USA: Polizeigewalt vor allem gegen junge Menschen und Schwarze beträchtlich

Bild: FBI

Trump beschwor Loyalität zur Waffenlobby NRA und zur Devise, dass mehr Schusswaffen mehr Sicherheit bringen, die von der Polizei verursachten Toten zeigen eine andere Wirklichkeit

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US-Präsident Donald Trump hat sich kürzlich wieder die Position der Waffenbefürworter zu eigen gemacht, dass die private Aufrüstung mit Schusswaffen die Gefahr senken würde, zum Opfer eines Angriffs mit Schusswaffen zu werden. So behauptete er, dass es in Paris bei den Terrorangriffen vom November 2015 weniger Tote gegeben haben würde, wenn die Menschen bewaffnet gewesen wären und zurückschießen hätten können (Frankreich: "Trump verhöhnt Opfer der Terroranschläge".

Mike Pence erklärte auf der NRA-Jahresversammlung, die Waffenlobby habe mit Trump und ihm zwei "wahre Freunde im Weißen Haus". Das Recht, Waffen zu tragen, sei eine der ersten und wichtigsten Freiheiten. Und auch er wiederholte die Behauptung, dass mehr Schusswaffen das Land im Inneren sicherer mache:

Präsident Trump hat die Regierenden in ganz Amerika aufgefordert, dem Beispiel von Bundesstaaten wie Indiana zu folgen und dem qualifizierten Schulpersonal auf freiwilliger Basis zu erlauben, verdeckt Schusswaffen zu tragen. Weil ein guter Kerl mit einer Schusswaffe die schnellste Möglichkeit ist, einen bösen Kerl mit einer Schusswaffe zu stoppen.

Mike Pence

In diesem Jahr sind nach dem Gun Violence Archive (GVA) bereits 4988 Menschen in den USA mit Schusswaffen getötet worden (Stand: 8. Mai). Verletzt wurden fast 9000. Selbstmorde und Selbstmordversuche wurden nicht mitgerechnet. 88 wurden bei Massenschießereien getötet, 805 bei Vorfällen mit Polizisten, von denen 96 verletzt oder getötet wurden. 2017 zählte man bei GVA 15.549 durch Schusswaffen Getötete (ohne Selbstmorde). Nach der Washington Post wurden 2017 von Polizisten fast 1000 Menschen getötet.

Von den CDC liegen für 2017 noch keine Daten vor. Dort zählte man 2016, inklusive Selbstmorde, 38.658 Menschen, die mit Schusswaffen getötet wurden. Jahr für Jahr werden es mehr, 2012 waren es 33.563, 2008 31.593. Allerdings stieg auch die Bevölkerung an, so dass der Anteil von etwa 10,5 mit Schusswaffen Getöteten auf 100.000 Einwohner etwa gleich blieb, ab 2015 kletterte der Anteil aber auf 11,3 und 2016 weiter auf 12,0. 2015 wurden fast 13.000 mit Schusswaffen ermordet, was einen Anteil von 4,0 auf 100.000 ergibt. Eine Studie verglich die Zahl der mit Schusswaffen in den USA Getöteten mit anderen OECD-Ländern für das Jahr 2010. Insgesamt lag die Mordrate sieben Mal höher und die Mordrate mit Schusswaffen 28 Mal höher. In Deutschland etwa lag der Anteil der durch Schusswaffen Getöteten bei 0,1 und die gesamte Mordrate bei 0,6 auf 100.000 Einwohner, in den USA lag er 2010 noch bei 3,6 und 5,3.

Der tödliche Einsatz von Waffen kommt nicht nur bei den Massenschießereien zur Geltung, die immer wieder die USA meist als erweiterter Suizid heimsucht - dieses Jahr waren es bereits 88, vom 1. bis zum 7. Mai alleine 9, meist gibt es "nur" Verletzte - , sondern auch im Fall der Polizeigewalt. Die Polizisten greifen auch deswegen schnell zur Schusswaffe, weil sie Angst haben, dass die Menschen bewaffnet sein könnten.

Wissenschaftler bemängeln zu geringe Aufmerksamkeit für Polizeigewalt

Eine aktuelle Untersuchung, die im Journal of Epidemiology & Community Health erschienen ist, macht deutlich, dass davon in hohem Maße junge Männer und Schwarze gefährdet sind und zum Opfer werden. Die UCLA-Wissenschaftler haben versucht, die Folgen der Polizeigewalt durch Schusswaffen für die Jahre 2015 und 2015 in verlorenen Lebensjahren zu quantifizieren. Damit werden oft die Folgen bestimmter Krankheiten und Verletzungen berechnet, um sie zu vergleichen. Das Problem ist allerdings, dass in den USA wohlweislich offiziell keine umfassenden Zählungen der Toten und Verletzten bei Begegnungen mit der Polizei durchgeführt werden.

Die Wissenschaftler haben sich daher der als einigermaßen verlässlich geltenden Counted-Datenbank bedient, die vom britischen Guardian betreut wird. Hier werden seit Anfang 2015 nach dem Tod des unbewaffneten 18-jährigen Michael Brown in Ferguson im August 2014, möglichst alle Polizeiberichte, Nachrichten und unabhängige Erhebungen mit Informationen von Zeugen kombiniert. Auch das US-Justizministerium hat vor kurzem die FBI-Zahlen mit Counted-Informationen ergänzt, um die Zahl der bei Festnahmeversuchen Getöteten besser zu erfassen.

Dabei stellte sich heraus, dass die Behörden zwischen Januar und Juni 2015 nur 49 Tote berichtet hatten, während über Counted noch weitere 377 hinzukamen. Das bedeutet, dass offiziell nur ein Zehntel der bei Festnahmen erfolgten Todesfälle registriert wurden. Von den insgesamt 425 Todesfällen sind 270 (67%) Tötungen, inklusive rechtmäßiger Schusswaffengebrauch, 76 Suizide und 48 zufällige Tode. 8 Todesfälle geschahen auf natürlich Weise, bei 24 ist die Todesursache unbekannt oder wird noch aufgeklärt.

Nach den Wissenschaftlern haben 2015 und 2016 in den USA 1146 bzw. 1092 Menschen durch Polizeigewalt ihr Leben verloren, das Durchschnittsalter lag bei 35 Jahren. 52 Prozent waren Weiße, 25,5 Prozent Schwarze und weniger als 17 Prozent Latinos. Der Anteil von Asiaten, Indianer und Araber lag jeweils unter 2 Prozent. Dabei sind relativ zur jeweiligen Population die Indianer am meisten mit 7,8 pro Million von tödlicher Polizeigewalt betroffen, gefolgt von den Schwarzen mit 7,2 pro Million. Bei den Latinos waren es nur 3,3 und bei den Weißen 2,9 pro Million.

Nach Schätzungen der Wissenschaftler gingen 2015 durch die Polizeigewalt 57.375 und im darauf folgenden Jahr 54.754 Lebensjahre verloren. Schwarze, die von Polizisten getötet wurden, hatten mit durchschnittlich 30 Jahren das geringste Alter, Weiße mit 38 Jahren das höchste. Die Schwarzen trifft es hier am schlimmsten. Obwohl sie nur einen Anteil von 38,5 Prozent an den Getöteten stellen, liegt ihr Anteil bei den verlorenen Lebensjahren mit 51,5 Prozent bei über der Hälfte.

Überproportional Opfer von tödlicher Polizeigewalt werden die 25-35-Jährigen. Fast 32 Prozent der Getöteten gehören dieser Altersgruppe an, bei dem 17-24-Jährigen sind es 17,4, bei den "36-47-Jährigen sind es 23,2 Prozent.

Die Wissenschaftler betonen, dass die Zahl der verlorenen Lebensjahre durch Polizeigewalt beträchtlich ist. Sie liegt ähnlich hoch wie bei Meningitis oder Tod der Mutter bei Geburt und ist höher wie die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Fahrradfahrer (38.478 verlorene Lebensjahre) und von Verletzungen durch unbeabsichtigten Schusswaffengebrauch (40.752). "Aber viele dieser Todesursachen erhalten beispielsweise im Hinblick auf Forschungsförderung eine größere Aufmerksamkeit als die Polizeigewalt", monieren sie. Dabei würden ihre Zahlen nicht die größeren Folgen wie nichttödliche Verletzungen, Traumata oder langfristige Behinderungen einschließen.