Wünscht sich China Frieden in der Ukraine?
Neue chinesische Vermittlungsoffensive im Ukraine-Konflikt. Vorstoß mit wenig Aussicht auf Erfolg. Im Westen unterstellt man Peking Unredlichkeit.
Pekings Sonderbeauftragter für eurasische Angelegenheiten, Li Hui, ist am 2. März auf der Suche nach einer politischen Lösung für die Ukraine zu einer zweiten Runde Pendeldiplomatie aufgebrochen. Das erste Mal war Li Hui im Mai 2023 in Europa, um Chance für Gespräche zwischen den Konfliktparteien auszuloten.
Die chinesische Regierungssprecherin Mao Ning dämpfte im Vorfeld die Erwartungen: hinter den Bemühungen stehe lediglich das Ziel "einen Konsens für die Beendigung des Konflikts herzustellen und den Weg für Friedensgespräche zu ebnen".
China wird weiterhin seine Rolle spielen, Pendeldiplomatie betreiben, einen Konsens herbeiführen und Chinas Weisheit für die politische Lösung der Ukraine-Krise einbringen.
Mao Ning, Presseabteilung des Außenministeriums der Volksrepublik China
Die Position der Volksrepublik zur "Beilegung der Ukraine-Krise" ist in einem amtlichen Dokument des Außenministeriums nachzulesen. Darin sind alle wichtigen Schritte auf dem Weg einer möglichen Konfliktbeilegung in zwölf Schritten festgehalten.
"Vielleicht an der Zeit, dass China als Friedensvermittler auftritt"
Aus Sicht westlicher Interessen ist wichtig, dass Peking den Respekt gegenüber der Souveränität von allen Ländern fordert und die Aufrechterhaltung ukrainischer Nahrungsmittelexporte. Weniger erbaulich für Berlin, Brüssel und Washington dürften die Forderungen Pekings nach "Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges" und dem "Ende unilateraler Sanktionen" sein.
Die Sicherheit eines Landes darf nicht auf Kosten anderer Länder verfolgt werden. (…) Einseitige Sanktionen und maximaler Druck können das Problem nicht lösen, sie schaffen nur neue Probleme.
Außenministerium der Volksrepublik China
Die vergleichsweise unabhängige South China Morning Post macht ihren Lesern dennoch leise Hoffnungen auf eine erfolgreichere zweite Mission von Li Hui. Angesichts der gescheiterten Offensive der Ukraine und des Versiegens der westlichen Hilfe sei es "vielleicht an der Zeit, dass China als Friedensvermittler auftritt".
Doch diese Hoffnung dürfte sich – zumindest auf absehbare Zeit – als trügerisch erweisen, denn in Europa und in den USA werden die Kriegstrommeln lauter denn je gerührt. Und sieht es nicht so aus, als würde sich die NATO bereits mit einer Niederlage der Ukraine abfinden.
Kriegstrommeln lauter denn je
Die westlichen Thinktanks und Medien haben verschiedene Narrative vorgelegt, die Peking in der ein oder anderen Weise Unehrlichkeit zuschreibt.
Chinas Haltung gegenüber Russland zeige, dass es "es kein geeigneter Vermittler ist, sondern vielmehr den Krieg nutzt, um sich dem Globalen Süden als verantwortungsbewusste Führungsmacht zu präsentieren", ist man im Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien überzeugt.
In dieses Horn stößt denn auch der Deutschlandfunk. "China wolle sich damit bloß als Friedensstifter inszenieren", meint man hier. Nicht sein kann, was nicht sein darf. "Frieden für die Ukraine? Chinas genialer Propagandaschachzug", spitzt die Neue Zürcher Zeitung zu: "Wie naiv sind wir eigentlich?"
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Das zweite, oft wiederholte westliche Narrativ bezieht sich auf eine angeblich zunehmende Abhängigkeit Russlands von China und die damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile für die Volksrepublik. Als Beleg wird der in letzter Zeit rasant gewachsene Handel und die Entdollarisierung zwischen den beiden Volkswirtschaften bemüht.
China hat westliche Sanktionen gegen Russland mitgetragen
Auch die unlängst bekannt gewordene Tatsache, dass einige große chinesische Banken künftig keine in Yuan denominierten Kredite mehr an Moskau vergeben wollen, weil sie (sekundäre) US-Sanktionen fürchten, wird in diese Schublade gesteckt. Russland stünden schwierige Zeiten bevor, meint die Frankfurter Rundschau dazu.
Man muss sich schon bis zur unabhängigen, nur im Netz erscheinenden Moskau Times durchklicken, um zumindest einen – nicht-chinesischen – Beleg dafür zu finden, dass China und die chinesische Wirtschaft die westlichen Sanktionen gegen Russland im Großen und Ganzen mitgetragen und vor allem keine Waffen geliefert haben.
Was westlichen Beobachtern generell abgeht, ist eine differenzierende Betrachtung der chinesischen Haltung und das Bewusstsein dafür, dass auch Peking - ohne völkerrechtliche Grundlage – vom Westen teils scharf sanktioniert wird. Erwähnt seien hier lediglich die Stichworte de-coupling und de-risking.
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