöglich noch stärker auf die Kohle zurückgreifen müssen, auch wenn der Kohleausstieg an sich nicht infrage steht. Hier hat die Bundesregierung mit den 40 Milliarden Euro für die Strukturentwicklung ein klares Bekenntnis zur Zukunft der Lausitz und des mitteldeutschen Reviers nach dem Ausstieg aus der Braunkohle abgelegt.

Gas bleibt weiterhin die entscheidende Brückentechnologie – wenn auch in der aktuellen Situation unter anderen Vorzeichen. Deshalb haben wir Flüssiggasterminals möglich gemacht und die dazu nötigen Schiffe erworben. Die notwendige Hafeninfrastruktur und die Anbindungsleitungen werden in den kommenden Monaten gebaut, dank vereinfachter Verfahren viel schneller, als so etwas sonst in Deutschland passiert.

Und mit dem so genannten Osterpaket hat die Bundesregierung bereits wichtige Grundlagen geschaffen für die Photovoltaik, auch für die Windkraft zu See und an Land. Jetzt müssen wir bei den Planungs- und Genehmigungsprozessen viel schneller werden. Wir müssen die Dauer von Verwaltungsverfahren mindestens halbieren. Sind Sie einverstanden?

Und das will ich auch klar sagen: Wir werden uns dabei nicht den Schneid abkaufen lassen, nicht von den Lobbyisten, nicht von den Bedenkenträgern und auch nicht von den Verteidigern des Status quo. Wir haben schlicht keine Zeit mehr, um Dinge auf die lange Bank schieben zu können. Gerade für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland ergeben sich daraus riesige Chancen.

Meine Damen und Herren, der Osten Deutschlands ist inzwischen in vielerlei Hinsicht eine der attraktivsten Wirtschaftsregionen Europas geworden, und das hat sich mittlerweile auch international herumgesprochen. Ich weiß, das ist eine starke Aussage, gerade wenn man bedenkt, welche Entwicklung Ostdeutschland in den letzten Jahrzehnten durchgemacht hat. Den Umbruch und die dramatische Deindustrialisierung der Nachwendezeit haben Millionen Ostdeutsche vor allem als Zusammenbruch erlebt, oft auch ganz persönlich. Aber diese Zeit liegt hinter uns.