Zirkus Gaddafi und der große Sarkozy

Seite 3: Neocons attackieren Sarkozys neue "Realpolitik"

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Das kennzeichnende Merkmal der neokonservativen Strömung ist, dass sie die demokratische innere Verfasstheit der wichtigsten westlichen Staaten als Argument in Anschlag bringt, um eine ungehemmte Machtentfaltung weltweit und eine offensive, aggressive Außenpolitik einzufordern. Dabei berufen sie sich auf den tatsächlichen autoritären Charakter vieler Regimes, die – in ihren Augen – den westlichen Staaten im Wege stehen: Diese setzen ihren Herrschaftsanspruch im Inneren oft mit einem westlich höheren Ausmaß an Repression und offener Unterdrückung durch als die Regierenden in westlichen Ländern.

Unter anderem vor dem Hintergrund, dass in ihren ärmeren Staaten in weit geringerem Maße soziale Stabilität und ein gesellschaftlicher Grundkonsens vorherrschen als in den reichen Ländern des Westens. Deshalb setzen die dortigen Machthaber sich oftmals mit manifesten Unterdrückungsmaßnahmen – oder ihrer Androhung - durch Einschüchterung und polizeistaatliche Mittel statt Konsensbildung und Medienmanipulation, gegen Widersacher oder Opponenten durch.

Die Neokonservativen zeichnen sich dadurch aus, dass sie diese (realen) Unterschiede in der inneren Verfasstheit zwischen den führenden westlichen Mächten einerseits und autoritär regierten Staaten der "Dritten Welt" - unter anderem im arabischen Raum – isolieren und ausschließlich betonen. Zugleich aber blenden sie die bestehenden Ungleichheiten in den weltweiten Wirtschaftsstrukturen, die Gründe für die Armut vieler Länder und die Eigeninteressen der westlichen Großmächte auf internationaler Ebene vollkommen aus. Jedenfalls in ihrer öffentlich vorgetragenen Argumentation.

Daraus resultiert ein "Missionarismus" für die Weiterverbreitung der Demokratie nach westlichem Muster mittels Waffengewalt: Das demokratische Argument, oder Alibi, begründet dabei einen neu aufgelegten Kalte-Kriegs-Diskurs, der sich freilich eher gegen den Süden als gegen den Osten richtet. Auch wenn Russland und China bzw. deren notwendige "Eindämmung" ebenfalls Gegenstände des neokonservativen Diskurses sein können.

Üblicherweise halten die Neokonservativen ansonsten den Staat Israel sehr hoch, wobei sie betonen, es handele sich um die "einzige Demokratie" in seinem geographischen Umfeld. Dabei streichen sie die zutreffende Tatsache heraus, dass in Israel ausgeprägt demokratische Verhältnisse (bei gleichzeitiger starker Stellung der Armee in Politik und Gesellschaft) herrschen, kehren aber gern unter den Teppich, dass der Staat auch eine Besatzungsmacht ist und gegenüber Nachbarländern wie dem Libanon aggressiv auftritt.

Dieser durch die "Herstellung demokratischer Verhältnisse" und "die Erzwingung des Respekts der Menschenrechte" gerechtfertige Kalte-Kriegs-Diskurs wird oft auch von früheren Linken, zu denen einige der neokonservativen Ideologen zählen, getragen. Allerdings fällt die reale Bilanz der Neocon-Politik, unter dem Aspekt der Demokratisierung, vernichtend aus: Ein Blick auf die Situation im Irak genügt.

In den politischen Eliten führender westlicher Mächte, allen voran der USA, liegen die überzeugten neokonservativen Hardliner im ständigen Clinch mit den außenpolitischen "Realisten". Letztere sind davon überzeugt, dass sich eine Einmischung in die Angelegenheit anderer Länder dann viel erfolgreicher gestaltet, wenn man dort Freunde, Verbündete oder zumindest berechenbare Ansprechpartner unter den amtierenden, real existierenden Regimes gewinnt.

Dies erscheint ihnen aussichtsreicher, als zu versuchen, die Verhältnisse in diesen Ländern von außen und von oben umzuwälzen, auf dass sie dem eigenen Vorbild ähneln mögen. Diese "Realpolitik" kann ihrerseits im Umgang mit repressiven ja mörderischen, aber in ihrem Handeln "kalkulierbaren" Regimes ausgesprochen zynisch sein. Normalerweise oszilliert die Außenpolitik einer westlichen Großmacht wie der USA ständig zwischen diesen beiden Polen – dem militärisch abgestützten Interventionismus, und der auf möglichst gute Beziehungen zu bestimmten Autokraten gestützten "Realpolitik" – hin und her.

Die US-Politik gegenüber dem Iran ist dafür ein gutes Beispiel, wobei die Beziehungen unter der autoritären und pro-westlichen Diktatur des Schah ausgeprägt gut waren, unter dem autoritären und teilweise anti-westlichen Regime der Islamischen Republik jedoch wechselhaft ausfallen. Der jüngst veröffentlichte US-Geheimdienstbericht, der die zuvor beschworene "Bedrohung durch die iranische Atombombe" doch erheblich relativiert, widerspiegelt dabei eine der Wortmeldungen der "Realisten" – die ihren Widersachern eine abenteurlichen Kurs vorwerfen, der in einen Krieg mit unabsehbaren Konsequenzen führen könnte, während man doch in Teilbereichen gemeinsame Interessen (etwa die Entwicklung im besetzen Irak betreffend) mit dem Regime in Teheran definieren könne.

Die Frage, die nun aktuell aufgeworfen wird, lautet, ob nicht Nicolas Sarkozy von einem Lager ins andere, jenes der "Realisten", übergeschwenkt sei. Eine nähere Untersuchung beweist jedoch, dass die Dinge bei weitem nicht so einfach liegen, als dass sie sich als einfacher Seitenwechsel entlang einer Trennlinie "Neocons versus Realisten" darstellen ließe. Ein solcher Lagerwechsel wird Präsident Sarkozy nun aber von verschiedener Seite zum Vorwurf gemacht.

"Verrat" an neokonservativen Idealen?

Im jüngsten Falle des französischen Streits um den Gaddafi-Besuch meldeten sich ebenfalls Wortführer aus der neokonservativen Ecke, neben linken und zentrumsdemokratischen Kritikern, zu Wort. So zeigten sich jene ehemals linken Intellektuellen, die in den 70er Jahren oft maoistische Schreihälse waren, später nach rechts abdrifteten und die zu den lautesten Befürwortern der Wahl Nicolas Sarkozys zählten – wie André Glucksmann, Pascal Bruckner oder, etwas verdruckst, Alain Finkielkraut – bestürzt über den Empfang für Gaddafi.

Sarkozy hielten sie zunächst für einen der Ihren, nachdem er im Wahlkampf sehr kritische Worte für die Praktiken von Russlands Präsident Wladimir Putin gefunden hatte. Zudem hatte der damalige konservative Innenminister im Juli 2006 den damaligen Libanonfeldzug der israelischen Armee lautstark befürwortet.

Der Höhepunkt dieser Liaison mit den französischen Anhängern der Neocons war erreicht, als der konservative Kandidat am Abend seiner Wahl (dem 6. Mai 2007) ganz in Manier der "Demokratie-Missionare" wortstarke Formulierungen in seine Ansprache packte. So behauptete Sarkozy in seiner Rede, Frankreich stehe "an der Seite der Unterdrückten überall in der Welt", da es dies seiner Tradition schulde.

Konkret sprach Sarkozy damals vor allem davon, die in Libyen festgehaltenen bulgarischen Krankenschwestern müssten endlich freikommen, daraus werde er eine Priorität seiner künftigen Politik machen. Dies schien eines der Elemente einer "menschenrechtsorientierten", autoritären Regimes gegenüber kompromisslos auftretenden Außenpolitik zu sein. Heute weiß man, dass die Anspielung auf die Situation dieser faktischen Geiseln in libyscher Haft keineswegs einem besonderen demokratischen Übermut, einer moralischen Empörung über eine besondere Ungerechtigkeit geschuldet war.

Vielmehr gehorchte es einer völlig pragmatischen Erwägung, dass Sarkozy gerade das Schicksal dieser Gefangenen in Libyen thematisierte: Claude Guéant, Sarkozys langjähriger "rechter Arm" im Innenministerium r(den er nach seiner Wahl zum Generalsekretär des Präsidentenamts erhob) hatte seit 2005 enge persönliche Bindungen zum libyschen Geheimdienstchef Moussa Koussa geknüpft. Dies enthüllte 'Libération' im Sommer dieses Jahres, anlässlich der "Krankenschwestern-Affäre". Guéant, der im Juli selbst einige Tage vor Nicolas Sarkozy nach Tripolis flog, konnte so im Hintergrund wirken: Hinter den Kulissen konnte er in aller Ruhe die, finanziellen und politischen, Bedingungen für die Freilassung der Krankenschwestern durch Gaddafi aushandeln. Inzwischen wird gemunkelt, der symbolträchtige, fünftägige Empfang für Gaddafi in Paris sei damals Teil des Verhandlungspakets gewesen.

Die Neokonservativen sehen sich unterdessen betrogen und getäuscht. In einem Gastbeitrag für die Pariser Abendzeitung 'Le Monde' vom vergangenen Donnerstag unter dem Titel "Der Ehrverlust" (Le déshonneur) empörte sich Pascal Bruckner über den Staatsbesuch aus Libyen. Bruckner ist einer der rechtsgewendeten ex-marxistischen Intellektuellen, die sich von der Neocon-Ideologie fasziniert zeigen und mit ihrer eigenen früheren Ideen, die im Zeichen des Antikolonialismus und Antiimperialismus standen, radikal abgebrochen haben. Bruckner hat diesen Bruch 1983 mit seinem Buch 'Le sanglot de l'homme' (deutsch 1984: "Das Schluchzen des weißen Mannes") vollzogen. Darin rechnet er scharf mit jenen ab, die einstmals die Entkolonialisierung als emanzipatorischen Impuls betrachteten, während sie in Wirklichkeit nur in die Barbarei geführt habe.

Unter Bezugnahme auf ein stark ideologisch aufgeladenes Begriffsreservoir, etwa unter Rückgriff auf das ziemlich abgegriffene Gegensatzpaar von "Zivilisation" und "Barbarei" – alias Licht und Dunkelheit – schreibt Pascal Bruckner nun in 'Le Monde':

Es sollte die Erlösung des Barbaren, der in die Ränge der Zivilisation zurückkehrt, werden. Es wurde das Gegenteil: Der Barbar, voller Hochmut, hat uns eine Moralpredigt gehalten. Nicht zufrieden damit, Frankreich zu beleidigen, indem er mit dem Finger auf alle Verfehlungen gegenüber dem Recht zeigte – er, der alle Rechte verletzt -, hat der Oberst Gaddafi keinen einzigen Ausdruck des Bedauerns erkennen lassen. (…) Gaddafi , der Paria der internationalen Gemeinschaft, hätte auch als solcher behandelt werden, mit der Pinzette angefasst werden müssen, wie ein Krimineller unter Aufsicht.

Auch hier fällt – spiegelbildlich zur Argumentation, mit welcher die Regierung den Empfang für Gaddafi rechtfertigt – auf, dass Pascal Bruckner in seiner Kritik an ihr nicht auf jene, die tatsächlich durch die libysche Staatsmacht unterdrückt werden, abstellt. Vielmehr skandalisiert er vor allem, dass "Frankreich", dass Wir vom libyschen Diktator "beleidigt" werden. Über die Immigranten in libyschen Haftanstalten oder die Gewalt gegenüber libyschen Oppositionellen: kein Wort. Desweiteren nimmt Bruckner eine höchst fragwürdige Vermischung zwischen unterschiedlichen politischen Repräsentanten, die ihm bzw. dem Westen aus ziemlich unterschiedlichen Gründen nicht genehm sind, vor:

Ah, wie schön er ist, der "Bruch" (Anm.: den Sarkozy mit den Vorgängerregierungen unter Jacques Chirac versprochen hatte). Wir hatten schon den erniedrigenden Besuch beim antisemitischen Regime Bouteflikas, den enthusiastischen Telefonanruf beim Autokraten Putin, die Einladung des Hanswurstes Chavez nach Paris. Wann wird der Rote Teppich für Herrn Ahmedinedschad ausgerollt?

Großer Eintopf

Auf diese Weise wirft Bruckner unterschiedliche Ereignisse und politische Figuren in einen Topf, die in Wirklichkeit nicht zusammen gehören.

Das erste Satzglied spielt auf den jüngsten Besuch Nicolas Sarkozys in Algerien an, vom 3. bis 5. Dezember dieses Jahres dauerte und dessen herausragendes Ereignis der Abschluss von Wirtschaftsverträgen in Höhe von fünf Milliarden Euro darstellte. In dessen Vorfeld hatte in Algier der nationalistische Minister für die Veteranen, Mohammed Cherif Abbès, in der letzten Novemberwoche tatsächlich Übelkeit erregende Sprüche geklopft: Er wies auf die angebliche "jüdische Herkunft" Nicolas Sarkozys (die sich auf einen Großvater, der zum christlichen Glauben übertrat, beschränkt) hin, welcher der französische Präsident seine Wahl verdankte, und behauptete: "Die jüdische Lobby hat in Frankreich ein Monopol auf die Industrie."

Diese Sprüche riefen in Frankreich breite Kritik hervor, trafen aber auch in Algerien auf ein kritisches Echo, wobei die Reaktionen der Presse geteilt waren. Dessen Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika rief aber seinen Minister in den Tagen vor dem Besuch Nicolas Sarkozys zur Ordnung und betonte, dessen Auslassungen entsprächen "nicht unseren Wertvorstellungen". Im übrigen wird vermutet, dass der Minister - der zur "Nationalen Demokratischen Sammlung" (RND) zählt, während Bouteflika und die Mehrheit der Regierung unterdessen der früheren Einheitspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) angehören – seine Sprüche aus taktischen Gründen abließ, um Bouteflika gegenüber Frankreich in Schwierigkeiten zu stürzen.

Es gibt in Algerien zwar einen Resonanzboden für judenfeindliche Positionen in Teilbereichen der Gesellschaft, wenngleich nicht in mit Europa im frühen 20. Jahrhundert vergleichbarem Maße. Aber, wie Bruckner, pauschal von "dem antisemitischen Regime Bouteflikas" zu sprechen, ist in jedem Falle purer Unfug.

Nicolas Sarkozys Besuch in Algerien war auch keineswegs "erniedrigend" für dessen eigenes Land: Der französische Präsident musste sich vielmehr zum Teil (gar zu berechtigte) Kritik über seine seit dem Wahlkampf ständig wiederholte Weigerung, "Reue" über die Verbrechen der französischen Kolonialgeschichte an den Tag zu legen, anhören. Da Sarkozy aber gleichzeitig mächtigen wirtschaftlichen Interessen seines Landes in der ehemaligen nordafrikanischen Kolonie den Weg zu ebnen versucht, bot er in Ansprachen in Algier und Constantine nun eine neue Kompromissformel an: Er bezeichnete das Kolonialsystem als "grundlegend ungerecht", hielt aber zugleich an seiner im Wahlkampf vor Pieds Noirs (früheren Algerienfranzosen) getätigten Aussage fest, die Mehrheit der früher in der Kolonie siedelnden Franzosen seien "gutgläubig" und aufrecht von ihrer zivilisatorischen Mission überzeugt gewesen.

Die algerischen Massen waren zwar von Sarkozys Formulierungskünsten nicht überzeugt, und die Atmosphäre, die ihm auf den dortigen Straßen entgegen schlug, war eher kühl. Erst recht verglichen mit dem berühmten Besuch seines Amtsvorgängers Chirac in Algier und Oran von Anfang März 2003, wenige Tage vor Ausbruch des Irakkriegs, als Abertausende Menschen skandierten: "Chirac, Irak!", gefolgt vom Slogan: "Visa, Visa…" Aber die wirtschaftlichen und politischen "Entscheidungsträger" zeigten sich gegenüber Abkommen mit der früheren Kolonialmacht wohlgesonnen.

Dass Nicolas Sarkozy dem russischen, teilautoritären Präsidenten Wladimir Putin kurz nach den – von vielen Beobachtern angezweifelten – Ergebnissen der russischen Parlamentswahl vom 2. Dezember telephonisch gratulierte, ist richtig. Dies ist vielfach kritisiert worden, da die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wesentlich kritischere Worte für den russischen Machthaber fand.

Allerdings ist die Interessenlage beider Nationen im Osten Europas auch unterschiedlich: Während Deutschland vielfältige Wirtschaftsinteressen in den ost- und südosteuropäischen Nachbarstaaten Russlands aufweist, die sich über das Rumoren des russischen "Bären" mitunter besorgt zeigen, wittert Sarkozy in Wladimir Putin und seinem Regime eine starke "Ordnungsmacht". Sowohl manche bürgerliche Demokraten als auch militante Neokonservative in Frankreich sehen seitdem allerdings in Merkel eine authentischere Verkörperung demokratischer Werte, als in Sarkozy. Nachdem sie in Letzterem zunächst einen der Ihren zu entdecken glaubten, erblicken sei nun in ihm einen Verräter an ihren Idealen.

Realpolitik mit Chavez

Was den Venezolaner Hugo Chavez betrifft, so hat Nicolas Sarkozy ihn tatsächlich vor wenigen Wochen nach Paris eingeladen. Das Hauptmotiv dafür lag darin, dass Sarkozy sich mit allen Mitteln als Befreier der seit 2002 durch die kolumbianische Guerilla (FARC) festgehaltenen Franko-Kolumbianerin Ingrid Betancourt aufschwingen möchte – nachdem er im Juli schon als Befreier der bulgarischen Krankenschwestern in Libyen auftreten konnte.

Chavez aber war zeitweise durch den Präsidenten Kolumbiens, Uribe, als Vermittler gegenüber der FARC-Guerilla beauftragt worden. Inzwischen wurde ihm diese Funktion freilich durch seinen kolumbianischen Amtskollegen wieder entzogen. Es war aber die (vermeintliche) Aussicht darauf, von den Vermittlungsbemühungen des venezolanischen Präsidenten politisch mit profitieren zu können, die Nicolas Sarkozy bei seinem Empfang für Hugo Chavez antrieb.

Ansonsten gilt: Sei es, wie es sei, bestimmt hat Chavez regierungsamtlicher Populismus so manche Kritik verdient und stößt in seinen (durch die Öleinnahmen finanzierten) Umverteilungsaspekten an seine Grenzen. Doch einen Linkspopulisten wie Chavez mit den Präsidenten von Folterregimen wie Adhmedinedschad oder Gaddafi in einen Topf zu werfen, ist eine miese Tour – derer nur ein neokonservativer Ideologe fähig ist, für den die bürgerlich-wirtschaftsliberale Demokratie à la USA schlichtweg den Maßstab aller Dinge bildet.

Nicht nur ein französischer Neocon wie Pascal Bruckner, auch die sozialdemokratische Tageszeitung 'Libération' zog inzwischen ähnliche Parallelen. Um Kritik an Nicolas Sarkozy zu üben, rückte sie diesen vor eine Liste seiner sechs "neuen Freunde". Die Liste versammelt Hugo Chavez, Wladimir Putin, Muammar Gaddafi, Chinas starken Mann Hu Jintao (nachdem Sarkozy Ende November auch in Peking Wirtschaftsverträge über 20 Milliarden aushandelte) sowie den tschadischen Präsidenten Idriss Déby und das syrische Staatsoberhaupt Baschar al-Assad – mit den beiden Letztgenannten führte Nicolas Sarkozy jüngst diplomatische Verhandlungen.

Den Abstand zwischen neokonservativ klingender Wirklichkeit und Sarkozys "Realpolitik” an der Spitze des Staates kann man sich dadurch vielleicht aufzeigen; mancher hehre Anspruch, der erhoben worden war, lässt sich vielleicht ad absurdum führen. Eine politische Analyse ist dies gleichwohl nicht.