Umfrage zu Thüringen: Deutschland rückt nach rechts

Nur 61 Prozent fordern den Rücktritt von Kemmerich, FDP-Anhänger neigen noch stärker zur Zusammenarbeit mit der AfD als CDU-Anhänger

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Noch ist Thomas Kemmerich von der FDP, der sich vermutlich in Absprache mit CDU und AfD für eine angeblich bürgerliche Mehrheit zum Ministerpräsidenten von Thüringen hat wählen lassen, nicht wirklich zurückgetreten. Rot-Rot-Grün hat Kemmerich ein Ultimatum gestellt, bis spätestens Sonntag zurückzutreten oder die Vertrauensfrage zu stellen. Geäußert wurde auch verständlicherweise, dass es schwer vorstellbar sei, mit Kemmerich und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring vertrauensvolle Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit zu führen.

Mohring und die thüringische CDU-Fraktion scheinen schwer zu überzeugen sein, einen Fehler einzugestehen, mit der AfD paktiert zu haben, und die Konsequenzen zu ziehen. CDU-Chefin AKK ist bis Mitternacht in Verhandlungen verstrickt und scheint keine Mittel zu haben, die zur AfD neigende thüringische CDU wieder auf Parteilinie zu bringen. Auch die FDP in Thüringen hat Kemmerich ihr Vertrauen ausgesprochen, FDP-Chef Lindner verbreitet weiter die Fake News, Kemmerich sei "überrrascht" worden, obgleich dieser zumindest selbst zugegeben hat, dass man bei der Wahl natürlich wissen konnte, dass die AfD für ihn stimmt.

Die Frage ist, ob FDP und die thüringische CDU die Menschen so hinters Licht führen können, um nicht einräumen zu müssen, dass sie die AfD eben als bürgerliche Partei behandeln wollen, um Mehrheiten zu erreichen. Der Druck in Thüringen scheint stark zu sein.

Nach einer Blitzumfrage des ARD-DeutschlandTrends spricht sich zwar eine Mehrheit von 61 Prozent für einen Rücktritt von Kemmerich aus, bei Rot-Rot-Grün sind es über 80 Prozent, bei der CDU 64 Prozent und bei der FDP nur 38 Prozent, die damit ihr Mäntelchen der Liberalität verliert.

Von einer großen Mehrheit lässt sich allerdings dabei nicht sprechen. Immerhin finden dies 24 Prozent falsch -, der Rest konnte oder mochte sich nicht entscheiden. Das ergibt ein Potenzial an 39 Prozent Wählern, die es entweder gut finden, dass der Politiker einer Partei, die gerade einmal gerade noch mit 5 Prozent in den Landtag einziehen konnte, mit der Unterstützung der AfD Ministerpräsident wird, oder die nicht explizit etwas dagegen haben. Das ist ein Erfolg für die AfD, den FDP und CDU wohl büßen müssen, die nur Steigbügelhalter waren.

Einen Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD halten insgesamt auch nur 58 Prozent für richtig, was auch wieder heißt, dass nicht nur in Thüringen Koalitionen nicht im bürgerlichen, sondern dann im rechten Lager von CDU, FDP und AfD bald möglich sein werden. Der beschworene "Dammbruch" wird dann nur der erste Schritt nach rechts gewesen sein.

Um die 80 Prozent der Anhänger von Rot-Rot-Grün sind für einen Ausschluss der Zusammenarbeit mit der AfD - aber eben auch nicht alle -, bei der CDU sind es 69 Prozent, bei der FDP nur 25 Prozent. Und 62 Prozent der FDP-Anhänger sind für eine flexible Haltung und befürworten, dass man dies Fall zu Fall entscheiden soll. Wenn die Partei diese Haltung übernimmt, weiß nun jeder FDP-Wähler, dass sich mit einer Stimme für die FDP bundesweit Thüringen wiederholen kann.

Das bestätigt, dass die FDP von ihren Anhängern nach rechts gedrängt wird, Lindner macht dieses Spiel schon länger mit. Tatsächlich gibt es über die neoliberale Ideologie eine gemeinsame Basis zwischen der "liberalen" FDP und der nationalistisch-völkischen AfD. Was allerdings seltsam ist und für eine schwer nachvollziehbare kognitive Dissonanz der AfD-Anhänger spricht, ist der Umstand, dass 8 Prozent von diesen auch für einen Ausschluss der Zusammenarbeit sind.

Es könnten natürlich auch die Radikalen sein, die nicht in das beschworene bürgerliche Lager wollen, sondern die reine national-völkische Richtung gewahrt sehen wollen. Ähnlich ist dies etwa bei den Grünen oder Linken, wo auch 9 bzw. 8 Prozent sagen, das müsse man flexibel von Fall zu Fall sehen.