"Würdest Du Dich gegen Corona impfen lassen?"

Seite 4: 4. Einige Schlussbemerkungen

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Inzwischen hat das große Impfen begonnen (14). Nur wenige Tage nach der Notzulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs in Großbritannien ist am 8.12.2020 die erste Dosis im Rahmen einer Massenimpfkampagne in Coventry verabreicht worden.

In Großbritannien wurden allerdings schon am ersten Tag zwei Fälle von schweren allergischen, anaphylaktischen Reaktionen bei Mitarbeitern des National Health Service (NHS), der staatlichen Gesundheitsbehörde, bekannt, die deshalb behandelt werden mussten (15). Beide Personen hatten Autoinjektoren für Adrenalin zur akuten Behandlung von anaphylaktischen Schocks bei sich, was darauf hinweist, dass bei ihnen schon früher schwere allergische Reaktionen vorgekommen waren.

Deshalb wird von der Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel, die diese Vorfälle untersucht hat, jedem, der geimpft werden soll und in der Vorgeschichte schwere allergische Reaktionen durchgemacht hat, geraten, zuvor mit dem Arzt zu sprechen oder die Impfung erst einmal aufzuschieben.

Empfohlen wird, Menschen mit Lebensmittel-, Impfstoff- oder Medikamentenallergien nicht zu impfen. Und es sollte nur dort geimpft werden, wo es Wiederbelebungs-möglichkeiten gibt. Die NHS hat alle Mitarbeiter angewiesen, Menschen mit Hinweisen auf allergische Reaktionen nicht zu impfen.

Eine Massenimpfung gegen Covid-19 rückt auch in Deutschland in greifbare Nähe. Als verantwortliche Behörde hat das Paul-Ehrlich-Institut inzwischen die Prüfung von mehreren Impfstoffen genehmigt. Zu diesen gehören der schon genannte mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer und der des Pharmaunternehmens CureVac aus Tübingen. Mit der Zulassung wird Anfang 2021 gerechnet.

Von politischer Seite wird versichert, dass die Impfung freiwillig sein soll und eine Impfpflicht ausgeschlossen wird (16). Es sei schon jetzt klar, dass am Anfang nicht für alle impfbereiten Menschen ausreichend viele Impfdosen zur Verfügung stehen werden. Deshalb werde eine Priorisierung nötig werden.

In einem gemeinsamen Positionspapier beschreiben die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts, der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina einen Handlungsrahmen für die anfängliche Priorisierung der Impfmaßnahmen gegen COVID-19 (16, 17).

Prioritär seien diejenigen zu impfen, die bei einer Erkrankung an Covid-19 das höchste Risiko für Tod und schwere Erkrankung aufweisen. Hier seien das Lebensalter und bestehende Vorerkrankungen, auch unabhängig vom Alter, entscheidend, siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 1. In diesem Zusammenhang ist das Ergebnis einer neuen britischen Studie interessant, das mit der Impf-Priorisierung kollidiert, die das Alter als primäres Kriterium setzt (18).

Eine zweite zu priorisierende Gruppe sind nach Ansicht der Experten diejenigen, die die an Covid-19 Erkrankten versorgen und sich dabei selbst einem erhöhten Risiko aussetzen. Dazu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von stationären oder ambulanten Gesundheitseinrichtungen und der Altenpflege (16, 18).

Personen, die für das Gemeinwesen besonders relevante Funktionen erfüllen und nicht ohne Probleme ersetzbar sind, sollen dem Papier zufolge zu einer dritten zu priorisierenden Gruppe gehören. Eine feinere Unterteilung der zu priorisierenden Gruppen werde die STIKO bis Ende des Jahres vorlegen (16).

Einig seien die Expertinnen und Experten und die Politisch-Verantwortlichen darin, dass eine einheitliche, transparente Verteilung unter den Priorisierungsvorgaben nicht auf den Schultern der Hausärztinnen und Hausärzte ruhen könne. Stattdessen seien staatlich mandatierte Impfzentren notwendig. Derzeit werden derartiger Impfzentren vom Bund und den Ländern aufgebaut (16).

Der Beginn der Impfung Anfang 2021, dessen Umfang auch von der Verfügbarkeit von Impfstoffen in Deutschland abhängt, bedeutet aber nicht, dass damit der Pandemie rasch ein Ende gesetzt werden kann. Nach meiner Einschätzung wird es noch bis weit in das Jahr 2021 nötig sein, mit konsequenten Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung die Infektionsrate einzudämmen und auf einem niedrigen Niveau zu halten.

Fazit

1. Die Darstellung zeigt auf, dass noch viele Fragen im Hinblick auf die Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Corona-Impfstoffe ungeklärt sind.

2. Meine Entscheidung, mich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, sobald mir eine Impfung angeboten wird, beruht vor allem auf einer Risikoabwägung. Allein schon aufgrund meines Alters (Jahrgang 1941) gehöre ich zu einer Risikogruppe, bei der im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus eine Letalität (IFR) von etwa 10 Prozent besteht. Im Vergleich dazu schätze ich aufgrund meines derzeitigen Kenntnisstands das Risiko für ernste Nebenwirkungen bei einer Corona-Impfung als gering ein.

3. Ernste Nebenwirkungen sind aber neben vorübergehenden leichten Gesundheitsstörungen und Unverträglichkeitserscheinungen bei einer Impfung niemals ganz auszuschließen, wie uns die oben angeführte Beispiele von anaphylaktischen Reaktionen bei bekannten Allergikern in Großbritannien erneut deutlich vor Augen führen.

4. Deshalb und wegen des verkürzten Zulassungsverfahrens bei den neuen Impfstoffen gegen das Coronavirus müssen die Öffentlichkeit und die Ärzteschaft von Seiten der Hersteller und den Aufsichtsbehörden im Falle des Auftretens von neuen Nebenwirkungen bei der Impfung sofort umfassend und uneingeschränkt informiert werden.

5. Da in den nächsten Monaten aufgrund der Priorisierung voraussichtlich nur Angehörigen von Risikogruppen die Impfung angeboten wird, können sich diese ebenfallls freiwillig für die Teilnahme an einer Impfung entscheiden. Im Falle von Allergien in der Vorgeschichte sollten sie sich unbedingt vorab von einem Arzt oder einer Ärztin ihres Vertrauens beraten lassen.

6. Zweifellos brauchen wir die Impfung, um die Pandemie einzudämmen. Auch wenn durch die Impfung zunächst keine Herdenimmunität erzielt wird, werden sich dadurch wahrscheinlich besonders gefährdete Menschen vor schweren Krankheitsverläufen schützen können.

7. Es ist aber auch wichtig, den Menschen klar zu machen, dass die Maßnahmen gegen das Coronavirus wie z. B. die AHA-Regeln (Abstand halten, Hände-Hygiene und Atemschutz) und möglicherweise auch weitere zeitweilige eingreifende Kontaktbeschränkungen wohl noch bis in den Sommer 2021 hinein notwendig bleiben werden, um die Zahl der Infektionen zu kontrollieren.

Quellen und Links:

1. Kolenda KD. Covid-19: Ein gefährliches Virus. Telepolis 17.4.2020

2. Kolenda KD. Fast alle Organe des Körpers sind betroffen. Telepolis 7.5.2020

3. Kolenda KD. Wie gefährlich ist Covid-19 im Vergleich zur saisonalen Grippe? Telepolis 22.6.2020

4. Kolenda KD. Covid-19: Risikofaktoren weltweit, die bei einer Infektion einen schweren Verlauf verursachen. Telepolis 11.7.2020

5. Kolenda KD. Covid-19: Viel gefährlicher als die saisonale Grippe und am tödlichsten für ältere Männer. Telepolis 8.9.2020

6. Kolenda KD. Neue Daten zur Gefährlichkeit von Covid-19. Telepolis 9.10.2020

7. Kolenda KD. Die zweite Welle ist da: Was ist jetzt zu tun? Telepolis 24.10.2020

8. Rötzer F. Münchner Corona-Antikörper-Studie: Infektionssterblichkeit um ein Vielfaches über der saisonalen Grippeinfektion. Telepolis 6.11.2020

9. Schröder H, et al. Monitor: Vorerkrankungen mit erhöhtem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe. Verbreitung in der Bevölkerung Deutschlands und seinen Regionen.

10. Hohmann-Jeddi C. Adipositas und Covid-19. Zwei Pandemien prallen aufeinander. Pharmazeutische Zeitung 2.12.2020

11. Scheidt M, Kolenda KD. Auch die Raucher sind eine wichtige Risikogruppe. Nachdenkseiten 4.4.2020

12. Zur Entwicklung genetischer Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 - technische Ansätze als Folge verkürzter Prüfphasen. Arzneimittelbrief 2020, 54, 85

13. Ledford H, Cyranowsky D, Van Noorden R. The UK has approved a Covid vaccine - here's what scientists now want to know. Nature 3.12. 2020

14. Neuber H. Das große Impfen hat begonnen. Telepolis 9.12.2020

15. Rötzer F. Unsicherheit über mRNA-impfstoffe. Telepolis 9.12.2020

16. Richter-Kuhlmann E. Covid-19-Impfstoffe: Gerechte und geregelte Zuteilung. Deutsches Ärzteblatt 46/2020

17. Schuster T. Corona-Impfungen: Vorläufige Empfehlungen. Telepolis 9.12.2020

18. Rötzer F. Besonders Covid-19-gefährdet: Beschäftigte im Gesundheitsbereich. Telepolis 9.12.2020

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin- Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Er ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Nikotin-Tabakforschung e.V. (DGNTF) und arbeitet in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. Email: klaus-dieter.kolenda@gmx.de