Zur Sicherheit der fünf zugelassenen Covid-19-Impfstoffe
Seite 3: Nebenwirkungen und AESI bei Kindern und Jugendlichen
- Zur Sicherheit der fünf zugelassenen Covid-19-Impfstoffe
- Übersicht über die Zahl der Impfungen und der Meldeergebnisse von Nebenwirkungen
- Nebenwirkungen und AESI bei Kindern und Jugendlichen
- Observed-versus-Expected (OvE)-Analysen ausgewählter unerwünschter Reaktionen
- Schlussfolgerungen
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Dem PEI sind seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 insgesamt 5.911 Verdachtsfälle einer Nebenwirkung bzw. Impfkomplikation gemeldet worden, in denen bei Kindern (5- 11Jahre) und Jugendlichen (12- 17Jahre) nach Impfung mit Covid-19-Impfstoffen mindestens eine Impfreaktion berichtet worden ist.
Comirnaty ist ab einem Alter von 5 Jahren und Spikevax ab einem Alter von 6 Jahren zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt bei Kindern und Jugendlichen vorzugsweise die Impfung mit Comirnaty. Somit ist Comirnaty auch der bei Weitem am häufigsten verwandle Impfstoff für diese Altersgruppen. Die Tab. 3 (siehe S. 10) zeigt aber, dass in Einzelfällen auch bei der Impfung mit anderen Vakzinen Verdachtsfallmeldungen erfolgt sind.
In Abb. 4 (siehe S. 11) sind die Melderaten pro 100.000 Impfungen für schwerwiegende Nebenwirkungen und AESI nach Comirnaty bei Jugendlichen bzw. Kindern aufgeführt.
Mit weitem Abstand am häufigsten sind folgende Verdachtsfallmeldungen bei Kindern und Jugendlichen: Myokarditis (Jugendliche: 3,1/ Kinder: 0), Atemnot (2,8/ 0,4), Synkope (2,0/ 0,8), Arrythmie (1,5/ 0,3), Krampfanfall (0,8/ 0,3), Gesichtslähmung (0,5/ 0,1) und Thrombozytopenie (0,3/ 0,1).
Die Melderaten lagen bei einer Reihe von weiteren möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen wie zerebrale Sinusvenenthrombose, Erythema multiforme, anaphylaktischer Schock, Guillain-Barre'-Syndrom, Multisystem-Entzündungs-Syndrom bei Kindern, Lungenembolie, Perikarditis, tiefe Beinvenenthrombose, Purpura Schönlein-Henoch, Atemstörung und Verlust des Bewusstseins in der zuletzt genannten Größenordnung von deutlich weniger als 0,5 Verdachtsfallmeldungen pro 100.000 Impfungen.
Diese Meldungen sind somit in der Häufigkeitskategorie "sehr selten" einzuordnen, lagen aber bei allen aufgeführten AESI nicht bei "Null", wie man angesichts der behandelten Gruppe (Kinder und Jugendliche), gehofft hätte.
Übersicht über ausgewählte Nebenwirkungen/Impfkomplikationen und deren Häufigkeit nach Covid-19-Impfstoffen (siehe Tab. 4, S. 12/13)
- Überempfindlichkeitsreaktion, Angioödem, Gesichtsschwellung: allergische Reaktion; bei allen Impfstoffen möglich; Häufigkeit: gelegentlich
- Anaphylaxie: bei allen Impfstoffen möglich (siehe unten); Häufigkeit: sehr selten
- Erythema multiforme: bei Comirnaty, Spikevax; Häufigkeit: unbekannt; Einzelfälle
- Leukozytoplastische Vaskulitis: bei Jcovden; Häufigkeit: unbekannt; Einzelfälle
- Myo- Perikarditis: bei Comirnaty und Spikevax; Häufigkeit: sehr selten; zahlenmäßig häufiger bei jungen Männern nach der 2. und weniger häufig nach der 3. Impfdosis (siehe unten)
- Fazialisparese: bei Comirnaty, Spikevax, Vaxzevria; Häufigkeit: selten; bei mRNA-Impfstoffen wenige Fälle in den Phase-III-Zulassungsstudien, bei Vaxzevria Einzelfallberichte nach der Zulassung
- Zerebrale venöse Thrombose, Sinusvenenthrombose: bei Vaxzevria; Häufigkeit: sehr selten
- Venöse Thrombosen: bei Jcovden; Häufigkeit: selten
- Guillain-Barré-Syndrom: bei Vaxzevria, Jcovden; Häufigkeit: sehr selten
- Transverse Myelitis: bei Vaxzevria, Jcovden; Häufigkeit: unbekannt; Einzelfallberichte nach der Zulassung
- Immunthrombozytopenie: bei Vaxzevria, Jcovden, durch Autoantikörper gegen Thrombozyten; Häufigkeit: unbekannt
- Tinnitus: bei Jcovren; Häufigkeit: selten
- Schwellung des Gesichtes: bei Comirnaty, Spikevax; Häufigkeit: unbekannt; bei Personen mit Anamnese mit dermatologischen Füllstoffen
- Schub bei Capillary-Leak-Syndrom (CLS): bei Spikevax; Häufigkeit: unbekannt; sehr wenige Einzelfallberichte bei CLS-Patienten, bisher kein Todesfall; offenbar seltener und weniger schwerwiegend als Schub der Erkrankung in der Folge einer Sars-CoV-2-Infektion
- Capillary-Leck-Syndrom: bei Vaxzevria, Jcovden; Häufigkeit: unbekannt; sehr selten Berichte eines CLS, auch bei Patienten mit bekanntem CLS; Kontraindikation bei bekanntem CLS
- Parästhesie, Hypoästhesie: bei Comirnaty, Spikevax; Häufigkeit: bei Comirnaty unbekannt, bei Spikevax selten
- Erhöhter Blutdruck: bei Nuvaxovid; Häufigkeit: gelegentlich
Besondere schwerwiegende Nebenwirkungen: Myokarditis und Perikarditis
Die bedeutendsten, sehr seltenen schwerwiegenden Nebenwirkungen der beiden mRNA-Covid-19-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax sind Myokarditis und/oder Perikarditis. Besonders betroffen sind junge Männer und männliche Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren, insbesondere nach der zweiten Dosis.6
Daten aus mehreren Ländern, u.a. aus Deutschland, sowie eine kürzlich veröffentlichte Zusammenfassung von mehreren Studien zu Myokarditis und Perikarditis deuten darauf hin, dass das Risiko einer Myo-/Perikarditis bei jüngeren Menschen nach Spikevax höher als nach Comirnaty ist, weshalb die Stiko für Personen jünger als 30 Jahre Comirnaty empfiehlt.
Typischerweise treten erste Beschwerden innerhalb von wenigen Tagen nach der Impfung auf. Die publizierten Daten zeigen einen zumeist blanden Verlauf, d. h. die Mehrheit der Patienten mit einer Myo-und/oder/Perikarditis nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen spricht gut auf Behandlung und Ruhe an und erholt sich rasch von den initialen Symptomen, auch wenn im Einzelfall schwerwiegende und auch tödliche Verläufe beobachtet wurden.
In einer 2022 veröffentlichten Fallserie mit 16 jugendlichen Patienten wurden bei Nachuntersuchungen Monate nach der Impfung allerdings weiterhin radiologische Anomalien festgestellt. Die nachbeobachteten Patienten hatten jedoch einen ausgezeichneten klinischen Verlauf.
Wichtig ist, potenzielle Langzeiteffekte einer mit Covid-19-mRNA-Impfung zusammenhängenden Myokarditis/Perikarditis weiter zu untersuchen. Diesbezüglich unterstützt das PEI das Kinder-Myokarditisregister MYKKE.
Eine kürzlich als Preprint publizierte Studie aus Frankreich lässt vermuten, dass das Risiko für Myokarditis auch nach der Booster-Impfung (dritte Dosis) innerhalb von sieben Tagen nach mRNA-Impfung in allen Altersgruppen ab einem Alter von zwölf Jahren erhöht ist, wenngleich nicht im gleichen Ausmaß wie nach der zweiten Impfung.
Auch eine Studie aus England deutet für Comirnaty auf ein leicht erhöhtes Risiko für Myokarditis nach Booster-Impfung hin (für eine diesbezügliche Einschätzung nach Spikevax-Booster-Impfung waren die Fallzahlen zu gering). Die Studie lässt auch vermuten, dass das Risiko einer Myokarditis nach Infektion mit Sars-CoV-2 bei ungeimpften Personen, vielleicht mit Ausnahme junger Männer, höher war als nach Impfung.
Offenbar bietet die Impfung auch einen gewissen Schutz vor Myokarditis bei geimpften Personen, die sich nach Impfung mit Sars-CoV-2 infizieren. Allerdings wurde die Studie überwiegend vor Auftreten der Omikron-Varianten durchgeführt.
Für Spikevax wird in der Fachinformation bereits auf ein erhöhtes Risiko für Myokarditis und/ oder Perikarditis nach der Booster-Impfung aufmerksam gemacht.
Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden im Zeitraum vom 27.12.2020 bis 30.06.2022 insgesamt 1.935 Verdachtsfallmeldungen einer Myo-und/oder Perikarditis nach Comirnaty und 566 Verdachtsfallmeldungen nach Spikevax berichtet.
Insgesamt 539 Meldungen über den Verdacht einer Myo-/Perikarditis wurden nach mRNA-Booster-Impfung berichtet, darunter fünf Fälle einer Myo- und/oder Perikarditis nach zweiter Booster-Impfung. Letzteres betrifft vier Fälle nach Comirnaty bei zwei Männern und zwei Frauen im Alter von 32 bis 57 Jahren und ein Fall nach Spikevax bei einem 83 Jahre alten Mann. In einem Fall war der zeitliche Abstand zur Impfung nicht genannt, in den anderen Fällen betrug er 1, 2, 4 und 12 Tage nach Impfung. Im Beobachtungszeitraum bis zum 30.06.2022 wurde dem PEI kein bestätigter Fall einer Myokarditis bei Kindern im Alter von 5 bis 11 Jahren mitgeteilt.
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) hat am 03.08.2022 festgestellt, dass Fälle einer Myokarditis und/oder Perikarditis nach Nuvaxovid auftreten können.