Ein Pilz gegen den Opiumanbau

In Usbekistan wird eine biologischen Waffe für den "zivilen" Einsatz entwickelt

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Der "Krieg" gegen das Rauschgift scheint demnächst eine neue Form anzunehmen, nachdem die bisherigen konventionellen Aktionen keinen großen Erfolg hatten. Wie die Sunday Times berichtet, finanzieren britische und US-amerikanische Behörden die Forschung an einem für Schlafmohn tödlichen Pilz, die in einem ehemaligen sowjetischen Labor für biologische Waffen in Usbekistan stattfindet. Das Geld scheint über die UNDCP (United Nations drug control programme) zu fließen.

Das Institut für Genetik in Taschkent schließt an die Forschungen in der früheren Sowjetunion an. Damals ist man bereits auf den Pilz Pleospora papaveracea gestoßen, der auf Mohn sich als grünlicher und schwarzer Pulver zeigt und Stengel und Blätter befällt. Die russischen Wissenschaftler entwickelten aus dem natürlich vorkommenden Pilz eine aggressivere Variante, die man nach dem Zusammenbruch des Sowjetreiches und der Wiedereröffnung des Labors unter den vielen zurückgelassenen Proben wieder entdeckt hatte. Das Interesse westlicher Staaten an einer derartigen Waffe im Kampf gegen das Rauschgift kam dann gerade zur rechten Zeit, um für das jetzt privatwirtschaftlich arbeitende Institut Gelder zu erhalten.

Da die USA und Großbritannien besonders engagiert im Konflikt mit dem Irak und den dort angeblich lagernden biologischen Waffen waren, ist nur zu verständlich, daß man die Forschung nicht im eigenen Land durchführen wollte, zumal die Auswirkungen des gentechnisch veränderten Pilzes noch nicht getestet waren. Islamische Länder wie Afghanistan, Iran, Pakistan oder Tadschikistan, in denen der Opiumanbau gedeiht, könnten das schließlich wirklich als biologischen Krieg und als Einmischung des Westens verstehen. Usbekistan liegt denn auch in der Nähe der zentralasiatischen Mohnanbaugebiete, aus denen ein großer Teil des Heroins für den Westen stammt. Das könnte zumindest zu Beginn das Interesse des Westens verschleiern und Kritik an westlicher Einflußnahme umgehen. In Usbekistan baut man jetzt die Struktur zur massenhaften Produktion auf und testet den Pilz an Mohnpflanzen im Grenzgebiet zu Kirgisien. Die Sunday Times zitiert einen vertraulichen Bericht, in dem zu lesen ist, daß "die Produktionskapazität zum Einsatz auf etwa 2000 Hektar, auf denen gegenwärtig illegal in Zentralasien Mohn angebaut wird, relativ leicht und zu geringen Kosten bereitgestellt werden könnte."

Das Ziel des biologischen Angriffs besteht nicht in der Vernichtung der Felder, sondern lediglich in der Infektion der Pflanzen, so daß der Aufwand für die Anbauer immer größer wird und die Ernte drastisch zurückgeht. Auch wenn sich der Pilz natürlich selbständig vermehrt, denkt man offensichtlich daran, die Sporen mit Flugzeugen über die Felder zu versprühen. Wissenschaftler und Angestellte der UN dürfen jedenfalls über dieses Projekt nicht sprechen. Wie der Einsatz in Zentralasien - man denkt aber auch an das Goldene Dreieck und an Südamerika - wirklich vonstatten gehen soll, wenn die betroffenen Regierungen dem nicht zustimmen, ist unbekannt. Auch wenn bereits natürliche Agenten wie Bakterien oder Algen etwa zur Bekämpfung von Mücken oder anderem Ungeziefer zum Einsatz kamen, so stellt dieses Projekt doch eine neue Stufe dar, auch wenn zunächst "nur" um den Kampf gegen das organisierte Verbrechen geht, denn derartige Waffen könnten jederzeit dazu dienen, die Volkswirtschaft eines feindlichen Landes zu schädigen. Neben dem Cyberkrieg beginnt jetzt also der "zivile" biologische Krieg. Es ist höchste Zeit, das seit 1972 vor sich hindümpelnde Übereinkommen zum Schutz vor biologischen Waffen auf effektive Weise in die Tat umzusetzen.

Chris Hables Gray: Die wachsende Gefahr des chemischen und biologischen Krieges
Florian Rötzer: Anmerkungen über die Gefährdung durch biologischen Waffen