Berlin schließt die Reihen gegen Erdogan

Sahra Wagenknecht auf der Türkei-Konferenz. Bild: Fraktion Die Linke/CC BY-2.0

Deutliche Worte von CDU und Sozialisten bei Konferenz der Linksfraktion. BND warnt vor Verfolgung des türkischen Dienstes MIT

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Volle Breitseite gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: Bei einer Konferenz der Linksfraktion im Bundestag übten sowohl Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) als auch die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, harsche Kritik an dem Autokraten vom Bosporus. Zugleich berichten mehrere Medien erneut über eine Offensive des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland. Die Situation bleibt also angespannt, während hunderttausende Deutsch-Türken seit Montag über die Reform der Verfassung abstimmen können.

Wie auch in anderen europäischen Staaten können Inhaber eines türkischen Passes seit Montag dieser Woche entscheiden, ob Erdogan noch mehr Macht bekommt und die derzeit geltende Verfassung abschaffen kann. Im Bundesgebiet leben rund 1,4 Millionen Abstimmungsberechtigte. Sie können noch bis zum 9. April am Referendum teilnehmen. In Deutschland sind Wahllokale in 13 Konsulaten und externen Räumen geöffnet.

Die Beteiligung an der Abstimmung könnte aber vor allem für Kritiker der Erdogan-Regierung schwierig werden. Nach Informationen der Recherchegruppe von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hatte der Präsident des türkischen Geheimdienstes Millî İstihbarat Teşkilatı (MİT), Hakan Fidan, seinem BND-Amtskollegen Bruno Kahl am Rande der sogenannten Sicherheitskonferenz in München ein umfangreiches Dossier von mutmaßlichen Anhängern der Hizmet-Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen übergeben. Die Liste enthalte Namen von mehr als 300 in Deutschland lebenden angeblichen Gülen-Anhängern sowie von 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzurechnenden Institutionen.

Allerdings hat sich Fidan verkalkuliert. Der BND hat die Liste inzwischen der Bundesregierung und anderen Behörden weitergeleitet, die nun die Verfolgten warnen. Personen unter Beobachtung des MİT werde abgeraten, in die Türkei einzureisen oder auch nur diplomatische Einrichtungen der Türkei in Deutschland zu betreten, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Bei einer Konferenz der Linksfraktion zum Thema übten auch vor diesem Hintergrund Vertreter verschiedener politischer Lager harsche Kritik an Erdogan. Die Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, bezeichnete den Präsidenten sogar als "Terroristen" – und reagierte damit auf eine recht unverhohlene Drohung des Staatschefs (Erdogan droht Europäern mit Terror auf der ganzen Welt). Wagenknecht ordnete dies als "Aufruf zum Terrorismus" ein und wurde auch in ihrer Wortwahl recht deutlich: "Da spricht ein Terrorist. Nichts anderes ist das." Die Politikerin forderte erneut auch ein umgehendes Ende der Verhandlungen mit der Türkei über einen Beitritt zu Europäischen Union.

Auf der Linken-Konferenz mit dem Titel "Quo vadis, Deutschland-Türkei" übte auch Bundestagspräsident Norbert Lammert Kritik an der türkischen Regierung, der er einen Putschversuch gegen die Demokratie vorwarf. Das Erdogan-Lager setze zur "Umwandlung einer zweifellos fragilen, aber demokratischen Ordnung in ein autoritäres System" an, sagte der CDU-Politiker. In Konsequenz des gescheiterten Putsches im vergangenen Jahr mache sich die Regierung in Ankara nun an die "systematische Aushebelung" des politischen Systems. Dies sei ein "zweiter Putschversuch", so Lammert.