Zehn Jahre Neue Seidenstraße: China schafft Fakten, der Westen macht Versprechen

Seite 2: Probleme der chinesischen Seidenstraße

Ein Investitionsvolumen wie das der BRI bringt natürlich Konflikte und auch Mitnahmeeffekte mit sich.

Dies gilt für die BRI umso mehr, als die VR China schätzungsweise 84 Prozent ihrer Investitionen in diesem Bereich in Ländern mit mittlerem bis hohem Risiko getätigt hat. Auch lokale Widerstände, z.B. in Pakistan, Myanmar, Kenia und Ghana, haben wiederholt zu erheblichen Verzögerungen oder sogar zum Abbruch von Projekten geführt.

Nicht immer kann Peking die ordnungsgemäße Durchführung der Projekte garantieren. In Malaysia beispielsweise veruntreute der damalige Premierminister Najik Razak 2019 erstaunliche 4,5 Milliarden US-Dollar im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von BRI-Projekten.

In Kenia war es Präsident Uhuru Kenyatta, der nach den gewonnenen Wahlen 2017 das Interesse an den BRI-Projekten in seinem Land verlor, was zu erheblichen Verzögerungen führte.

Die Kritik

Dass China Schuldnerländer erpresst, ist im Westen mittlerweile ein etabliertes Narrativ, an dem seit mindestens fünf Jahren gearbeitet wird.

Allein für die deutsche Wortkombination "China Schulden Seidenstraße" ergibt die Google-Suche 38.400 Treffer, von denen allerdings ein Teil auf das neu hinzugekommene Narrativ entfällt, China sei selbst überschuldet.

Aber selbst der Council on Foreign Relation der USA gibt unumwunden zu, dass Peking im Rahmen der Neuen Seidenstraße bereits fast zehn Milliarden US-Dollar Schulden erlassen hat und Kredite über weitere knapp 100 Milliarden US-Dollar gestundet oder modifiziert wurden bzw. derzeit verhandelt werden.

Zum Vergleich: Deutschland hat im Rahmen der internationalen Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder (HIPC-Initiative) zwischen 1996 und 2021 rund sechs Milliarden Euro Schulden erlassen.

Ein gewichtigerer Kritikpunkt betrifft die – zumindest bisher – eher vernachlässigte ökologische Dimension der Neuen Seidenstraße. Die verständliche Abneigung Pekings, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, führt zu einer Vernachlässigung ökologischer Fragen.

Denn die meisten BRI-Projekte sind in Ländern angesiedelt, in denen es kaum Umweltpolitik gibt. Besonders heftig ist die Kritik von UmweltschützerInnen an den Projekten entlang des Mekong und im Mekong-Delta, die die lokale Biodiversität stark gefährden.

Schwer wiegt auch der Vorwurf, dass Peking der weltweit größte Finanzier von Kohleprojekten im Ausland ist. Zwischen 2014 und 2020 sind rund 160 Milliarden US-Dollar an chinesischer Unterstützung für Kohlekraftwerke außerhalb Chinas geplant oder angekündigt.

Mittlerweile hat Peking das Problem jedoch erkannt und steuert gegen. Es sollen nicht nur keine neuen Kohlekraftwerke mehr geplant werden, auch begonnene Projekte sollen nach Möglichkeit aufgegeben werden.

Der Westen versucht gegenzusteuern

Die EU und die USA versuchen seit einigen Jahren, Großprojekte auf den Weg zu bringen, die vor allem in Asien dringend benötigte Infrastruktur schaffen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern sollen.

Der auf dem G-20-Gipfel in Delhi angekündigte India Middle East Europe Corridor (Imec) ist mindestens das dritte Projekt, das der Neuen Seidenstraße etwas entgegensetzen soll.

Die genannten Finanzvolumina bleiben jedoch um ein Vielfaches hinter dem zurück, was China bereits investiert hat. War im Zusammenhang von Build Back Better, (B3W) noch pauschal von "hunderten Milliarden Dollar" die Rede, wurden für "Global Gateway" deutlich konkretere 300 Mrd. US-Dollar veranschlagt.

Auf dem G-7-Gipfel 2022 in Elmau wurden dann 600 Milliarden gehandelt. Davon sollte allerdings über die Hälfte aus privaten Quellen kommen– durfte streng genommen also gar nicht zugesichert werden. Für den Imec werden übrigens – zumindest bisher – keine konkreten Zahlen genannt.

Da kann es nicht verwundern, dass Imec – wie auch die älteren westlichen Initiativen – bei den meisten Beobachtern auch im Westen vor allem auf Skepsis stößt.

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