Wettrüsten 2.0.: Was schützt uns im zweiten Kalten Krieg?
- Wettrüsten 2.0.: Was schützt uns im zweiten Kalten Krieg?
- Atomwaffen als "Weiterentwicklung der Artillerie"
- Atomwaffen und die Situationen der Schwäche
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Neue atomare Drohkulisse zwischen West und Ost. Vorgänge werden mit Seelenruhe hingenommen. Dabei gibt einen naheliegenden Ausweg für mehr Sicherheit.
Atomares Wettrüsten, Kalter Krieg? Wenn viele meinen, das sei gestern gewesen, dann irren sie sich: Es ist morgen. Was schon vor einigen Jahren begonnen wurde, nimmt nun richtig Fahrt auf: Die Rüstungsspirale dreht sich.1 Dabei sind fast alle Rüstungsbegrenzungen aufgehoben worden, der Kanzler nennt es "Zeitenwende", aber es ist eine Rolle rückwärts, zurück ins Risiko der gegenseitigen Vernichtung.
Glücksspiel Abschreckung
Im Kontrast dazu steht die Seelenruhe, mit der diese Vorgänge hingenommen werden. Die meisten glauben, dass atomare Abschreckung eine Garantie biete: Der erste Kalte Krieg habe bewiesen, dass zur Angst vor Atomkriegen kein Anlass besteht.
Wer sich wirklich auskennt, sieht es ganz anders: "Abschreckungspolitik", so der Nuklearwaffenexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik Peter Rudolf, beruhe auf Axiomen, "für die es keine empirische Evidenz im wissenschaftlichen Sinne gibt".
Der Glaube an die nukleare Abschreckung ist ebendies – ein Glaube."2
In einem Bild ausgedrückt sagte es einst der Mathematiker, Philosoph und Atompazifist Bertrand Russell: "Was die nukleare Konfrontation angeht, kann man unter Umständen annehmen, dass zwei Seiltänzer zehn Minuten balancieren können, ohne abzustürzen. Aber nicht zweihundert Jahre."3 Abschreckung ist ein Glücksspiel.
Aber vielleicht halten sich die Besitzer von Atomaffen an das "atomare Tabu". 2007 stellte die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Nina Tannenwald die These auf, stärker als die Abschreckung wirke eine Tabu, das die Mächte immer wieder vom Einsatz ihrer Atomwaffen abhalte.4
So sei zwar im Korea- oder im Vietnamkrieg der Einsatz von Nuklearwaffen Thema gewesen, letztlich habe man aber doch darauf verzichtet. Gibt es also ein solches Tabu, ein Tabu, das uns die Sicherheit bringt, niemals in einen Atomkrieg verwickelt zu werden?
Keine Frage, Kernwaffen sind eher die Ultima Ratio jeder militärischen Auseinandersetzung, nur ein Verrückter wird sie wahllos benutzen. Aber einem grundsätzlichen Tabu unterliegen sie gewiss nicht, und Verrückte in der Politik – leider gibt es sie oft genug.
Der Schock von 1945
Nachdem am 16. Juli 1945 die erste Atombombe zur Explosion gebracht wurde, waren viele Wissenschaftler und Intellektuelle tief erschüttert. Wie ein Schock wurde ihnen klar, dass sich die Politik grundsätzlich wandeln müsse, wenn die Menschheit überleben wolle.
Nicht zuletzt Wissenschaftler, die an der Entwicklung der Bombe selbst mitgearbeitet hatten, warnten: Entweder diese Technologie wird unter internationale Kontrolle gestellt oder die Menschheit steht vor unvorstellbaren Katastrophen. Machtpolitik im traditionellen Sinn sei jedenfalls nicht mehr möglich, die Zeit dränge.5
Bekanntlich blieb das ein frommer Wunsch. Bereits Hiroshima und Nagasaki waren Signale, dass man keineswegs einen Sinneswandel vollzogen hatte. Noch bis in die 1950er-Jahre hinein planten die atomar überlegenen USA einen gewaltigen Präventivschlag, mit dem sie die Konkurrenz der Sowjetunion ausschalten wollten.6 Das änderte sich erst, als man entdeckte, dass solches Vorgehen auch die eigene Vernichtung im Gefolge haben würde, Angriffe in dieser Weise eher sinnlos waren.
Vielleicht hatten die vielen Kritiker – Leó Szilárd, Albert Einstein, Bertrand Russell, Albert Schweitzer, Karl Jaspers – um nur einige zu nennen, doch recht, dass man Atomwaffen neutralisieren müsse und Machtpolitik nicht einfach so weiter betreiben dürfe wie bisher. Vielleicht könnten die 1945 gegründeten Vereinten Nationen hier ein Rolle spielen.
Doch solche Hoffnungen erwiesen sich bald als gegenstandslos. Die Spaltung zwischen Kommunismus und Kapitalismus, die Aufteilung der Welt in Freund und Feind, war der Anlass, das im Grunde Unmögliche dennoch zu versuchen: Nämlich eine Technologie, die eigentlich nur noch für Weltuntergänge taugte, gegen alle Vernunft ins Korsett des internationalen Machtgehabes zu zwingen. Wie sollte das möglich sein?
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