Neues Gesetz in der Ukraine

Sewastopol / Erinnerungen Krim-Kriege. Bild: Jörg Tauss

Per Bahn und "Völkerrecht" zur Internierung

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100 Staaten stimmten noch im März 2014 für eine Resolution der UN-Vollversammlung, eine Sezession der Krim, weg von der Ukraine, zu verhindern. Elf, darunter Russland, stimmten mit Nein, 58 Länder enthielten sich, nicht teilgenommen hatten an der Abstimmung 24. Thema war damals die "russische Besetzung" der Halbinsel, die sich nach den Vorgängen auf dem Maidan und nach einem sehr eindeutigen Referendum der Russischen Föderation und somit nicht länger der Ukraine angeschlossen hatte.

Gegen das bis heute vom Westen nicht akzeptierte und als "völkerrechtswidrig" bezeichnete Referendum und dessen Ergebnis richtet sich unverändert ein umfassender Boykott der Krim. Danach ist noch nicht einmal mehr ein Schüleraustausch möglich. Selbst die harmlose "Organisation nichtkommerzieller Reisen" ist nach EU- Recht und dem deutschen Außenhandelsgesetz bei Strafe verboten (Reisen ins Non-Grata-Land).

Unverdrossen wird weiter versucht, durch solchen Druck ein "Ende der russischen Besetzung" herbeizuführen. Dagegen gab es jetzt auch eine neue UN- Resolution, über die mit bekanntem Wording von der "Annexion der Krim" auch der Spiegel berichtet.

Allerdings wird auch vom Nachrichtenmagazin geflissentlich ignoriert, dass die jetzige Abstimmung im Vergleich zu 2014 für die Ukraine und den Westen als diplomatischer Rückschlag oder besser als Desaster zu interpretieren ist. Denn was man hierzulande kaum erfährt: Von den einst 100 Staaten aus 2014 sind Ende 2020 gerade noch 63 für ein "Ja" übrig geblieben. 17 stimmten jetzt mit Nein, es gab 62 Enthaltungen und 52 UN- Mitglieder zogen es sogar vor, zu diesem neuerlichen Spektakel erst gar nicht mehr zu erscheinen.

So gibt es innerhalb der an der Abstimmung teilnehmenden Staaten also keine Mehrheit für "das sofortige Ende der russischen Besetzung der Krim" mehr. Das sollte auch die deutsche Außenpolitik realistisch zur Kenntnis nehmen.

Beantwortet wird diese Faktenlage seitens des Westens mit zunehmendem militärischem Säbelrasseln statt seriöser diplomatischer Bemühungen für ein Ende des Krim- Boykotts. 510 Millionen Dollar investierte die am Rande des Staatsbankrotts vor sich hinwerkelnde Regierung in Kiew im abgelaufenen Jahr in US-amerikanische Waffenkäufe. So viel wie noch nie.

Man träumt in Kiew also offensichtlich weiter von militärischen Lösungen im Konflikt. Nur so ist erklärbar, dass jetzt in Kiew auch ein Gesetz mit dem Ziel auf den Weg gebracht wurde, "Kriegsgefangene" und Menschen aus dem Donbass, wie auch von der Krim, im Rahmen des Völkerrechts zu internieren"..

Warum jetzt?

Solche Absichten irritieren den Abgeordneten und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der "Linken" im Deutschen Bundestag, Andrej Hunko. Nicht nur ihm stellt sich die Frage, "warum das ukrainische Ministerkabinett und Parlament dieses Gesetz erst jetzt, also im siebten Jahr des Konflikts, haben will".

Seiner Meinung nach sei es auch "ein falsches Signal an die Menschen, die in den nicht von der Ukraine kontrollierten Gebieten Luhansk und Donezk sowie auf der Krim wohnen". Es fördere auch in keiner Weise den Dialog und die Waffenruhe in der Ostukraine.

Ganz entspannt gibt sich dagegen einmal mehr das deutsche Außenministerium. Man wisse nichts von diesem "Internierungsgesetz". Obgleich man also nichts weiß, geht man aber dennoch davon aus, es handle sich lediglich darum, "Verpflichtungen aus den Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht umzusetzen". So solle in der Ukraine sichergestellt werden, dass "Kriegsgefangene besseren Schutz in etwaigen bewaffneten Konflikten genießen". Welche Kriegsgefangenen beherbergt die Ukraine?

Gemeint sind allerdings nicht "nur" Gefangene, sondern alle Personen auf dem "Hoheitsgebiet der Ukraine", die nach Meinung von Militär und Geheimdienst eine "Gefahr für die nationale Sicherheit der Ukraine" darstellen. Das schließt die Menschen der "zeitweilig besetzten Gebiete" im Donbass (Donezk und Luhansk) sowie auf der Krim einschließlich der Stadt Sewastopol mit ein.

Für sie werden ab Januar 2021 "Orte der Zwangsansiedlung" festgelegt. Damit das auch reibungslos klappt, sollen diese "Kriegsgefangenen und Internierten" von der ukrainischen Eisenbahn im Rahmen von deren "Bewachung und Freiheitsentziehung" zu diesen Orten befördert werden.

Ungeachtet der martialischen Formulierung ist dabei als "Randnotiz" zur Kenntnis zu nehmen, dass die Deutsche Bahn die ukrainische "Ukrajinska salisnyzja" (Anm.: die ukrainische Bahn) seit Februar 2020 "in Managementfragen berät".

Im Berliner Bahntower will man auf die simple Frage nicht antworten, ob man unter solchen Vorzeichen von dieser Art von "Management" und technischer Beratung nicht besser die Finger ließe. Dies gilt auch für Bahn- Vorstand Ronald Pofalla, der pikanterweise als Co- Vorsitzender auch dem deutsch-russischen "Petersburger Dialog" vorsteht.

Es dürfte in der Tat fraglich sein, ob diese ukrainische Gesetzgebung, gemeint sind natürlich Transporte russischer Staatsbürger, einem "Dialog" dient oder ob die deutsche Bahn nicht doch besser die Finger von solcher Assistenz ließe.

Für die Gespräch im "Normandie-Format" unter Russland, Deutschland, Frankreich und der Ukraine, sollten solch neue Fragen auch höchst interessant sein. Dem Frieden und der Diplomatie dient das ukrainische Vorhaben aber zweifellos nicht. Auch nicht der Waffenruhe in der Ostukraine, wie Hunko wohl zu Recht feststellt. Für die Menschen auf der Krim dürfte es zudem ein weiterer Grund sein, nichts mehr von der Regierung in Kiew wissen zu wollen.