Zuckerfalle für Kinder: Wie viel ist noch gesund?
Manche Eltern wachen streng über den Zuckerkonsum ihrer Kinder. Sie können sich auf medizinische Studien berufen. Andere sehen darin übergriffige Bevormundung.
Ältere Menschen, die in der Nachkriegszeit Mangel erlebt haben, meinen es in der Regel nett – gesundheitsbewusste Eltern finden es teilweise übergriffig: "Hört auf, meinem Kind ungefragt Süßigkeiten in die Hand zu drücken", schrieb unlängst eine Autorin des Portals familie.de.
Dass Kinder keine Schokolade von fremden Menschen annehmen sollen, wenn ihre Eltern nicht dabei sind, ist ein alter Hut. Wer sich – vor allem als Mann – nicht verdächtig machen will, wird unbegleiteten Kindern auch keine anbieten. Gesellschaftlich akzeptierter ist folgende Situation:
Es gab ein Familienessen in einem Lokal, das eigene Kind ist natürlich auch mit dabei. Beim Verlassen des Restaurants kommt dann plötzlich ein Angestellter oder eine Angestellte und drückt dem Kleinkind, in Erwartung eines Lächelns zum Austausch, einfach einen Lutscher oder ein paar Bonbons in die Hand.
Katja Gajek, familie.de
Versteckte Suchtgefahr: Zucker in Fertigprodukten
Oder es ist die Großmutter, die mit Süßigkeiten winkt – und so ihre Tochter in die Zwickmühle bringt, entweder mal kurz die eigenen Prinzipien zu vergessen oder vor dem Enkelkind als Spielverderberin dazustehen. Schließlich kann Zucker süchtig machen.
Da er sich auch in vielen Fertiggerichten und anderen Lebensmitteln "versteckt", die gar nicht als Süßigkeiten firmieren, ist es oft gar keine bewusste Entscheidung, Zucker zu konsumieren – da muss schon das Kleingedruckte auf der Zutatenliste studiert werden.
Tipps zur Entwöhnung von Zucker: Omas müssen mitspielen
Die Zeitschrift Eltern hat vor einiger Zeit Tipps zusammengestellt, um Kinder nachhaltig vom Zuckerkonsum entwöhnt werden könnten: "Schraubt die tägliche Zucker-Dosis in kleinen Schritten runter: Statt einem Glas Saft gibt es Schorle, auf die Pfannkuchen kommt kein gezuckertes Apfelmus mehr, sondern Apfelmark", heißt es da unter anderem.
An erster Stelle steht allerdings, dass alle Angehörigen und Freunde mit "ins Boot" geholt werden müssten, sonst werde bei Oma vielleicht "eine Süßigkeit nach der anderen aufgetischt" – und es sei "absolut kontraproduktiv, wenn eure neu aufgestellten Ernährungsregeln so untergraben werden".
Umstritten: Der Anti-Zucker-Plan des grünen Agrarministers
Die Meinungen über Eltern, die den Zuckerkonsum ihrer Kinder konsequent einschränken, gehen weit auseinander. Dass Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir (Grüne) will den Anteil von Zucker, Salz und Fett in vielen Lebensmitteln reduzieren will, ist sogar zum Kulturkampf-Thema geworden.
"Dieser Kampf gegen den Zucker ist ein Kampf gegen den Markt", kommentierte Anfang November das Magazin Cicero. "Als ob die Konsumenten darüber nicht selbst entscheiden könnten."
Unter anderem will Özdemir an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt einschränken. Ein Werbeverbot wäre unter anderem der FDP zu weit gegangen. Manche Eltern wären sicherlich froh darüber; ein entsprechender Gesetzentwurf wurde nach anhaltender Kritik zumindest abgeschwächt.
Weniger Zucker senkt Risiko für Diabetes und Bluthochdruck
Doch eine Studie aus den USA hat kürzlich den "Spaßbremsen" wieder gute Argumente geliefert, den Zuckerkonsum ihrer Kinder einzuschränken. Auch Schwangere sollten demnach entsprechenden Heißhungerattacken widerstehen.
Denn bei Kindern, die in ihren ersten 1.000 Lebenstagen – also während der Schwangerschaft und in den ersten beiden Jahren danach – weniger Zucker ausgesetzt sind, sinkt laut Studienergebnis das Risiko, später an Diabetes Typ 2, Bluthochdruck oder Adipositas zu erkranken.
Aufschlussreiche Gesundheitsdaten aus der Nachkriegszeit
Dafür waren Daten aus der Nachkriegszeit in Großbritannien ausgewertet worden. Die Rationierung von Zucker war dort erst 1953 beendet worden.
Zuvor war der Zuckerkonsum auf 40 Gramm pro Tag für Erwachsene begrenzt, für Kinder waren bis zu 15 Gramm erlaubt, während für Kleinkinder unter zwei Jahren gar kein Zucker vorgesehen war. Bei Erwachsenen entsprach die Menge in etwa der aktuellen Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von höchstens 50 Gramm Zucker pro Tag.
Für die aktuelle Studie wurden nun Gesundheitsdaten von mehr als 60.000 Menschen ausgewertet, die zwischen Oktober 1951 und März 1956 in Großbritannien geboren worden waren.
Zuckerkonsum: Das sagen Kinderärzte und die WHO
Laut Studienergebnis sank das Risiko, später an Diabetes zu erkranken, durch die Rationierung um rund 35 Prozent, das Risiko für Bluthochdruck um 20 Prozent. Der Ausbruch dieser Krankheiten verzögerte sich jeweils um bis zu vier beziehungsweise zwei Jahre.
Nach Empfehlungen der WHO sollten Kinder unter drei Jahren maximal 12,5 bis 25 Gramm Zucker pro Tag konsumieren. Der Berufsverband für Kinder- und Jugendärzte nennt 25 Gramm Zucker pro Tag als Obergrenze für Kinder. Das sind knapp sechs kleine Teelöffel.