"Würdest Du Dich gegen Corona impfen lassen?"

Seite 3: 3. Neue Impfstoffe demnächst verfügbar

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In diesem Kapitel beziehe ich mich auf einen Artikel, der in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature am 3. 12. 2020 veröffentlicht wurde und ebenfalls wichtige Informationen enthält, allerdings aus einem etwas anderen Blickwinkel (13).

In diesem Artikel wird berichtet, dass Großbritannien am 2. Dezember 2020 als erstes Land mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer einen neuen Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen hat, sodass die Impfung von Risikopersonen beginnen kann. Es wird erwartet, dass die Regulierungsbehörden in USA und in Europa in den kommenden Wochen ebenfalls ihre Entscheidungen treffen werden.

Tests an mehr als 43.000 Menschen hätten gezeigt, dass der Biontech/Pfizer-Impfstoff eine Woche nach Applikation der zweiten Dosis eine Wirksamkeit von 95 % aufwies. Die Zulassung in Großbritannien basiert auf Daten von nur 170 Infektionen, sodass eingeschätzt wird, dass die Wirksamkeit bei der realen Anwendung geringer sein könne als in dieser Studie, aber es sei immer noch ein außerordentlich vielversprechendes Ergebnis, heißt es in dem Artikel.

Zusätzlich zum Biontech/Pfizer-Impfstoff prüfen die Aufsichtsbehörden Daten eines anderen ähnlichen Impfstoffs der Firma Moderna aus Cambridge, Massachusetts, und eines dritten Impfstoffs, der von AstraZeneca aus Cambridge und der Universität von Oxford hergestellt worden ist.

Alle drei Impfstoffe seien in großen klinischen Studien getestet worden und hätten sich als vielversprechend erwiesen, eine Erkrankung durch das Coronavirus zu verhindern. Aber für Wissenschaftler seien immer noch viele Fragen zu diesen Impfstoffen offen, die jetzt bei Millionen Menschen angewendet werden sollen.

Mit diesen Fragen, von denen einige schon am Schluss des Kapitel 2 gestellt worden sind, beschäftigt sich der Artikel im weiteren Verlauf. Darauf soll jetzt im Einzelnen eingegangen werden.

Verhindern die Impfstoffe auch die Übertragung von Covid-19?

Bisher habe keiner der Impfstoffe gezeigt, dass er neben dem Auftreten von Erkrankungen auch Infektionen insgesamt verhindert und damit die Ausbreitung der Erkrankungen in einer Bevölkerung reduzieren könnte. Deshalb können diejenigen, die geimpft sind, anfällig für asymptomatische Infektionen bleiben und diese Infektionen dann auf andere übertragen, die anfällig sind (siehe im Kapitel 2 auch die Ausführungen zu "sterile Immunität").

Die Firma Pfizer habe verlauten lassen, dass ihre Wissenschaftler nach Möglichkeiten suchen, wie sie die Infektionsübertragung in zukünftigen Studien untersuchen können. Erste Hinweise, dass ihr Impfstoff auch vor einer solchen Übertragung schützen kann, liegen von der Pharma-Firma AstraZeneca und der Universität Oxford vor.

Obwohl AstraZenica noch keine vollständigen Ergebnisse veröffentlicht haben, seien die Teilnehmer in ihrer Studie routinemäßig auf SARS-CoV-2 getestet worden, was ermöglicht habe, asymptomatische Infektionen zu erkennen. Erste Auswertungen deuten darauf hin, dass der Impfstoff die Häufigkeit solcher Infektionen verringert haben könnte. Es könnte also sein, dass auch die Übertragung von (asymptomatischen) Infektionen reduziert wird.

Wie lange dauert die durch Impfung erzeugte Immunität?

Das ist schwer zu bestimmen. Es habe einige Berichte über Zweitinfektionen und sinkende Antikörperspiegel Monate nach einer ersten Erkrankung an Covid-19 gegeben, aber es ist immer noch unklar, wie weit verbreitet diese sind. Aber es gebe Anzeichen dafür, dass das Immunsystem eine Erinnerung an die Coronavirus-Infektion in Form von spezialisierten Gedächtniszellen (T-Zellen) bewahrt, die schnell in Aktion treten könnten, wenn das Virus wieder auftritt.

Dennoch wird es nach der Impfung wichtig sein, die Immunität im Verlauf zu überwachen, um zu wissen, wann sie zu schwinden beginnt. Eine Möglichkeit, dies zu tun, sei, nach erfolgter Impfung neben der Beobachtung des klinischen Verlaufs regelmäßig die Konzentration an neutralisierenden Antikörpern und speziellen Immunzellen im Blut zu bestimmen. Die Verfolgung der Kinetik dieser Immunreaktionen könnte einen frühen Hinweis darauf geben, wann diese auf ein beunruhigendes Niveau abgefallen sind.

Wie gut wirken die Vakzine bei alten Menschen und bei Kindern?

Die großen Studien über die klinische Wirksamkeit von Impfstoffen hätten bisher Zehntausende von Menschen umfasst, aber die sich daraus ergebenen Schlussfolgerungen werden aus Infektionen an weniger als 200 Menschen abgeleitet.

Deshalb sei es schon aus statistischen Gründen schwierig, diese Daten in verschiedene Gruppen zu unterteilen - z. B. Menschen, die fettleibig oder älter sind -, ohne dass sie ihre statistische Aussagekraft verlieren. Mehr Daten in Bezug auf die Auswirkungen von Impfstoffen in verschiedenen Altersgruppen zu bekommen, sei in Zukunft unbedingt erforderlich.

Es gebe erste Anzeichen dafür, dass die drei bisher führenden Impfstoffe Menschen über 65 schützen könnten. Aber es werden wahrscheinlich reale Daten von einer großen Anzahl von geimpften Menschen vorliegen müssen, bevor die Forscher näher unter die Lupe nehmen können, welche demographischen Gruppen geschützt sind und welche eventuell nicht.

Es gebe noch keine Daten darüber, wie der Impfstoff bei Kindern oder Schwangeren wirkt. Solche Untersuchungen werden häufig erst nach denen anderer Personengruppen durchgeführt, um sicherzustellen, dass vorher so viele Sicherheitsdaten wie möglich gesammelt wurden, bevor diese Studien beginnen. Am 2. Dezember 2020 stellten Wissenschaftler der Firma Moderna Pläne vor, dass sie ihren Impfstoff auch bei Kindern testen wollen.

Wie sind die Impfstoffe im Vergleich miteinander zu bewerten?

Alle drei führenden Impfstoffe hätten wahrscheinlich das angestrebte Mindestziel der Erreichung einer Wirksamkeit von 50 Prozent übertroffen, und alle scheinen auf der Grundlage der bisherigen klinischen Studiendaten sicher zu sein. Aber es könnte Unterschiede geben, wie gut sie wirken und unter welchen Bedingungen das der Fall ist. Das könnte den Verlauf der Pandemie prägen.

Die drei führenden Vakzine sind genetische Impfstoffe (siehe oben). Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna basieren auf einer RNA (Ribonukleinsäure), die eingehüllt ist in ein Lipidpartikel, das die RNA in die Zellen einschleust. Dort wird die RNA als Matrix verwendet, um ein virales Protein zu erzeugen, das das Immunsystem als Antigen stimuliert. Der AstraZeneca-Impfstoff verwendet im Unterschied dazu eine DNA (Desoxyribonukleinsäure), die mit Hilfe eines harmlosen Virus, des Vektors, der nichts mit dem Coronavirus zu tun hat, in Zellen eingeschleust wird.

Frühe Daten würden darauf hindeuten, dass der RNA-Ansatz effektiver zur Prävention einer Erkrankung wirken könnte. Aber es gebe subtile Unterschiede in der Immunantwort, die durch jeden unterschiedlichen Ansatz provoziert werden können. Forscher könnten zukünftig feststellen, dass der eine Ansatz bei bestimmten Gruppen von Personen besser funktioniert als der andere, oder dass einer effektiver bei der Eindämmung der Übertragung ist als der andere.

Kosten- und Logistikunterschiede werden aber ebenfalls darüber bestimmen, welcher Impfstoff für welche Region am besten ist. Kurz nach der Bekanntgabe der Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs hätten britische Verantwortliche eingeräumt, dass eine große Herausforderung darin bestehe, den Impfstoff in einzelne Pflegeheime zu bringen, um die Bewohner zu impfen, da der Impfstoff (aus Gründen der Haltbarkeit) bei extrem niedrigen Temperaturen (-70 Grad C) gelagert werden muss.

Die beiden anderen Impfstoffe müssten nicht bei so niedrigen Temperaturen aufbewahrt werden, und der AstraZeneca-Impfstoff sei hinsichtlich der Lagerung wahrscheinlich der einfachste und deshalb billigste Impfstoff. Vergleiche zwischen der Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe seien jedoch wichtig und sollten in Zukunft durchgeführt werden.

Könnte das Virus mutieren, um die durch Impfstoffe erzeugte Immunität zu umgehen?

Einige Viren, wie das schlaue Influenzavirus, seien dafür bekannt, häufig zu mutieren und ständig Teile ihres Genoms zu verändern. Das SARS-CoV-2-Genom scheine jedoch bisher relativ stabil zu sein. Die meisten der Impfstoffe, die entwickelt wurden, einschließlich der drei, die jetzt obenan stehen, zielen auf das Spike-Protein, das das Virus braucht, um in die Zellen hinein zu gelangen. Und Immunreaktionen, die durch diese Impfstoffe ausgelöst werden, würden wahrscheinlich unterschiedliche Teile dieses Proteins ins Visier nehmen.

Das gebe den Forschern eine gewisse Sicherheit, dass das Virus möglicherweise nicht in der Lage ist, die durch die Impfstoffe erreichte Immunität zu umgehen. Aber die jetzt bevorstehenden Massenimpfungen werden zum ersten Mal einen enormen evolutionären Druck auf SARS-CoV-2 ausüben, sich anzupassen und unter jedem Virusstamm diejenigen auswählen, die in der Lage sein könnten, der Immunabwehr zu entkommen. Wie sich das Virus unter diesem selektiven Druck verhält, sei nicht bekannt und müsse abgewartet werden.

Daher müssten die Forscher zukünftig SARS-CoV-2-Isolate auf Anzeichen von Veränderungen überwachen. Eine konsequente und regelmäßige Überwachung mit kontinuierlicher Probenahme und Sequenzierung werde der Schlüssel zur Bewertung möglicher Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und die Entwicklung von Mutationen sein.

Wie werden die Wissenschaftler mit den langfristigen Sicherheitsbedenken umgehen?

Der Impfstoff von Biontech/Pfizer hat erst einige Monaten seiner zweijährigen klinischen Testphase durchlaufen, die abgeschlossen werden muss, bevor er auf dem Markt frei verkauft werden darf.1 Deshalb würden Gesundheitsbeamte, Ärztinnen und Ärzte und Personen, die den Impfstoff erhalten, ganz genau auf bisher noch unbeobachtete Anzeichen von Gefahren und Nebenwirkungen achten. Viele Regierungen hätten bereits Meldesysteme eingerichtet, um Berichte über schwere Symptome nach der Impfung zu sammeln.

Impfstoffe würden streng auf mögliche Nebenwirkungen in klinischen Studien der Phasen I bis III überprüft, die Selbstanzeigen von Teilnehmern und Datensammlungen durch Forschungsärzte kombinieren. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff wird im Abstand von mindestens drei Wochen in zwei Dosen verabreicht. Eine Woche nach jeder Dosis würden die Teilnehmer ihren Gesundheitszustand in einem elektronischen Tagebuch oder einer Smartphone-App notieren. Blut werde am Tag nach jeder Injektion und zusätzlich eine Woche danach abgenommen, um nach Anzeichen zu suchen, die auf eine gefährliche Reaktion hinweisen könnten.

Die klinischen Studien in der Phase III bei dem Biontech/Pfizer-Impfstoff hätten ergeben, dass einige Empfänger Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieber, Müdigkeit, Muskelkater und Kopfschmerzen entwickelten. Diese Symptome hielten in der Regel nur wenige Tage an und seien als nicht schwerwiegend eingeschätzt worden. Aber sie können natürlich Ängste bei den Betroffenen hervorrufen.

Die Zusicherung der Zulassungsbehörde, dass der Impfstoff sicher ist, basiere auf der Überwachung von Hunderten von Patienten für mindestens zwei Monate nach ihrer zweiten Dosis. Bis dahin würden jedoch in der Regel keine schwerwiegenden Komplikationen auftreten.

Nachdem ein Impfstoff zugelassen sei - ob mit vollständiger Zulassung oder nur im Rahmen einer Notfallzulassung, wie das jetzt mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff in Großbritannien erfolgt ist -, werde von den Ärztinnen und Ärzten, die die Patienten betreuen, erwartet, dass sie weiterhin auftretende Nebenwirkungen melden.

Die meisten Länder haben eine Agentur, wie das US Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS), das Berichte über schwerwiegende Symptome sammelt, die beobachtet werden, nachdem Menschen einen Impfstoff erhalten haben. US-Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, solche Symptome zu melden. Für Covid-19-Medikamente und -Impfstoffe hat Großbritannien eine spezielle Coronavirus Yellow Card Reporting Site für diese Datenerhebung eingerichtet.