Seit 2002 werden Postdaten an die USA übermittelt

Bundesdatenschützer Schaar kritisiert die Weitergabe der personenbezogenen Sendungsdaten von Briefen, Päckchen und Paketen

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Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar bestätigte gestern in der nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages die Berichterstattung von Zeit online und Telepolis ("Massiver Eingriff in die Grundrechte"). Die USA wollen nach den Flugpassagierdaten auch an die Postdaten – dies hatten Zeit online und Telepolis bereits im Januar dieses Jahres aufgedeckt. Die frühe Berichterstattung verhinderte offenbar bislang, dass der Wunsch der USA in einer Ausschusssitzung des Weltpostvereins Anfang dieses Jahres angenommen wurde.

Ansonsten wäre wohl klammheimlich fortgesetzt worden, was bereits seit 2002 unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit eingeführt wurde (Aushebelung des Postgeheimnisses). Seit 2002 werden nämlich alle Daten von Briefen, Päckchen und Paketen elektronisch erfasst und vorab an die Zollbehörden der USA (Customs and Border Protection) übermittelt; sofern sie als Express-Sendungen von Firmen der Post wie DHL oder von Firmen wie UPS, TNT und Federal Express verschickt werden .

Als „kritisch“ wertet Peter Schaar in dem nicht-öffentlichen Bericht, der Telepolis vorliegt, „dass die Verkehrsdaten seit Inkrafttreten des Trade Act 2002 für sechs Jahre elektronisch gespeichert bleiben, so dass für lange Zeit nachzuvollziehen ist, welcher ausländische Absender ein Päckchen oder Paket an welchen US-Empfänger gesandt hat und welchen Inhalt die Sendung hatte.“

Dies hatte vor dem Bundesdatenschützer schon der ehemalige Verfassungsschutzbeamte Klaus-Dieter Matschke kritisiert (Beihilfe zur Verletzung des Postgeheimnisses?). Der Inhaber der KDM Sicherheitsconsulting in Frankfurt warnt vor der Gefahr von Wirtschaftsspionage. Zumal die Angaben über Absender, Empfänger und Inhalt auch den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen, und dies seit 2002. Die Abgeordneten des Bundestags mussten davon allerdings erst aus Zeit online und Heise erfahren; niemand hatte in all den Jahren die Öffentlichkeit informiert.

Noch immer unbeantwortet von der Bundesregierung ist die Frage: Wer wusste seit wann davon, dass seit 2004 elektronische Angaben über Absender, Empfänger und Inhalt von Express-Sendungen aller Art elektronisch erfasst und an die US-Zollbehörden übermittelt werden? Ebenso fehlt bis heute die Antwort auf die Frage, wer dies duldete und billigend in Kauf nahm.

Das Thema bleibt aktuell, denn im Juli und August dieses Jahres trifft sich der Weltpostverein erneut. Und dann wird es um die Frage gehen, ob nicht nur die Daten von Express-, sondern auch die regulärer Sendungen elektronisch erfasst und vorab an die US-Behörden übermittelt werden. Der Trade Act von 2002 sieht auch dieses vor, bedarf aber der Zustimmung.

„Eine derartige Vorratserhebung und -speicherung von personenbezogenen Sendungsdaten wäre sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Datenschutzrecht unzulässig“, warnt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Außerdem verlangt er nun, dass Datenschutz auch bei geplanten Zoll-Verhandlungen berücksichtigt werden sollen. Dies ist neu. Bislang hatte er nichts gegen diese Praxis. Sechs Jahre lang konnten so die Daten von Express-Sendungen deshalb unbemerkt übermittelt werden, weil sie formal nicht als Postsendung, sondern als Handelsgut eingestuft wurden.

Die USA könnten ihre Einfuhrbestimmungen festlegen, meint Schaar. Dem widersprechen die Europa-Abgeordneten Alexander Alvaro und Sophie d´Intfeld. Zunächst müsse über solche Wünsche informiert, dann verhandelt, aber keineswegs dürfe einfach umgesetzt werden. Es müsse gesichert sein, so Alvaro, dass nicht über europäische oder internationale Organisationen Fakten geschaffen werden, die nationale Parlamente lediglich umsetzen.