Nebenkriegsschauplatz Nummer 1

Im Schatten des drohenden Irakkrieges nimmt der bewaffnete Konflikt in Kolumbien immer größere Ausmaße an, und wie im Irak geht es hier um Erdöl

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Gegen zwei Uhr nachmittags verschwand die kleine Personenmaschine am 13. Februar von den Radarschirmen in der kolumbianischen Provinz Caqueta. Als nur eine halbe Stunde später ein sogenanntes Search-an-Rescue-Team die vermutete Absturzstelle erreichte, fand es das Wrack der Cessna 208 Caravan und zwei Leichen. Von den drei übrigen Besatzungsmitgliedern fehlt seither jede Spur. Solche Abstürze ereignen sich im dichten Luftverkehr Kolumbiens immer wieder, und so könnte der Fall sang- und klanglos in der Statistik der Luftfahrtbehörde eingehen. Doch die Unfallstelle liegt mitten im Gebiet der marxistischen Guerilla der Revolutionären Streitkräfte und die drei verschwundenen Besatzungsmitglieder sind US-Amerikaner.

Als die Nachrichtenagentur AP bei dem Besitzer der Maschine nachfragte, wusste Ronald B. Powers, für dessen Tochterunternehmen "One Leasing" die Maschine registriert war, keine Auskunft zu geben. Die Mieter, sagte er, hätten auf Diskretion bestanden. Die kolumbianische Tageszeitung "El Tiempo" indes berichtete nach dem Absturz, der unter Umständen ein Abschuss war, dass die vier US-Amerikaner und ein kolumbianischer Staatsbürger in einer geheimen US-kolumbianische Anti-Drogen-Mission unterwegs gewesen seien. Dass die Männer keine touristischen Interessen hatten, lässt ein Blick auf den Flugzeugtyp vermuten. Der einmotorige Oberflügler wird von der Armee vorrangig zur Luftüberwachung gebraucht, weil sich die Maschinen leicht gegen Bodenbeschuss panzern lassen und Platz für kleine Bordgeschütze bieten.

Der Fall rückt erneut das Engagement der USA im bewaffneten Konflikt Kolumbiens ins Visier der Öffentlichkeit. Vor gut einem Jahr hatten der aus der extremen Rechten stammende Präsident Alvaro Uribe Vélez und sein Vorgänger Andrés Pastrana den Friedensprozess mit der FARC-Guerilla aufgekündigt (Bomben statt Waffenstillstand). Entsprechende Gespräche mit der zweiten Guerillagruppe ELN waren schon vorher auf Eis gelegt worden. Die Folgen für die ländlichen Regionen, in denen der Konflikt traditionell ausgetragen wird, sind verheerend.

Die Situation nach einem Jahr "militärischer Option"

Die nicht eben als regierungskritisch geltende Tageszeitung "El Tiempo" bekannte in einer Reportage aus der Kleinstadt San Vicente de Caguán, dem ehemaligen Sitz der FARC: "Die militärische Ziele der Regierung scheinen erreicht worden zu sein, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen sind es nicht". Die für ihre Viehzucht berühmte zentralkolumbianische Region ist ein Jahr nach Uribes Militäroffensive wirtschaftlich verödet. Die örtliche Polizei hat seit dem 20. Februar vergangenen Jahres 74 Tote durch bewaffnete Auseinandersetzungen dokumentiert, die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Der Versuch, in internationaler Zusammenarbeit eine Fabrik zur Verarbeitung von Rindfleisch aufzubauen, hatte vor knapp zwei Jahren politisch Wellen geschlagen. Die iranischen Unternehmer waren von Washington der Unterstützung der Guerilla bezichtigt worden und die Regierung des konservativen Andrés Pastrana wurde unter Druck gesetzt, das Projekt zu verhindern.

Das Geschäft machen heute andere. Im Schatten des Konfliktes im Mittleren Osten hat das US-Engagement auch in Kolumbien wieder zugenommen. Während das südamerikanische Land 2001 noch gut 215 Millionen Dollar US-Militärhilfe erhielt, waren es im vergangenen Jahr fast 370 Millionen Dollar. Nach bislang bekannten Zahlen wird diese Hilfe für die kolumbianische Armee und Polizei bis Ende dieses Jahres beinahe eine halbe Milliarde Dollar erreichen. Der Löwenanteil stammt aus einem Paket, dass US-Präsident George W. Bush für die Bekämpfung des Drogenanbaus in der Andenregion vom US-Kongress absegnen ließ. Darin enthalten sind 98 Millionen Dollar, die explizit für die Ausbildung von Sondereinheiten der kolumbianischen Armee verwandt werden.

Während die Clinton-Administration den Protesten sozialer Organisationen gegen US-Hilfe für Kolumbien noch mit dem Argument begegnete, dass dieser Gelder nicht im politischen Konflikt zum Einsatz kämen, sondern allein für die Bekämpfung des Drogenanbaus verwandt würden, hat damit seither eine gefährliche und offene Verschiebung auf die militärische ebene staatgefunden. Mehr und mehr wird das US-Südkommando, die Vorhut der nordamerikanischen Armee südlich des Rio Bravo, in den bewaffneten und primär sozialen Konflikt Kolumbiens involviert.

Weniger US-Armee, mehr US-Unternehmen

Über das personelle Engagement halten sich die US-Militärs so weit wie möglich bedeckt. Die einzig offizielle Angabe stammt von einem Sprecher des Südkommandos vom Februar vergangenen Jahres. Demnach waren zum damaligen Zeitpunkt 250 US-Militärs in Kolumbien stationiert, 50 zivile standen Berater auf der Gehaltsliste Washingtons. Zudem sollen nach Angaben des Armeesprechers damals einhundert zivile Berater in militärischen Projekten tätig gewesen sein. Die von Experten angegebenen Zahlen liegen weitaus höher, übersteigen aber nicht die Zahl von 800 Personen. Während 2001 noch 500 Armeeangehörige gewesen seien, sind es aktuell demnach nur noch die Hälfte. Die Hilfe Washingtons fließt zunehmend direkt zivil-militärischen Organisationen mit Sitz in den Vereinigten Staaten zu.

Auf deren Gehaltsliste dürften auch die fünf Besatzungsmitglieder der unlängst niedergegangenen Cessna gehört haben. Es war nicht erstaunlich, dass sich nach den ersten Meldungen das US-Außenministerium ebenso wie das US-Militärunternehmen DynCorp bemühten, eine Verbindung zu den fünf Männern abzustreiten. Der Grund dafür ist einfach: Sollten sich die Berichte aus "El Tiempo" bewahrheiten, könnten erstmals in der Geschichte des bewaffneten Konfliktes drei CIA-Beschäftigte in der Hand der Guerilla sein. Dafür spricht auch ein von der kolumbianischen Armee mitgeschnittener und in der Region operierenden FARC-Einheiten zugerechneter Funkspruch. Darin heißt es: "Wir haben sie! Wie haben sie!"

Zwei Gründe liegen dem zunehmenden Engagement privater Militärs zu Grunde. Zum einen ist das Engagement der USA gegen Anbau von Drogenpflanzen in Südamerika ein stetiger innenpolitischer Streitpunkt, auf der anderen Seite hat der Senat den Einsatz von US-Militärs auf 500 Mann beschränkt, maximal 300 Zivilisten dürfen in offiziellen Missionen beschäftigt werden. Der Ausweg war schnell gefunden. So räumte ein Vertrag zwischen den USA und Ecuador 1999 dem Militärunternehmen DynCorp (vgl. auch Privatarmeen in Goldgräberstimmung) ein Nutzungsrecht der US-Militärbasis in dem Andenstaat ein. Der Vertrag hat Beispielcharakter, denn in den vergangenen Jahren ist um und in Kolumbien ein wahres Netzwerk privater und offizieller US-Militärs gewachsen.

Werden die Auflagen des US-Senats derart umgangen, kann der Krieg weiter vorangetrieben werden. Eine Illusion ist, dadurch die negativen politischen Folgen für Washington in dem "vietnamisierten" Konflikt Kolumbiens abwenden zu können. Während die Militärhilfe auf der einen Seite immer offener zur sogenannten Aufstandsbekämpfung eingesetzt wird, hat die FARC ihrerseits erklärt, US-Institutionen und in den Konflikt involvierte US-Amerikaner als legitime militärische Ziele ins Visier zu nehmen. Sollten die drei Besatzungsmitglieder in der Hand der Guerilla sein, wäre diese Drohung nun Realität und Washington unter Zugzwang.