Affair Bommeleeër: Justiz sieht Polizeiführung hinter der Anschlagsserie der 80er Jahre
Prozess um Bombenleger-Affäre in Luxemburg wird mit neun weiteren Angeklagten fortgesetzt
Zwischen 1984 und 1986 hielten erstaunlich professionelle Terroristen das Großherzogtum Luxemburg in Atem. Nachdem die finanziellen Mittel für Polizei- und Antiterroreinheit dramatisch aufgestockt wurden, endete die mysteriöse Anschlagsserie so plötzlich, wie sie begonnen hatte. Selbst die CIA rätselte, wer ein Interesse an jenem Terror ohne politisches Motiv haben konnte (Affair Bommeleeër: CIA tappte 1986 im Dunkeln).
2013 klagte die Staatsanwaltschaft trotz Einschüchterungsversuchen die beiden vormaligen Elite-Polizisten Marc Scheer und Jos Wilmes unter dem Vorwurf an, die Attentate inszeniert zu haben. Im darauffolgenden Prozess wurden zahlreiche Polizisten, Geheimdienstler und Spitzenpolitiker in den Zeugenstand gebeten, die sie sich bisweilen in Widersprüche verstrickten oder die Aussage mannhaft verweigerten (In Luxemburg kocht Stay Behind hoch). Bereits im Verlauf der Ermittlungen verschwanden 88 von 125 Beweisstücken. Geheimdienstliche Vertuschungsaktionen und Abhöraffären diesbezüglich produzierten einen gediegenen Geheimdienst-Skandal (Watergate in Luxemburg). Der "Jahrhundert-Prozess" brachte nicht nur das Prinzenhaus in Misskredit, sondern führte 2013 sogar zur Staatskrise (Juncker nimmt den Schlapphut).
Von allen Hypothesen, wer hinter dem fadenscheinigen Terrorismus gesteckt haben könnte, ist die Theorie des vormaligen Luxemburger Geheimdienstchefs die Spektakulärste. Der Experte sah als Drahtzieher hinter den inszenierten Anschlägen den Luxemburger Nationalheld Émile Krieps, der eine von den USA geforderte geheime Partisanenarmee habe etablieren wollen (Bommeleeër-Affäre: "Seltsame Strategien von US-Seite, um einen Linksrutsch zu verhindern"). Krieps hatte bereits gegen die Nazis die Résistance aufgebaut, in Großbritannien eine Geheimdienstausbildung erhalten und war 1946 in den Verdacht geraten, einen Staatsstreich gegen die damalige Luxemburger Regierung vorzubereiten. Nach einer militärischen Karriere war Krieps als Minister für die Armee zuständig und könnte nach der Wahlniederlage 1984 seine Politik im Geheimen fortgesetzt haben.
Im Rahmen des Prozesses fielen Ungereimtheiten beim Verhalten der Behörden auf, die auf 20 explodierte Bomben und einen Anschlag auf eine Außenministerkonferenz bemerkenswert gelassen reagierten (Luxemburger Bombenleger-Prozess: Erstaunliches Desinteresse der Ermittlungsbehörden). Statt einer sorgfältigen Ermittlung versuchte man es allen Ernstes mit Pendeln.
Nach nunmehr siebeneinhalb Jahren Prozess glaubt die Staatsanwaltschaft, dass die Anschläge ohne das Insiderwissen bestimmter Polizisten nicht möglich gewesen seien. Angeklagt werden daher wegen des Verdachts auf versuchten Mord, Körperverletzung, Brandstiftung, Eingriff in das Stromnetz, Verstößen gegen das Waffengesetz, Falschaussage und Justizbehinderung der Ex-Gendarm Marcel Weydert sowie die Gendarmerie-Offiziere Aloyse Harpes, Pierre Reuland, Guy Stebens, Armand Schockweiler und Charles Bourg angeklagt, berichtet das Luxemburger Wort.
Der Staatsschutz hatte einst den Elitepolizisten Ben Geiben observiert, den auch viele Beobachter lange für den geheimnisvollen Bombenleger hielten. Geiben hatte einst die Antiterroreinheit aufgebaut und geleitet, dann aber aus lange unbekannten Motiven gekündigt. Doch statt Geiben wird nun den Sûreté-Beamten Paul Haan, Guillaume Büchler und Lucien Linden der Prozess gemacht, die einst gegen Geiben ermittelten. Auch die beiden ursprünglich angeklagten Polizisten sitzen noch immer auf der Anklagebank. Deren temperamentvoller Staranwalt Gaston Vogel hatte den Prozess zur Abrechnung mit der katholischen Monarchie, der NATO und den Geheimdiensten genutzt.