Iraqi Opposition, go home !

Die Oppositionsgruppe der Exiliraker gerät zunehmend in die Kritik

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Während "der Böse" laut dem Fachmagazin für "eingebetteten Journalismus", Bild am Sonntag, schon die Koffer gepackt hat und seine Reichtümer auf drei Lastwagen verfrachtet, streiten sich "die Guten" darüber, wer der Beste für die Zeit nach dem Monster sein wird.

Täglich werden neue Bewerber und Lösungen ins Spiel gebracht, treten neue Oppositionsgruppen und -führer ans Licht. Der Irakische Nationalkongress (INC) scheint bei der US-Administration mittlerweile sämtlichen Rückhalt verloren zu haben; es wurden sogar Anschuldigungen laut, es sei den falschen Informationen dieser Seite zu verdanken, dass sich Teile der Administration den Krieg wie "einen Spaziergang durch einen Park" vorgestellt habe. Den Superfalken vom Pentagon gilt jetzt der pensionierte General Jay Garner als geeigneter Kandidat für den Vorsitz einer Verwaltungsbehörde ("Office for Reconstruction and Humanitarian Assistance."), die lukrative Aufträge zu vergeben hat (vgl. Der US-General a.D., der den zivilen Wiederaufbau des Post-Hussein-Irak leiten soll). Ein fragwürdiges Vorhaben und ein problematischer Kandidat, welche die disperse Opposition in und außerhalb des Landes zumindest in der Ablehnung dieser Form von Übergangsregierung vereinen; ansonsten gibt es immer deutlichere Anzeichen von Dissens unter den Gegnern des Baath-Regimes.

Die US-Administration würde sich noch immer stur einer Zusammenarbeit mit der irakischen Opposition widersetzen, schreibt der neben Achmed Dschalabi (vgl. Wer kommt nach Saddam?) bekannteste Vertreter des INC, Kanan Makyia, in seinem aktuellen Kriegstagebuch. Man lasse es nicht zu, dass deren Netzwerke aktiviert werden. Das Pentagon hält anscheinend nur mehr Nebenrollen für seine ehemals umworbenen Exildemokraten aus dem INC bereit; Makyia ahnt sogar Schlimmeres:

Meine Treffen mit Offiziellen aus der Administration hinterließen in mir den Eindruck, dass manche Viertel in Washington sich im Krieg mit Saddam Hussein befinden und andere im Krieg mit dem Irakischen Nationalkongress.

Auch von ganz anderer Seite geraten die Oppositionellen mit den radikalsten demokratischen Plänen für den Nachkriegsirak in die Schusslinie. Wie die aktuelle Ausgabe der halbamtlichen ägyptischen Wochenzeitung Al-Ahram meldet, wirft der anhaltende Widerstand gegen die alliierten Truppen in bestimmten Kreisen die Frage auf, ob die amerikanische Administration nicht auf "unrealistische Bilder des Irak" hereingefallen sind, die ihnen von bestimmten oppositionellen Gruppen als quasi-geheimdienstliches Insiderwissen geliefert worden sei. Dieser Vorwurf zielt namentlich auf Kreise des Irakischen Nationalkongresses (INC) ab. Manchen Regierungen im Nahen Osten, kann gemutmaßt werden, geht der Reformwille dieser Organisation zu weit, weswegen man versucht, deren Einfluss zu unterminieren und dazu nicht zufällig immer wieder ihre Legitimationsschwäche in der öffentlichen Diskussion betont.

Die Exilopposition hat die Stärke des irakischen Widerstands unterschätzt. Dies ist starker Beweis dafür, wie sehr sie die Berührung mit der Realität im Irak verloren hat. Sie können nicht länger behaupten, dass sie die Interessen oder den Willen des irakischen Volkes vertreten

Diese Meinung teilt auch Adnan Pachachi, der bis vor einigen Wochen noch als Kandidat des amerikanischen Außenministeriums für eine Interimsregierung im Irak gehandelt wurde. Unter seiner Federführung trafen sich am Wochenende in London 400 "unabhängige Iraker", die eine neue demokratisch-liberale Vereinigung (Independent Iraqis for Democracy - IID) gründen wollen, die Sunniten, Schiiten und Kurden vereinigt. Der 80jährige Pachachi war Außenminister des Irak und UN-Botschafter, bevor die Baath-Partei die Macht ergriff. Unterstützt wird der Abkömmling einer angesehenen sunnitischen Familie vor allem von den Vereinigten Emiraten und anderen Golfstaaten. Pachachi hat sich wiederholt von den Oppositionellen innerhalb des Irakischen Nationalkongresses distanziert, dessen Legitimation er wegen deren Nähe zu den US-Miltärs bestreitet. Seiner Vorstellung nach sollte der Irak zunächst zwei Jahre lang von einer Körperschaft verwaltet und regiert werden, deren Posten von der UN besetzt werden. Weder eine US Militär-Regierung noch eine Regierung von Exilirakern (z.B. derjenigen, die im INC vereinigt sind) sei wünschenswert.

Die erstere ignoriere nationale Gefühle der Iraker, die zweite der Optionen, die gegenwärtig die Debatten bestimmen würden, ignoriere die Ansprüche und Hoffnungen der "massiven" Kräfte im Irak, die gegen das Baath-Regime seien.

Überraschenderweise brachte er am Wochenende den Schiiten Abdel-Maschid Al-Khoei - "What Iraqis want" - ins Spiel. Der Sohn eines führenden schiitischen Geistlichen, dem Imam Qassem Al-Khoei, soll Gerüchten zufolge eine konkurrierende Organisation zum mächtigen SCIRI (siehe Die Mullahs und das Bündnis mit dem Satan) aufbauen. In Teheran, so der libanesische Daily Star, habe Khoei jedenfalls im Januar keinen warmen Empfang erhalten. Vor seiner Logis habe man "Go back to America" gesungen.

Es kann spekuliert werden, ob die US-Administration über Al-Khoei die "schiitische Karte" spielen will. Zumal Pachachi, der den neuen Akteur auf die Bühne brachte, selbst über gute Beziehungen zu den USA verfügt. Sicher ist jedenfalls, dass Abdel-Maschid Al-Khoei vor Washingtoner Kreisen für die Trennung von Staat und Moschee eintrat und damit den Amerikanern tausendmal näher steht als die irakischen Schiiten mit engen iranischen Verbindungen (SCIRI). Es gibt viele Skeptiker im Lager der Amerikaner, die der Zusage des Obersten Rates, man werde die Trennung von Staat und Religion in einer neuen irakischen Verfassung akzeptieren, nur taktischen Wert beimessen. Immerhin trägt SCIRI (Supreme Council of Islamic Revolution in Iraq) die islamische Revolution schon in seinem Namen.