Zirkus Gaddafi und der große Sarkozy
Seite 4: Das Ende vom Lied
Zu Anfang der vergangenen Woche schien der Besuch Gaddafis, vor allem aus Sicht der französischen Wirtschaft, höchst lukrative Aussichten zu bringen. Noch konnten die Industrievertreter sich an jenem 10. Dezember, beim gemeinsamen Kukus-Essen mit Gaddafi im Elysée-Palast, die Lippen lecken. Doch dann kam es ein bisschen anders: Im Laufe seines Besuchs ließ Gaddafi nicht so viel Geld in Frankreich liegen, wie erwartet worden war. Von Verträgen in Höhe von zehn Milliarden Euro war noch am Dienstag die Rede gewesen.
Aber gegen Ende voriger Woche wurde die Rechnung nach unten korrigiert, denn in vielen Bereichen ging Gaddafi keine konkreten Verpflichtungen ein, oder zumindest keine neuen. 'Fragen über die Vertrage zwischen Frankreich und Libyen" warf etwa 'Le Monde' in ihrer Samstagsausagabe auf.
Viele der abgeschlossenen oder anvisierten Verträge enthalten entweder keine neuen Abmachungen, sondern bilden nur die feierliche Umsetzung schon früher geschlossener Vereinbarungen – oder aber haben nur die Eröffnung von noch zu führenden Verhandlungen zum Gegenstand. Bei der französischen Rüstungsindustrie schloss Gaddafi etwa ein Rahmenabkommen, dem zufolge Gespräche mit dem Flugzeugbauer Dassault über den Kauf von Kampfflugzeugen der Marke Rafale (der Name bedeutet so viel wie 'Windstoß' oder auch 'Schusssalve') eröffnet und bis zum 1. Juli 2008 zum Abschluss gebracht werden sollen.
Dies teilte Dassault-Generaldirektor Charles Edelstenne am Donnerstag mit. Präziser sind hingegen die Vereinbarungen mit EADS. Den Kauf von 21 Airbus-Flugzeugen durch Libyen im Gesamt wert von 2,2 Milliarden Euro sehen diese zwar vor. Doch handelt es sich dabei nur um die Bestätigung eines Auftrags, den der erdölreiche und bewohnerarme nordafrikanische Wüstenstaat bereits am 20. Juni dieses Jahres, anlässlich der jährlichen Luftfahrtmesse im Pariser Vorort Le Bourget, erteilt hatte.
Warten auf den Bau eines Atomkraftwerks
Nur bei den drei Verträgen, die bei Gaddafis jüngster Visite mit dem Atomkonzern Areva abgeschlossen worden sind, handelt es sich tatsächlich um neue Vereinbarungen. Allerdings geht es hier, im Augenblick, noch einzig und allein um Investitionen zur Verbesserung des libyschen Stromnetzes, drei Aufträge in Höhe von 300 Millionen Euro. Den Auftrag zum Bau eines Atomkraftwerks in Libyen, und präziser über den Verkauf des neuen Reaktortyps "der dritten Generation" EPR (Europäischer Schwerwasserreaktor), möchte die französische Nuklearindustrie zwar auch noch einstreichen. Aber auf diesem Gebiet liegt die Initiative im Moment noch "bei den Politikern", wie die Areva-Spitze betont, das heißt: Die konkrete wirtschaftliche Umsetzung des Geschäfts ist noch nicht in einem unterschriftsreifen Stadium.
Die Inbetriebnahme eines solchen Reaktors in Libyen wird erst für die Jahre 2020 bis 2025 erwartet. Nicht zuletzt sind Teile der Areva-Direkton anscheinend der Auffassung, ein solcher Nukleardeal mit dem nordafrikanischen Staat verderbe das Image ihres Konzern, und man möge lieber die Expansion im Atomgeschäft nach China (Ende November vereinbart) und in die USA (geplant) bevorzugt vorantreiben. Dennoch sind zugleich Vorverhandlungen auch mit Gaddafis Staat am Laufen; so besuchte ein Areva-Team im Mai 2007 die libysche Hauptstadt Tripolis, um dort Pläne für den EPR vorzustellen.
Wer den (scheinbaren) Schaden hat, braucht – wie üblich – für den Spott nicht zu sorgen. In der bitterbösen, satirischen Polit-Puppensendung des französischen Fernsehsenders Canal +, 'Les Guignols de l'info', war das Veräppeln der Auftritte Nicolas Sarkozys an der Seite Gaddafis vergangene Woche täglich ausführlichst Thema. An einem der letzten Abende konnte man die Puppe Sarkozys mit blauen Flecken im Gesicht sehen: Hinterlassenschaften der Fußspuren, die Gaddafi hinterlassen habe, als er ihm über das Gesicht gelaufen sei. "Für zehn Milliarden Euro!" meint Sarkozy. Hintergrundkommentar einer Stimme im Off: "300 Millionen sind es geworden." Worauf die Sarkozypuppe nur noch mit fast Mitleid erregender Miene zu erwidern hat: "300 Millionen, das ist doch nicht schlecht, 300 Millionen Euro..." Am folgenden Tag lacht sich eine Puppe Jacques Chiracs über dessen Amtsnachfolger kaputt, und erzählt ihre Witze über "den Zwerg" (Sarkozy) und seine Abenteuer mit Gaddafi: "Wie sagt man '10 Milliarden' auf libysch? Antwort: '300 Millionen.' Haha. Hahaha..."